Grafik: Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geldscheine wächst
Grafik: Kristin Rabaschus

Die schlechte Nachricht: Ohne Finanzdienstleister sind alle grünen Ziele der Politik zum Scheitern verurteilt. Davon zeigt sich der Versicherungsverband ebenso überzeugt wie Kreditwirtschaft und Fondsgesellschaften. Der Staat könne die finanziellen Herausforderungen der grünen Transformation nicht alleine stemmen.

Die gute Nachricht: Für den Finanzsektor gewinnt "Sustainable Finance" zunehmend an Bedeutung.

Der Schuh drückt die Finanzbranche nicht allein bei den Taxonomie-Regeln und der Offenlegungspflicht (siehe Teil I), sondern auch bei dem dritten, in der Praxis entscheidenden Punkt: dem Nachhaltigkeitsbericht. Diesen müssen alle großen oder kapitalmarktorientierten Unternehmen ab 2025 veröffentlichen, also auch fast alle Versicherer und Banken.

Doch wie bei der Offenlegungspflicht hapert es an der Standardisierung. Da bislang jede Firma mehr oder weniger "das macht, was sie will", sind Informationen in Nachhaltigkeitsberichten bislang nicht wirklich miteinander vergleichbar – was dem Greenwashing unseriöser Akteure Tür und Tor öffnet.

Fachleute, Wirtschaftsvertreter und staatliche Regulierer arbeiten jetzt an grünen Regeln und Standards, wie sie beispielsweise für herkömmliche Bilanzen und Jahresabschlüsse gelten, national und international. Diese Normen müssten dann von den Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsberichten eingehalten werden.

EU-Datenplattform soll 2024 starten

"Das ist sehr viel Arbeit für uns", sagte Roman Sauer, Rechnungslegungsexperte der Allianz SE, während eines Medienworkshops des Versicherungsverbandes GDV. Dabei erstelle die Allianz bereits seit zwei Jahrzehnten einen Nachhaltigkeitsbericht.

Berücksichtigt werden müssen Sauer zufolge 37 Verordnungen und Richtlinien. Pro Investment gebe es etwa 200 Datenpunkte. Da selbst kleine Versicherer ihr Geld in mindestens 4.000 Aktien, Anleihen und Beteiligungen angelegt haben, rollt hier eine gewaltige Datenflut auf die Finanzbranche zu.

Wobei es für viele Investments und Unternehmen bislang keine oder nur ungenügende Daten gibt. Dabei sind die institutionellen und privaten Kunden, die sich bei der Assekuranz versichern lassen, noch gar nicht "taxonomisch" berücksichtigt.

Ohne Standardisierung ist diese Arbeit offenbar selbst von führenden Global Playern wie Axa, Generali oder Munich Re keineswegs zu leisten. Um das "neue Gold", die Nachhaltigkeitsdaten, zu schürfen, bedarf es daher dringend einer zentralen Datenplattform.

Dort sollen alle grünen Informationen von Unternehmen und Finanzprodukten in der Europäischen Union eingespeist werden. (Wie Investments in anderen Teilen der Welt bewertet werden, ist offen.)

Dieser "Motor des Datenkreislaufs" soll nach dem Willen der EU-Kommission bereits im Jahr 2024 anlaufen, erläutert Harald Epple, Vorstand der Gothaer Versicherung und Vorsitzender des GDV-Ausschusses Kapitalanlagen. Doch noch sei die Umsetzung des "European Single Access Point" in den einzelnen Ländern und EU-weit offen. "Echte Transparenz", so der Versicherungsverband GDV, "wird sich erst über die Zeit mit besseren Daten einstellen."

"Eine gewisse Intransparenz"

Angesichts der Herausforderungen, welche bereits die jetzige Taxonomie mit sich bringt, die sich "nur" auf Umweltaspekte konzentriert, halten Branchenvertreter nichts davon, weitere ESG-Kriterien in die Bewertung und Datenerhebung einzubringen. Unter ESG versteht man die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung, englisch environment, social, governance.

Zusätzlich noch "Unternehmensführung" und "Soziales" einzuspeisen, würde die Wirtschaft überfordern, heißt es. Dem mag man angesichts der gewaltigen Aufgabe, welche die Umsetzung der EU-Taxonomie in das Alltagsgeschäft von Versicherungen, Banken und Fonds bedeutet, nicht widersprechen.

Und die Zeit drängt. Die weltweiten Vermögenswerte mit einem ESG-Label wuchsen bis Ende 2020 auf ein Volumen von 35 Billionen US-Dollar und könnten bis Ende dieses Jahres laut der Global Sustainable Investment Alliance auf 41 Billionen ansteigen, was einem Drittel aller professionell verwalteten Vermögenswerte entspricht.

"Diese beeindruckenden Zahlen müssen jedoch im Kontext gesehen werden", kritisieren die Volkswirte der Deutschen Bank in einer aktuellen Analyse. Weil auch global einheitliche Definitionen fehlten und "eine gewisse Intransparenz" herrsche, sei es schwierig, "Sustainable Finance" präzise abzugrenzen, sowohl inhaltlich als auch dem Volumen nach. "Bisher baut Sustainable Finance großteils auf konventionellen Anlageklassen auf, vor allem Aktien, aber auch Anleihen."

Und weil in vermeintlich grünen Finanzprodukten viel heiße Luft steckt, bleiben die privaten Mittelzuflüsse für Klima-Investitionen immer noch geschätzt um das Drei- bis Sechsfache hinter dem zurück, was zur Erfüllung des Pariser Abkommens erforderlich wäre.

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