Grafik: Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geldscheine wächst
Grafik: Kristin Rabaschus

Die schlechte Nachricht: Ohne Finanzdienstleister sind die grünen Ziele der Politik zum Scheitern verurteilt. Davon zeigt sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) überzeugt. Ähnlich lautende Stimmen sind aus Kreditwirtschaft und Fondsgesellschaften zu vernehmen. Staat und Industrie könnten die finanziellen Herausforderungen der grünen Transformation nicht alleine stemmen.

Die gute Nachricht: Für den Finanzsektor gewinne "Sustainable Finance" zunehmend an Bedeutung. Es gehe voran.

"Sustainable Finance" steht für ein nachhaltiges Finanzsystem, welches die Aspekte Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung berücksichtigt – englisch abgekürzt ESG.

Im vergangenen Jahr hatte die Versicherungsbranche ihre sogenannte Nachhaltigkeitspositionierung vorgenommen und sich drei Ziele gesetzt:

  • Treibhausgasneutralität eigener Geschäftsprozesse bis 2025
  • Treibhausgasneutralität der Kapitalanlagen bis 2050, erste Reduzierung bis 2025
  • Integration von ESG-Kriterien in die Schadensregulierung

So weit die Theorie. Dabei scheinen wichtige Akteure in der Branche durchaus persönlich überzeugt davon zu sein, die europäischen Klimaziele erreichen zu wollen. Schließlich geht es auch um ihre Zukunft und die ihrer Kinder und Enkel.

Aber selbstverständlich dreht sich immer alles auch um gute Geschäfte – und Nachhaltigkeit gilt als der neue Goldstandard. Mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien wollen die Vorstände außerdem ihr Risikomanagement verbessern: Investitionen etwa in Kohle – lange Zeit waren es sichere Goldesel – gelten mittlerweile als riskant.

Jetzt geht es in der Praxis für die Assekuranz zunächst um die verschiedenen Regulierungspakete, die speziell die Europäische Union auf den Weg gebracht hat.

Taxonomie – eine "ganz spezielle Sprache"

Im Mittelpunkt steht wenig überraschend die sogenannte Taxonomie, mit der die EU sechs Umweltziele festgelegt hat. Vor allem in Deutschland hatten die EU-Kriterien für harsche Kritik gesorgt, weil Atomkraft und Erdgas als "Übergangstechnologien" toleriert werden.

Die Taxonomie-Regeln gelten nicht nur für Finanzdienstleister, sondern auch für die Realwirtschaft. Ein weiter Blick über den Tellerrand ist also notwendig.

Für Versicherer heißt dies: Sie müssen fast alle Branchen durchleuchten. Schließlich sind Industrie, Gewerbe und Dienstleister wertvolle Kundengruppen. Gleichzeitig sind Aktien und Anleihen von Unternehmen wichtig für die Kapitalanlagen der Versicherer.

Zunächst gehe es um die Einschätzung, ob eine Branche überhaupt "taxonomiefähig" sei, berichtet Harald Epple, Vorstand beim Gothaer Konzern und Vorsitzender des GDV-Ausschusses Kapitalanlagen.

Beispielsweise die Softwareproduktion zähle nicht dazu, erklärte Epple während eines Medienworkshops des Versicherungsverbandes. Sie sei von vornherein umweltneutral. "Die Taxonomie hat eine ganz spezielle Sprache."

Windkraftanlagen seien hingegen taxonomiefähig. In solchen Branchen gehe es dann darum, ob ein Unternehmen oder ein Projekt "taxonomiekonform" sei, sich also hinreichend umweltfreundlich verhalte. In diesem Fall kommt das betreffende Unternehmen dann für den Versicherer zukünftig als nachhaltige Kapitalanlage infrage.

Sei eine Branche zwar taxonomiefähig, wie etwa die energie- und rohstoffintensive Zementindustrie, aber nicht taxonomiekonform, könne sie dennoch eventuell als Übergangstechnologie durchgehen, die als Investment für "grüne" Versicherer, Banken und Fonds infrage kommt.

Die Begründung: Für den weltweit massenhaft eingesetzten Klimakiller Beton gibt es bislang keine wirtschaftliche Alternative und die Herstellung des darin enthaltenen Zements ist – anders als bei Stahl oder Chemie – mit der heute bekannten Technik (noch) nicht klimaneutral zu bewerkstelligen.

Keine Informationspflicht zu sozialen Aspekten

Zeitlich gestaffelt umgesetzt wird in den kommenden Jahren auch die Offenlegungsverordnung. Sie verpflichtet die Anbieter von Finanzprodukten, Verbraucher ausführlich über die Nachhaltigkeit von Kapitalanlagen und Produkte zu informieren, und das in einem einheitlichen Format, also standardisiert. Auch dieser Prozess steckt noch in den Kinderschuhen.

Angesichts der Herausforderungen, die bereits die jetzige Taxonomie mit sich bringt, die sich ja "nur" auf Umweltaspekte konzentriert, hält die Versicherungsbranche nichts davon, weitere ESG-Kriterien in die Bewertung und Datenerhebung einzubringen. Zusätzlich noch "Soziales" und "gute Unternehmensführung" aufzunehmen, würde die Wirtschaft überfordern.

Diese Argumentation mögen einige für eine faule Ausrede halten. Fachkundige Assekuranzkritiker stimmen der Branche in diesem Punkt allerdings ausnahmsweise zu.

Wo Versicherer und Banken bei der Umsetzung der Taxonomie noch der Schuh drückt, erfahren Sie in der nächsten Folge von "Grüne Geldanlage".

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