Bild: Kristin Rabaschus

Auf den Naturschutzgipfel folgt der Klimagipfel. In beiden UN-Konferenzen geht es um den Versuch, die Ökosystemleistungen unserer Erde, auf die jeder Mensch und jedes Unternehmen angewiesen ist, zu ökonomisieren, zu monetarisieren.

Was keinen Preis hat, ist nach den Spielregeln des Kapitals nichts wert. Doch birgt die kostenlose Vernichtung von Naturkapital volkswirtschaftliche Risiken.

Ein Grund, der öffentliche Institutionen eigentlich besonders sensibel für Biodiversität, für genetische Vielfalt und Ökosysteme machen müsste. Diese Institutionen sind schließlich als "Spitze des Eisbergs" für Aufsicht und Regulierung von Unternehmen zuständig – vornehmlich Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden.

"Zur weltweiten Politik gegen die Klimakrise gehören auch die Geldpolitik und die weltweiten Finanz- und Versicherungsmärkte", zeigt sich der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel im Gespräch mit Klimareporter° überzeugt. Die zunehmenden Risiken und Kosten durch die zerstörerische Klima- und Biokrise destabilisierten die Finanzmärkte und wirkten inflationstreibend, mahnt der Mitgründer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.

Tatsächlich haben weltweit Zentralbanken sowie Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörden in den vergangenen Jahren Fortschritte bei der Berücksichtigung finanzieller Risiken durch die Klimakrise gemacht. Sie gefährdet das Naturkapital besonders.

Umweltbezogene Finanzrisiken nicht auf dem Schirm

Jedenfalls kommt der neue Susreg-Jahresbericht der Umweltstiftung WWF zu diesem Ergebnis. Susreg steht für "Sustainable Financial Regulations and Central Bank Activities", nachhaltige Finanzvorschriften und Zentralbankaktivitäten.

Laut dem Bericht verpflichtet eine zunehmende Zahl von Aufsichtsbehörden die Banken, Versicherer und Investmentfonds zur Offenlegung ihrer Klimaziele und Transformationspläne, die dem Pariser Klimaabkommen entsprechen sollten. Der WWF-Bericht hebt hier die EU, Singapur, Malaysia, Hongkong, Großbritannien und Brasilien positiv hervor.

Derweil hinkt der Großteil der Geld- und Währungspolitik bei der Einbettung von Klima- und Biodiversitätsrisiken hinterher. Nur wenige Zentralbanken – darunter die Bank of England, Banque de France und Monetary Authority of Singapore – haben mittlerweile begonnen, zumindest eigene umweltschädliche Kapitalanlagen auslaufen zu lassen.

Bei anderen umweltbezogenen Finanzrisiken sieht der WWF dagegen großen Nachholbedarf: Die Zentralbanken in sieben der zehn Länder mit der größten Artenvielfalt hinkten in diesem Punkt hinterher. Noch alarmierender sei, dass umweltbezogene Finanzrisiken bei keiner Aufsichtsbehörde dieser zehn Länder berücksichtigt würden.

Eine bedenkliche Entwicklung, weil nahezu alle Wirtschaftsaktivitäten, die zu Naturverlusten führen, direkt oder indirekt von Banken und Versicherern finanziert und abgesichert werden. Nach Schätzung internationaler Umweltverbände belaufen sich Investitionen, die die Klimakrise, Biodiversitätsverluste und die Schwächung von Ökosystemen verschärfen, auf rund sieben Billionen US-Dollar pro Jahr, während Finanzströme für naturbasierte Lösungen auf lediglich 0,2 Billionen Dollar pro Jahr kommen.

Umstrittene Ökonomisierung der Natur

"Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden tun derzeit viel zu wenig, um die globalen Klima- und Biodiversitätsziele zu erreichen", kritisiert Maud Abdelli, Leiterin der WWF-Zentralbankinitiative. Notenbanken und Aufsichtsbehörden könnten stattdessen umweltbezogene Finanzrisiken durch stärkere Aufsichts- und Umsetzungsmaßnahmen berücksichtigen.

Hierzu könnten Regulierungsrahmenwerke dienen, die ihren Fokus auf Risikoanalyse und ‑management, auf Stresstests sowie auf qualitative und quantitative Offenlegungspflichten legen. Entsprechende Aktionspläne der Aufsichtsämter könnten aufschlüsseln, wie die von der Staatengemeinschaft in Paris (Klima) und in Montreal (Biodiversität) beschlossenen Ziele konkret von Banken, Versicherern und Fonds erreicht werden sollen.

Diese Ökonomisierung der Natur ist allerdings unter Wirtschaftswissenschaftlern und Wachstumskritikern durchaus umstritten. Die Bepreisung der Natur folge derselben Logik, die diese Naturzerstörung überhaupt erst verursacht habe.

Alternativökonom Hickel verweist auf 68er-Legende Rudi Dutschke. Der Soziologe habe gegenüber den völlig überschätzten Produktivkräften lieber von den "Destruktionskräften" gesprochen.

 

Andererseits leben wir in einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das nach diesen kapitalistischen Logiken organisiert ist. Die Transformation zur grünen Wirtschaft benötige daher "eine grüne Geldpolitik", sagt Hickel, sowie eine "ökologische Regulierung" der Finanz- und Versicherungsmärkte.

Erste Entwürfe der Europäischen Zentralbank lägen vor. Aus dem Anleiheportfolio der EZB müssten unbedingt Wertpapiere fossiler Unternehmen gecancelt werden.

Hickel schlägt weiter vor, dass die EZB die Refinanzierung längerfristiger Kredite, die Banken für ökosystemfreundliche Investitionen vergeben, mit einem neuen "grünen Leitzins" begünstigen sollte, der niedriger als der normale Leitzins ausfällt.

Eine Idee, die mehr als Beachtung verdient. In der Praxis besäße ein grüner Leitzins wahrscheinlich eine erhebliche Lenkungsfunktion, um das Naturkapital unserer Erde zu stärken.