Feuer in Kalifornien verfinstern den Himmel
Feuer in Kalifornien im Januar. (Foto: Ventura County Fire Department/​Wikimedia Commons)

Klimareporter°: Frau Otto, der Weltklimarat IPCC liefert mit seinen Berichten die Grundlage für die Klimapolitik der Staaten. Bevor heute der erste Teil des neuen, nunmehr sechsten Sachstandsberichts veröffentlicht wurde, haben Forschende und Regierungsvertreter in den zwei Wochen zuvor die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger gemeinsam abgestimmt. Diese "Summary for Policymakers" ist eine stark gekürzte Fassung des eigentlichen Berichts. Gehen da nicht wichtige Details unter?

Friederike Otto: Natürlich kann man nicht alle wichtigen Details in die Summary schreiben. Aber die wichtigen Themen sind drin sowie klare Verweise zu den Kapiteln des Berichts, die die Details beinhalten.

Sie waren zum ersten Mal dabei. Wie lief das ab? Wie muss man sich das vorstellen?

Der Ablauf ist tatsächlich so, dass Wissenschaftler und Regierungsvertreter jeden Satz der Summary gemeinsam durchgehen. Wir Autoren stellen den Text vor, beantworten Fragen und erarbeiten dann mit den Delegierten Verbesserungen in der Formulierung. Es ist wichtig zu betonen, dass der Inhalt nicht verändert wird, nur die Präsentation, und zwar zum Besseren.

Die Zusammenfassung wird durch die Abstimmung besser?

Ja, es macht den Bericht wirklich besser, denn die Regierungsvertreter sind in den meisten Fällen selbst Wissenschaftler. Sie kennen die Materie gut, wissen aber auch, was Politiker verstehen und was nicht. Die Fakten stehen für sich.

Die zweiwöchige Abstimmung fand dieses Mal wegen Corona erstmals komplett virtuell statt. Hat das die Arbeit erschwert?

Es war insofern gut, als die geplanten Fristen deutlich besser eingehalten wurden, anders als bei früheren Berichten. Das macht es besonders für die kleineren Delegationen leichter, an allem teilzunehmen. Aber es war auch ganz schön einsam, weil die Kollegen eben nur über die virtuelle Plattform da waren. Das macht es schwieriger, sich gut abzustimmen.

Aber insgesamt war es eine extrem positive Erfahrung und wir können auf den Bericht sehr stolz sein. Ich habe viel gelernt, auch über mein Spezialgebiet hinaus, und tolle neue Kollegen kennengelernt. Es war aber auch sehr viel Arbeit, die ja unbezahlt und zusätzlich zum Tagesjob ist, das ist schon sehr anstrengend. Gerade auch die letzten Wochen.

Der Bericht zeigt noch deutlicher als zuvor die Dringlichkeit des Handelns. Schon in wenigen Jahren könnte die kritische Schwelle von 1,5 Grad Erwärmung erreicht oder sogar überschritten werden. Nur wenn die Treibhausgasemissionen sofort, rasch und in großem Umfang verringert werden, ließe sich dies verhindern, heißt es dort klipp und klar. Da müssten viele Regierungsvertreter eigentlich ziemlich erschrocken gewesen sein.

Auch wenn sich die Genauigkeit, mit der wir dies jetzt sagen können, stark erhöht hat, ist die Tatsache an sich nicht neu und vollkommen in Übereinstimmung mit dem 1,5-Grad-Bericht des IPCC von 2018. Entscheidend ist dieses Jahrzehnt. Bis 2030 müssen die Emissionen um rund die Hälfte sinken.

In dem jetzt vorgelegten ersten Teil des Sachstandsberichts geht es um die physikalischen Grundlagen des Klimawandels. Auch Fortschritte in der Attributionsforschung sind eingeflossen, Ihrem Fachgebiet, das herausarbeitet, welchen Anteil der Klimawandel am Zustandekommen von Extremereignissen hat. Was sind die wichtigsten neuen Erkenntnisse?

Friederike Otto

ist geschäfts­führende Direktorin des Environmental Change Institute an der Universität Oxford in Groß­britannien, Professorin im Climate Research Programme der Universität und Mitglied im Heraus­geber­rat von Klimareporter°. Die Physikerin und Philosophin ist Mitbegründerin der Zuordnungs­forschung (attribution science), die den Anteil des Klimawandels an Extrem­wetter­ereignissen berechnet. Otto wurde 1982 in Kiel geboren, sie hat an der Freien Universität Berlin promoviert. Sie ist eine der Leitautorinnen des Kapitels über Wetter und extreme klimatische Ereignisse im Sechsten Sach­stands­bericht des IPCC.

Durch den Klimawandel sind Extremereignisse in allen Regionen der Welt bereits häufiger und heftiger geworden. Das können wir jetzt sehr gut belegen. Und: Auch in einem 1,5-Grad-Szenario – also wenn es gelingt, das strengere Klimaziel des Paris-Abkommens einzuhalten – wird sich die Wahrscheinlichkeit speziell von Hitzewellen deutlich erhöhen.

Aber auch das Auftreten von verknüpften Extremen wird wahrscheinlicher, also wenn es gleichzeitig zu Hitze und Trockenheit kommt.

Starkregen und Überschwemmungen, Hitzerekorde und Waldbrände – die aktuelle Weltlage illustriert den Bericht leider gut. Worauf müssen wir uns in Zukunft einstellen?

Die Tatsache, dass wir eine stärkere Zunahme von Extremen beobachten, liegt daran, dass wir immer mehr Treibhausgase emittieren und damit die Erwärmung beschleunigt haben. Wenn die Emissionen zurückgehen, auch das zeigt der Bericht, werden die Veränderungen sich verlangsamen.

Allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Selbst wenn die Emissionen Jahr für Jahr drastisch gesenkt werden, wird sich das bei der CO2-Konzentration in der Atmosphäre erst nach fünf bis zehn Jahren bemerkbar machen, bei der globalen Durchschnittstemperatur erst nach 20 Jahren.

Abschließend noch eine ganz andere Frage: In der Vergangenheit waren die Autoren der IPCC-Berichte überwiegend Männer, woran es Kritik gab. Diesmal liegt der Frauenanteil immerhin bei 30 Prozent. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Es gibt wahnsinnig tolle Frauen, die bisher zu wenig wahrgenommen wurden, zum Beispiel Paola Arias aus Kolumbien, die mit mir die Sektion A.3 bei der Summary geleitet hat. Es sind immer noch zu wenige Frauen gerade in der Physik und der Klimaphysik vertreten. Aber ganz langsam wird es besser.

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