Ein tennisballgroßer Globus ist von einem Autoreifen angefahren worden.
Die Erde kommt unter die Räder – in diesem Jahr etwas langsamer. (Foto: Jeyaratnam Caniceus/​Pixabay)

Der Verbrauch der Menschheit an natürlichen Ressourcen ist so hoch, dass eigentlich 1,6 Erden nötig wären, um ihn nachhaltig zu decken. Am heutigen Samstag wird daher von Umweltverbänden der "Erdüberlastungstag" ausgerufen – abgeleitet vom englischen "Earth Overshoot Day".

Dieser Tag markiert den Zeitpunkt im Jahr, bis zu dem die Menschen bereits so viel Leistungen von der Erde beansprucht haben, wie alle Ökosysteme im gesamten Jahr erneuern können.

In diesem Jahr allerdings bewirken die Folgen der Coronakrise – Einbrüche unter anderem bei Industrie, Flugverkehr und Tourismus – eine unerwartete Verschiebung.

Der Überlastungstag, der bislang wegen steigender Bevölkerungszahl und steigendem Ressourcenverbrauch fast jedes Jahr früher erreicht war, rückt gut drei Wochen nach hinten. Im vergangenen Jahr war er bereits am 29. Juli erreicht, dieses Jahr erst am 22. August.

Berechnet wird der Erdüberlastungstag von der US-Organisation Global Footprint Network. Dabei werden zwei Größen gegenübergestellt: einerseits die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Biomasse und anderen Rohstoffen sowie zur Aufnahme von Emissionen und Müll, andererseits den Gesamtbedarf an Ressourcen wie Ackerland, Wäldern oder Wasser, die die Menschheit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise in Anspruch nehmen.

Das dafür genutzte Konzept des ökologischen Fußabdrucks ist quasi ein Buchhaltungssystem für die natürlichen Ressourcen.

Corona-Delle kleiner als gedacht

Bisher hat der Raubbau an der Erde in den letzten 50 Jahren deutlich zugenommen. In den 1960ern übertraf die Neubildung der Ressourcen global gesehen noch die Nutzung. 1971 war der Overshoot Day dann bereits am 21. Dezember erreicht. Bis 2019 rückte der Tag – abgesehen von Schwankungen durch weltweite Wirtschaftseinbrüche etwa in den Ölkrisen oder nach der Lehman-Pleite – immer weiter weg vom Jahresende.

Zwar ist seit dem UN-Erdgipfel in Rio 1992 das Bewusstsein weltweit gestiegen, dass die globalen Ressourcen übernutzt werden. Doch trotz der damals verabschiedeten Konventionen zu Klima, Biodiversität und gegen Wüstenbildung sowie Initiativen zum Waldschutz wurde der Raubbau nicht gebremst.

Auch Corona steht bisher nicht für einen Trend zum Besseren. So erwarten Klimaforscher, dass der globale Treibhausgasausstoß in diesem Jahr nur vier bis sieben Prozent unter dem Vorjahreswert liegen wird und schnell wieder alte Höhen erreichen kann.

Auf dem Höhepunkt der Lockdowns im Frühjahr waren die Emissionen zwar um 17 Prozent gefallen. Ein Forschungsteam der University of East Anglia im englischen Norwich rechnet aber damit, dass sie schon im zweiten Halbjahr wieder fast das alte Niveau erreichen. "Dass das so schnell passieren würde, ist eine Riesen-Überraschung", wird Corinne Le Quéré, Professorin in Norwich und Hauptautorin der entsprechenden Studie, zitiert.

Ressourcenverbrauch soll sinken

Damit würde sich wiederholen, was nach der Finanzkrise 2008 passierte. Die globalen Emissionen erreichten schon im Jahr darauf wieder den Vorkrisen-Wert und stiegen danach weiter an. Umweltverbände warnen deshalb nun, dass der Corona-Effekt bereits im kommenden Jahr wieder verpufft sein wird, wenn der Weg aus der Krise nicht klima- und ressourcenschonend gelingt.

"Dass sich der Erdüberlastungstag dieses Jahr nach hinten verschiebt, ist allein Folge der Corona-Pandemie und noch keine Trendumkehr", sagte Steffen Vogel von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Um zu verhindern, dass der Erdüberlastungstag nächstes Jahr wieder deutlich nach vorn rückt, müssten die Investitionen zur ökonomischen Erholung nach der Pandemie konsequent an Nachhaltigkeit gekoppelt werden.

"Unsere Wirtschaft darf nicht länger an Profit ausgerichtet sein, der Klimaziele und Menschenrechte untergräbt. Der Ressourcenverbrauch muss sinken", forderte Vogel. Und bei Brot für die Welt hieß es: "Wir sollten nicht neues Geld alten Ideen hinterherwerfen. Nur wenn wir es schaffen, dass der Erdüberlastungstag künftig auf einen Tag nach dem 31. Dezember fällt, hat unsere Erde eine Chance."

Auch die Jugendorganisationen der Umweltverbände BUND und Nabu mahnen die Politik, die Wiederaufbau-Milliarden gezielt einzusetzen. "Wenn wir jetzt nicht ambitioniert umsteuern, wird sich weltweit auch die Kluft zwischen Arm und Reich weiter verschärfen, die Abfallmengen werden weiter zunehmen und es wird teurer werden, diese Krisen abzuwenden – alles auf dem Rücken unserer und künftiger Generationen", sagte Constantin Kuhn von der BUND-Jugend.

Kein Land schafft öko und sozial

"Wir stehen bei der Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise weltweit an einem Scheideweg", warnte Jan Göldner, Klimaexperte der Naturschutzjugend. Werde die zurzeit notwendige Unterstützung der Wirtschaft nicht für Anreize und zukunftsfähige Investitionen in Klima- und Ressourcenschutz genutzt, drohe sogar ein riesiger Schritt rückwärts.

Auf die Nord-Süd-Spaltung beim Ressourcenverbrauch wies die NGO Fairbindung hin. "Unser auf Wachstum ausgerichtetes Wirtschaften geht nach wie vor auf Kosten der Menschen in Ländern des globalen Südens", sagte Julius Neu vom Bildungsteam der Organisation. Ein gutes Leben für alle werde nur möglich, wenn die Industrieländer ihre Art zu produzieren und zu konsumieren grundlegend verändern.

Tatsächlich wären nach den Berechnungen des Global Footprint Network, wenn alle Länder so wirtschaften und konsumieren würden wie Deutschland, nicht "nur" 1,6 Planeten nötig, sondern – gemäß den Daten von 2019 – sogar drei.

Bei einer Lebensweise wie in den USA bräuchte die Menschheit sogar fünf Erden, beim Modell des Schwellenlandes China wären es 2,2. Heute gibt es kein Land, das die grundlegenden Bedürfnisse seiner Bewohner erfüllt, ohne die planetaren Grenzen zu sprengen.

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