Nicht beschlussfähig. Die 16. UN-Biodiversitätskonferenz in der kolumbianischen Großstadt Cali endete mit einem Eklat: Nachdem die Konferenz bereits 14 Stunden länger gedauert hatte als geplant, beantragte Peru festzustellen, ob noch genügend Länder vertreten sind.

Daraufhin ließ das Sekretariat der UN-Artenschutzkonvention nachzählen. Und tatsächlich, das Quorum war nicht mehr gegeben und damit war die abschließende Plenarversammlung nicht mehr beschlussfähig.

 

Zu viele Delegierte von meist ärmeren Ländern hatten bereits die Rückreise angetreten, sodass weniger als die Hälfte der Staaten noch vertreten war. Ärmere Länder haben bei solchen Konferenzen stets das Problem, dass sie aus Kostengründen ihre Reisepläne nicht kurzfristig ändern können.

Damit konnte nicht mehr über die beiden wichtigsten Agendapunkte der Konferenz entschieden werden: die Finanzierung und die Regeln zur Überwachung der Umsetzung.

Umsetzungsregeln frühestens in zwei Jahren

Bei der Finanzierung hatte sich bereits zuvor abgezeichnet, dass noch mehr Zeit nötig sein würde. Die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad hatte einen Beschlussvorschlag vorgelegt, der die Schaffung eines neuen Fonds für den Artenschutz vorsah. Doch die EU, Kanada, Japan und die Schweiz lehnten dies rundheraus ab.

Diese Länder argumentierten, dass die Finanzierung über die Globale Umweltfazilität GEF beibehalten werden sollte und durch die Schaffung eines neuen Fonds nur Zeit verloren geht. Aus Sicht vieler Entwicklungsländer wird der GEF aber zu sehr durch die Industriestaaten dominiert, weswegen sie einen separaten Fonds gefordert haben.

Besorgte Gesichter gestern in Cali (von links): Biosicherheits-Konferenzchefin Wadzanayi Goredema-Mandivenyi, Gipfelpräsidentin Susana Muhamad, UN-Biodiversitätschefin Astrid Schomaker. (Bild: Mike Muzurakis/​IISD/​ENB)

Nicht beschlossen wurden zudem die Regeln, mit denen die Umsetzung der globalen Artenschutzziele überwacht werden soll. Diese Ziele sehen etwa vor, dass die Länder 30 Prozent ihrer Land- und Wasserfläche bis zum Jahr 2030 unter Schutz stellen.

Darauf hatten sich die Staaten vor zwei Jahren geeinigt, was als großer Erfolg galt. In Cali sollte es nun um die Umsetzung gehen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte auf der Konferenz: "Ziele, die nur auf dem Papier stehen, bewirken noch keine Veränderung. Deshalb müssen wir hier ein Regelwerk mit messbaren, wissenschaftlichen Indikatoren verabschieden, mit dem wir die Fortschritte überprüfen und vergleichen können."

Doch auch dieses Regelwerk fiel dem mangelnden Quorum zum Opfer und kann nun frühestens auf der nächsten Artenschutzkonferenz in zwei Jahren verabschiedet werden.

Zahlungen für Nutzung genetischer Ressourcen

Umweltorganisationen kritisierten denn auch das Resultat der Konferenz. "Die Verhandlungsführer haben einige der kritischsten Themen bis zum Schluss aufgeschoben, sodass ihnen die Zeit davonlief, aber leider wird das Anhalten der Uhr bei den Verhandlungen nicht das Gleiche für den Verlust der Natur bedeuten", sagte Catherine Weller von der britischen Naturschutzorganisation Fauna & Flora.

"Es gab keine Fortschritte bei der Frage, wie wir die Wiederherstellung der Natur finanzieren werden, und auch keine Klarheit darüber, wie wir die Fortschritte auf globaler Ebene überwachen", kritisierte Weller.

