Die High Ambition Coalition
Die "High Ambition Coalition" bei der Vorstellung am Mittwochabend. Links EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete und der Chef der Least Developed Countries Giza Gaspar-Martin, in der Mitte der Außenminister der Marshallinseln Tony de Brum, daneben Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, der gambische Umweltminister Pa Ousman Jarju und US-Chefverhandler Todd Stern. (Foto: Susanne Götze)

Der Kampf gegen den Klimawandel bekommt einen völlig neuen und unerwarteten Schub. Auf dem Klimagipfel in Paris hat sich ein mehr als ein halbes Jahr geheim gehaltenes Bündnis aus mehr als 100 Staaten offenbart, die für ein rechtlich verbindliches und starkes Weltklimaabkommen eintreten. Auf einer historischen Pressekonferenz erklärte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete: "Wir sind die Koalition der Ambitionierten."

Der neuen, mächtigen Allianz, die sich selbst "High Ambition Coalition" nennt, gehören etwa die EU, die USA, Mexiko, Kolumbien, Norwegen und die 79 afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten an.

Ihre Ziele für ein Abkommen: ein klares Langfristziel für den Klimaschutz, regelmäßige Überprüfungen der nationalen Klimapläne alle fünf Jahre, ein einheitliches System, um die Fortschritte bei der CO2-Reduktion zu messen und zu dokumentieren. Und ein Verweis auf ein 1,5-Grad-Ziel.

Die Redner auf dem Podium, darunter Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und US-Chefverhandler Todd Stern, betonten, dass sie sich nicht auf ein minimalistisches Abkommen mit abgeschwächten Zielen einlassen würden.

"Wir werden nicht eines für ein anderes eintauschen", sagte Tony de Brum, der Außenminister der Marshallinseln und Kopf hinter der neuen Allianz. Die ist keine organisierte Verhandlungsgruppe, sondern ein loser Länderbund. "Das ist eine breite Bewegung", sagte Michael Jacobs von der internationalen Forschungsgruppe New Climate Economy.

"Das ist genau das, was wir jetzt brauchen", sagte der US-Chefverhandler Todd Stern. Er wies darauf hin, dass mit der Gruppe niemand ausgeschlossen werde – die Koalition sei offen für jeden Staat, der ihr beitreten wolle. Zwar verwies er auf "einige Bremser" im Verhandlungsprozess, wollte aber nicht konkreter werden. Jetzt sei nicht die Zeit, mit dem Finger auf andere zu zeigen, stattdessen solle man sich auf die neue Koalition konzentrieren. "Das ist unser Moment", sagte Stern.

Hendricks: "Stolz in dieser Allianz zu sein"

Umweltverbände sehen die neue Allianz mit gemischten Gefühlen. Im Prinzip sei solch eine Vereinigung der "Ambitionierten" zu begrüßen, allerdings müssten diese in der Substanz auch tatsächlich beweisen, dass sie ambitioniert seien.

Ein anderes Problem: Die breite Allianz besteht aus Ländern, die durchaus unterschiedliche Positionen in der Klimapolitik einnehmen. Die kleinen Inselstaaten fordern etwa eine starke Berücksichtigung der klimawandelbedingten "Verluste und Schäden" im Abkommen, während die USA dieses Thema heraushalten wollen.

Auch setzt sich das Mitglied des lateinamerikanischen Bündnisses AILAC Kolumbien für eine regelmäßige Überprüfung und eine Erhöhung der Finanzhilfen für Entwicklungsländer ein – im Gegensatz zu den USA. "Wenn die USA diese Allianz am Leben erhalten wollen, müssen sie auf diese Länder zugehen", sagte Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam.

Bundesumweltministerin Hendricks erklärte: "Ich bin stolz, Teil dieser Allianz zu sein." Von Anfang an habe sie de Brum beim Aufbau der neuen Allianz unterstützt. "Was uns vereint, ist der Wille für ein ambitioniertes Abkommen." Hendricks wies noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass sie sich für das 1,5-Grad-Ziel einsetze.

Bewegung in zwei wichtigen Punkten

In dem Punkt gibt es Bewegung: Mehr und mehr Staaten setzen sich für eine Begrenzung der Erderwärmung nicht nur auf zwei, sondern auf 1,5 Grad ein – eine Forderung der Inselstaaten. Hendricks geht davon aus, dass die 1,5 Grad nicht nur eine bloße Erwähnung in einem Vertragstext finden werden, sondern eine "starke Erwähnung".

Auch die Forderung der High Ambition Coalition, dass alle fünf Jahre die nationalen Klimapläne – die sogenannten INDCs – überprüft und nötigenfalls verschärft werden, soll sich mehr und mehr durchsetzen. Selbst Indien und China – die nicht der Koalition angehören – würden sich bewegen, heißt es.

Christoph Bals, politischer Leiter der Umweltorganisation Germanwatch, sieht einen Kompromiss darin, alle fünf Jahre nicht nur die nationalen Klimaschutzpläne zu prüfen, sondern zugleich die Finanzhilfen für die Entwicklungsländer anzuheben.

Mit dem Topthema Finanzen versucht auch die High Ambition Coalition neue Partner zu gewinnen: Üppige Finanzhilfen der Industrieländer sollen die Entwicklungsländer zu einem Abkommen bewegen. US-Außenminister John Kerry kündigte am Mittwoch an, die Ausgaben für die Anpassung an den Klimawandel auf 800 Millionen Dollar ab 2020 zu verdoppeln. "Zyniker würden sagen, dass gerade die kleinen Länder einfach eingekauft werden", bewertete Raman Mehta von der indischen Vasudha-Stiftung das Vorgehen.

Indien beharrt weiterhin darauf, als Entwicklungsland zunächst die Armut im Land bekämpfen zu müssen; also sollten die Industrieländer im Klimaschutz vorangehen. Hendricks zufolge muss man den unterschiedlichen Entwicklungsstand in einem Abkommen berücksichtigen. "Wir dürfen aber nicht in eine Zweiteilung der Welt zurückfallen", warnt sie.

Die neue Koalition der "Ambitionierten" birgt Beobachtern zufolge allerdings auch Risiken: Viele Länder der Gruppe G77 und China, darunter auch Indien, sind nicht in der High Ambition Coalition mit dabei. Indien war eines der Länder, die von der neuen Koalition bearbeitet worden sind.

Wie eine "Moskito-Flotte" sei man ausgeschwärmt, um Länder mit guten bilateralen Beziehungen "auf eine freundliche Weise zu beißen", berichtete Tony de Brum, der Vertreter der Marshallinseln. Mit einem Land habe allerdings keiner gesprochen – eines, das am Ende entscheidend sein könnte: China.

China hatte den Klimaverhandlungen Ende vergangenen Jahres mit einer gemeinsamen Erklärung mit den USA neuen Schwung verliehen. Doch durch die neue Koalition ist eine neue Situation entstanden. China ist erstmal draußen. Manche Beobachter glauben, dass die Gefahr besteht, dass das Land in seine alte Rolle zurückfallen könnte, die China als Führer der G77-Gruppe noch heute oft übernimmt: die des Vorkämpfers für die Zweiteilung in Industrie- und Entwicklungsländer.

"Es liegt jetzt an China", sagt Michael Jacobs von New Climate Economy. "Wir hoffen, dass China das eher noch weiter vorantreibt. Wir wollen keine polarisierte Welt sehen." Allerdings sei es noch völlig unabsehbar, wie sich China verhalten werde.

Ergänzung am 12. Dezember: Der Pariser Klimavertrag wurde beschlossen

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