Finanzinstitutionen und Regierungen auf der ganzen Welt erkennen inzwischen die Bedeutung des Klimawandels für nachhaltige Finanzen an. Im neuesten Risikobericht des Weltwirtschaftsforums werden vom Klimawandel ausgelöste Risiken als die drei derzeit drängendsten globalen Herausforderungen genannt, gefolgt von Datenkriminalität und Cyber-Attacken.
Unter den fünf Risiken mit den größten Auswirkungen finden sich ebenfalls vier klimabedingte Risiken – neben Massenvernichtungswaffen.
Dies zeigt, wie wichtig es ist, Wirtschaftssysteme vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.
Im Jahr 2015, kurz vor den Klimaverhandlungen in der französischen Hauptstadt und dem daraus resultierenden Pariser Klimaabkommen, verabschiedete Frankreich als erstes Land ein richtungsweisendes Gesetz zu Klimarisiken. Dieses verpflichtet börsennotierte Unternehmen, institutionelle Investoren und Vermögensverwalter, ihre klimabedingten Risiken offenzulegen.
Dazu gehören nicht nur transitorische Risiken, das heißt solche, die sich aus dem Übergang in eine CO2-arme Wirtschaft ergeben können. Als Klimarisiken werden im französischen Gesetz auch physische Risiken bezeichnet, die zum Beispiel im Zusammenhang mit extremen Wetterereignissen stehen.
Serie: So klappt die grüne Finanzwende
Das Jahr 2019 ist entscheidend für die zukünftige Klimapolitik in Deutschland und Europa. Das Finanzwesen und seine Hebelwirkung über alle Sektoren hinweg spielt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel und für nachhaltiges Wirtschaften.
Deutschland kann dabei von Vorreiterländern für "Green Finance" lernen. In den sieben Beiträgen unserer Serie erläutern internationale Autorinnen und Autoren den Ansatz ihrer Länder, den Finanzmarkt grüner zu gestalten, und gehen auf Chancen, Hürden und unbeantwortete Fragen ein.
Aktuelle Diskussionen über das Paris-Abkommen und über nachhaltige Finanzen konzentrieren sich meist auf den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft. Doch manche Regierungen haben erkannt, dass es auch eine Diskussion über die allgemeinen wirtschaftlichen Risiken von physischen Klimaauswirkungen geben muss – unabhängig davon, ob die Pariser Klimaziele erreicht werden oder nicht.
Um die Ziele des Paris-Abkommens zu erreichen, müssen gerade auch Investitionen in die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel getätigt werden.
Die finanziellen Risiken von Unternehmen und Investoren im Zusammenhang mit den Auswirkungen physischer Klimarisiken transparenter zu machen ist ein wesentlicher erster Schritt. So können Chancen für Investitionen in Klimaanpassung leichter erkannt und dadurch die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels gestärkt werden.
Der Ansatz: Einhalten oder Erläutern
Das französische Energiewendegesetz und sein Artikel 173 haben die regulatorischen Grundlagen gelegt, um die Offenlegung von Klimarisiken in den nationalen Ansatz für nachhaltige Finanzierungen zu integrieren.
Die Verordnung verfolgt einen "Comply or Explain"-Ansatz (einhalten oder erläutern). Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, sich von der Berichterstattung mit einer Begründung zurückzuziehen, und bietet damit eine gewisse Flexibilität bei der Offenlegung ihrer Klimarisiken.
Zur Person
Die Umweltwissenschaftlerin Natalie Ambrosio verantwortet im Pariser Büro des kalifornischen Unternehmens Four Twenty Seven den Bereich Kommunikation und ist darauf spezialisiert, technische Informationen in umsetzbare Erkenntnisse und Analysen zu verwandeln. Zuvor arbeitete sie bei der Notre Dame Global Adaptation Initiative (ND-GAIN) an der Entwicklung einer landesweiten Bewertung der Anfälligkeit von Städten für den Klimawandel und ihrer Bereitschaft zur Anpassung mit.
Diese Ausgestaltung der Verordnung intensiviert die Diskussion zwischen Investoren, Versicherern und Unternehmen dahingehend, branchenübergreifend die informativste und praktikabelste Risikoanalyse- und Berichterstattungsmethode zu finden.
Im Juni 2017 hat die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) des Finanzstabilitätsrats ihre Empfehlungen für klimabezogene Offenlegung veröffentlicht. Diese freiwilligen Empfehlungen lieferten zusätzliche Impulse, wie Klimarisiken offengelegt werden können. Sie enthalten aber noch keine konkreten Indikatoren.
