Porträtaufnahme von Friederike Otto.
Friederike Otto. (Foto: David Fisher)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Friederike Otto, bisher Professorin im Climate Research Programme der Universität Oxford und Leiterin des dortigen Environmental Change Institute, seit vergangener Woche am Grantham Institute for Climate Change and the Environment des Imperial College London.

Klimareporter°: Frau Otto, der Hamburger Meteorologe und Klimaforscher Klaus Hasselmann und seine Kollegen Syukuro Manabe und Giorgio Paisi erhalten den Physik-Nobelpreis für ihre Klimamodelle. Hasselmann trug maßgeblich zum Verständnis der Erderwärmung durch menschlichen Einfluss bei. Wie stark bezieht sich Ihre Arbeit auf seine Forschung?

Friederike Otto: Hasselmann hat im Prinzip das Feld von detection and attribution erfunden, also wie man in einer Zeitreihe von Klimadaten, im Wesentlichen die globale Mitteltemperatur, Trends aufspürt und dann möglichen Antrieben zuordnet.

Was ich mit meiner Forschung mache, folgt im Prinzip der gleichen Idee: Veränderungen im Wetter aufspüren und diese dann Ursachen zuordnen. Mathematisch mache ich es in meiner Forschung allerdings anders, weil Hasselmanns für das Klima entwickelte Methode für das Wetter nicht wirklich funktioniert.

Also kurz gesagt, die Grundidee ist die gleiche, die Umsetzung eine andere.

Eurosolar-Präsident Peter Droege argumentiert in einem Gastbeitrag, dass das globale CO2-Budget schon längst erschöpft sei – nämlich als die CO2-Konzentration 280 ppm überschritten hat. Stimmen Sie zu? Und wie beurteilen Sie seine Forderung nach einem klimapositiven, emissionsnegativen Europa? 

Wir sind im Zeitalter der Schäden und Verluste längst angekommen, der Klimawandel hat unsere Welt, das Leben und die Lebensgrundlagen vieler bereits jetzt verändert. Die Schäden und Verluste werden auch schon bei 1,5 Grad Erwärmung weiter zunehmen – und natürlich erst recht bei zwei Grad oder wo auch immer wir landen werden.

Insofern sind das 1,5-Grad-Ziel und das globale Netto-Null-Ziel beim CO2-Ausstoß im Jahr 2050 nicht dasselbe wie "klimaneutral". Es sind politisch gesetzte Ziele, die die Notwendigkeit zur Klimaanpassung sowie von Schäden und Verlusten entsprechend Artikel 8 des Paris-Abkommens in Kauf nehmen.

Deutschland hat das Paris-Abkommen unterzeichnet, und das Bundesverfassungsgericht hat im April auch noch einmal sehr deutlich gemacht, dass wir es dann auch einhalten müssen.

Physikalisch ist das noch möglich, aber es fehlt bisher der politische Wille, trotz aller Rhetorik. Das Pariser Klimaabkommen sagt auch, dass die reichen, historisch größten Emittenten voranzugehen haben. Das heißt: Deutschland hat ein kleineres CO2-Budget als Länder mit gleicher Einwohnerzahl aus dem globalen Süden.

All das ist laut Bundesverfassungsgericht schon geltendes Recht und es wird die Aufgabe der neuen Regierung sein, das umzusetzen.

Das ist wegen der Versäumnisse der Vergangenheit schwer genug, aber wir haben jetzt einen Rahmen. Auch den zu setzen war schwer genug. Wir sollten uns endlich auf die Umsetzung konzentrieren und nicht am Rahmen rütteln und dann doch wieder nur reden und nicht handeln.

Die Weltwetterorganisation WMO warnt in einem neuen Bericht vor einer weltweiten Wasserkrise. Zunehmende Wasserknappheit erwartet die WMO im Mittelmeerraum, in der Sahelzone, im Westen der USA, an der Westküste Südamerikas, im Nahen Osten und in großen Teilen Süd- und Ostasiens – während sich Länder wie Japan, China, Indonesien oder Deutschland bereits Überschwemmungen gegenübersahen. Wie wirkt hier die Klimakrise? 

Der Klimawandel verändert die Intensität vieler Wetterextreme, darunter auch Starkregen und Dürren in einigen Regionen. In dem im August erschienenen IPCC-Bericht heißt es hierzu eindeutig: Häufigkeit und Intensität von Starkniederschlägen haben weltweit in vielen Landregionen mit guter Beobachtungsabdeckung zugenommen, darunter in weiten Teilen Nordamerikas, Europas und Asiens, im südlichen Afrika sowie in Teilen Südamerikas.

Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat zu einer Verringerung der Wasserverfügbarkeit während der Trockenzeit beigetragen, wo es eine solche gibt. Dies ist weitestgehend der Zunahme der Evapotranspiration geschuldet, also einer steigenden Gesamtverdunstung von der Bodenoberfläche, und nicht Veränderungen der Niederschläge. Im Mittelmeerraum, im südlichen Afrika und in Teilen Südamerikas gibt es allerdings auch weniger Niederschläge und damit mehr Dürren.

Die von immer häufigeren und schwereren Dürren betroffene Landfläche vergrößert sich mit zunehmender globaler Erwärmung. Ob all dies aber zu weiteren Problemen wie Wasserknappheit führt, hängt nicht nur vom Wetter, sondern auch sehr stark von der Vulnerabilität ab, von der Verletzlichkeit. Auch das Wassermanagement spielt eine enorm wichtige Rolle.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Das war schon, dass der Nobelpreis für Physik an Manabe, Paisi und Hasselmann gegangen ist. Ich glaube, durch die jahrzehntelange extrem erfolgreiche Lobbyarbeit gegen die Klimawissenschaften, gegen Fakten, gegen Wissenschaftler haben viele erst sehr spät – wenn überhaupt – mitbekommen, dass der Klimawandel auf grundlegenden physikalischen Prinzipien beruht, bei denen man sich nicht entscheiden kann, sie zu glauben oder nicht.

Fragen: Sandra Kirchner

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