Brian O'Donnell vom Bündnis Campaign for Nature mahnte an, den Artenschutz wichtiger zu nehmen. "Die Aussetzung der Konferenz ohne eine vereinbarte Finanzstrategie ist alarmierend. In Zukunft müssen die Staats- und Regierungschefs der biologischen Vielfalt eine viel höhere politische Priorität einräumen, besonders in den Finanzministerien", forderte er.

Solange die Konferenz noch beschlussfähig war, konnte allerdings ein weiterer, umstrittener Punkt geklärt werden: die Bezahlung für die Nutzung genetischer Ressourcen. Viele Medikamente, Kosmetika und andere Chemikalien beruhen auf Gensequenzen von Pflanzen und Tieren.

Die Länder, aus denen diese Arten stammen, sollen daher finanziell von der Nutzung dieser Gensequenzen profitieren. Dazu wird nun ein Fonds aufgesetzt, in den die Industrie einzahlt. Die Zahlungen sind "freiwillig", dennoch wird damit gerechnet, dass rund eine Milliarde US-Dollar pro Jahr zusammenkommen.

Die Hälfte dieses Geldes soll indigenen Völkern in den Ländern zugutekommen. Damit erzielten diese den zweiten großen Erfolg in Cali. Zuvor war entschieden worden, dass im Rahmen der UN-Artenschutzkonvention eine permanente Arbeitsgruppe zu den Belangen der Indigenen eingesetzt wird.

Geoengineering wird nicht mehr erwähnt

Die Staaten einigten sich zudem auf eine bessere Verzahnung zwischen Arten- und Klimaschutz. Im Hinblick auf die 29. UN-Klimakonferenz (COP 29), die in einer Woche in Aserbaidschans Hauptstadt Baku beginnt, sagte Muhamad: "Das ist eine wichtige Entscheidung. Wir wollen eine starke Botschaft nach Baku senden."

Um die Verabschiedung möglich zu machen, mussten allerdings gleich mehrere Absätze aus dieser Entscheidung gelöscht werden: Geoengineering, wie etwa die Kühlung des Klimas durch die Ausbringung von Schwefelpartikeln in der Atmosphäre, wird nun nicht mehr erwähnt, obwohl es einen Konsens über die Verlängerung des faktischen Moratoriums für solche Technologien gab.

Außerdem bleibt unerwähnt, dass der Verlust von Tier- und Pflanzenarten wegen der Klimaerwärmung eine Form von "Verlusten und Schäden" darstellt. Letzteres ist in den Klimaverhandlungen ein besonders umkämpftes Konzept. Aus diesem Grund war es einigen Ländern offensichtlich ein Anliegen, keine Vorfestlegungen im Rahmen der Artenschutzkonvention zu treffen.

 

Am Rande der Konferenz haben zudem Kolumbien und Brasilien eine Initiative vorangetrieben, die bereits nächstes Jahr umgesetzt werden könnte. Brasilien wird dann die 30. UN-Klimakonferenz in Belém, der größten Stadt im Amazonasbecken, ausrichten. Bei der Initiative geht es denn auch um den Erhalt der tropischen Regenwälder.

Dazu soll ein 125-Milliarden-Dollar-Fonds aufgesetzt werden, dem reiche Länder Geld zu günstigen Konditionen für 20 Jahre leihen. Dieses Geld wird dann zu höheren Zinsen am Kapitalmarkt angelegt. Vom Ertrag bekommen Länder mit tropischen Regenwäldern Geld – vorausgesetzt satellitengestützte Messungen zeigen, dass die Waldfläche nicht geschrumpft ist.

Länder wie Deutschland, die USA oder die Vereinigten Arabischen Emirate haben bereits Interesse an dem neuen Finanzierungsmodell signalisiert. Razan Al Mubarak, die Chefin des Umweltamts der Emirate, sagte in Cali über den Fonds: "Dies ist ein Fonds, bei dem es heißt: 'Geh aufs Ganze oder geh nach Hause.' Das ist der Stoff, aus dem Legenden gemacht sind."

Der Beitrag wurde um 20:45 Uhr ergänzt (Umweltorganisationen, Regenwald-Initiative).

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Anti-Natur-Politik mit Reserve-Planet