Französische Organisationen wie die Initiative Finance for Tomorrow und das Institut für Klimaökonomie I4 CE fördern die weitere Forschung zum Thema und drängen darauf, dieses auf der Agenda für nachhaltige Finanzen zu behalten.
Auch internationale Initiativen tragen dazu bei, vorhandene Ansätze weiterzuentwickeln, zum Beispiel der Bericht "Advancing TCFD Guidance on Physical Climate Risks and Opportunities" der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und des globalen Exzellenzzentrums für Klimaanpassung, die damit an Arbeiten von Experten aus dem Finanzsektor anknüpfen.
Während Datenanbieter wie Four Twenty Seven versuchen, Datenlücken zur Bewertung von Klimarisiken von Unternehmen zu schließen, sind weitere Diskussionen nötig, wie diese Informationen am besten eingesetzt werden können, um Klimarisiken offenzulegen.
Andere Länder folgen dem Beispiel Frankreichs
Der Artikel 173 des französischen Energiewendegesetzes hat dazu beigetragen, den Pariser Finanzmarktplatz in den Fokus grüner Finanzen zu rücken. Die Aktivitäten und Maßnahmen zur Offenlegung von Klimarisiken nehmen aber nicht nur in Frankreich, sondern weltweit zu.
Einflussreiche Finanzakteure beginnen, ihre eigenen Klimarisiken offenzulegen und ermutigen den Markt, diesem Beispiel zu folgen.
Zur Person
Léonie Chatain ist leitende Klimarisikoanalystin im Pariser Büro von Four Twenty Seven, wo sie die physischen Klimarisiken in Finanzportfolios sowie die Widerstandsfähigkeit von Städten untersucht. Sie studierte Politikwissenschaften und spezialisierte sich auf Stadtdatenanalyse. Zuvor war sie Beraterin für ein französisches Bauunternehmen im Bereich der städtischen Nachhaltigkeit.
Die französische Zentralbank Banque de France hat beispielsweise umfassend analysiert, welchen transitorischen und physischen Risiken ihr Portfolio gemäß Artikel 173 und den Empfehlungen der TCFD ausgesetzt ist. Ziel der Analyse war es, ein Best-Practice-Beispiel für die Offenlegung von Klimarisiken zu erarbeiten.
Die niederländische Zentralbank analysierte ihr Portfolio zwar nicht auf alle Klimarisiken, aber immerhin auf Umweltrisiken wie Wasserknappheit und den Verlust von Biodiversität.
Länder wie Spanien und Schweden unterstützen die Empfehlungen der TCFD und prüfen die Anwendung einer nationalen Gesetzgebung gemäß des französischen Artikels 173 auf nationaler Ebene.
Im Juli 2018 veröffentlichte die italienische Versicherungsaufsicht Ivass eine umfassende Berichtspflicht für die sogenannten ESG-Risiken, einschließlich der Risiken des Klimawandels. ESG steht für Environment, Social, Governance – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.
Die Europäische Kommission veröffentlichte Anfang 2018 ihren Aktionsplan für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Dieser enthält zehn Maßnahmen und entsprechende Zeitpläne bis Ende 2019. Dieser Aktionsplan führte zur Gründung einer technischen Expertengruppe mit vier Haupttätigkeitsbereichen:
- Entwicklung einer EU-Klassifikation (Taxonomie) im Bereich nachhaltiger Finanzen
- Schaffung eines EU-Standards für grüne Anleihen
- Mindeststandards für die Methodik der Indizes "low carbon" und "positive carbon impact"
- Mindestanforderungen an die Offenlegung bei der ESG-Integration in die Methodik von Benchmarks
Wichtiger Schritt zu nachhaltigeren Volkswirtschaften
Artikel 173 des Energiewendegesetzes sieht ebenfalls vor, dass die Verordnung in den ersten zwei Jahren auf Fortschritte in der Umsetzung geprüft wird. Diese Überprüfung kann zu präziseren Leitlinien für die Berichterstattungsmethoden führen. So könnte die Verordnung zum Beispiel auf weitere Akteure ausgeweitet werden.
Diese Überlegungen und der zunehmende regulatorische und investorische Druck können die Offenlegung physischer Klimarisiken weiter verbessern.
Die Akzeptanz zur Offenlegung klimabedingter Chancen und Risiken steigt. Klimarisiken werden zunehmend in die finanzielle Entscheidungsfindung integriert. Frankreich und weitere Länder gehen damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu nachhaltigeren Volkswirtschaften.
Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Germanwatch e.V. verfasst.