Grafik: Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geldscheine wächst
Grafik: Kristin Rabaschus

"Eine wahre Revolution" hat sich in den vergangenen Jahren bei der Regulierung von Finanzdienstleistungen im Bereich Nachhaltigkeit vollzogen. Das ist zumindest die Sicht von Branchenvertretern wie DPAM Invest. "Dasselbe gilt für nachhaltiges Anlegen."

Europa habe mit seinem Green Deal eine Vorreiterrolle übernommen und eine ganze Menge Vorschläge, Richtlinien und Bestimmungen vorgelegt, um den Übergang zu einer grünen und CO2-neutralen Zukunft anzustoßen.

Revolutionär ist dies zwar nicht wirklich. Aber immerhin einen grundlegenden Wandel eingeleitet hat die Europäische Union mit ihrer Finanzmarktrichtlinie Mifid II.

Schätzungsweise 400.000 Finanzanlagen- und Versicherungsvermittler müssen nun ihre Kunden bei Anlagegeschäften fragen, ob sie "grün" investieren wollen. Das klassische Dreieck der Geldanlage aus Rendite, Liquidität und Sicherheit wird mit Nachhaltigkeit zum Viereck. Die neue Regelung ist seit dem 2. August in Kraft.

Die Börsen-Zeitung schreibt: "Damit hält das in der Produktwelt verbreitete Kürzel ESG Einzug in die Beratung." ESG steht für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung und steckt den Rahmen ab für die neuen Vorgaben. Das Blatt spiegelt mit jenem Satz wider, was allerorten in der Geldszene zu hören ist. Von meiner Sparkasse an der Ecke bis zum Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) in Berlin zeigt man sich begeistert.

Solche nach außen getragene Leidenschaft für grüne Geldanlage ist gewiss nicht immer und überall Greenwashing-Marketing. Sondern oft auch das echte Bedürfnis, bessere, sprich umweltfreundlichere Produkte zu verkaufen. Das macht schließlich mehr Spaß, als die Kunden über den Ladentisch zu ziehen.

Doch selbst hier gibt es eine betriebswirtschaftliche Seite: Das neue Viereck der Geldanlage verspricht mehr Beratungsbedarf und damit höhere Provisionen.

Was ändert sich bei der Beratung?

Künftig müssen Beschäftigte von Banken und Sparkassen ihre Rat suchende Kundschaft fragen, wie wichtig ihnen eine nachhaltige Geldanlage ist. Das gilt auch für angestellte und freiberufliche Verkäufer von fondsgebundenen Renten- und Lebensversicherungen.

Verneinen Sparer ein Interesse, spielt das Thema in der Beratung danach keine Rolle mehr. Bejahen sie es, müssen Berater dies jedoch umfassend berücksichtigen und etwa das Verhältnis von Rendite und Nachhaltigkeit besprechen. Der Nachhaltigkeitswunsch muss dann auch in die Produktempfehlungen einfließen.

Grundlage dabei ist die EU-Taxonomie, die festlegt, wann und wie eine Anlage als grün zu bewerten ist. Damit fangen in der Praxis die Probleme an: Das "Grundgesetz" der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie stuft Erdgas und Atomkraft als klimafreundliche Technologien ein.

Die grüne Anlageberatung wird außerdem auf verschiedenen, zum Teil noch in Arbeit befindlichen Rechtsakten, Normen und Vereinbarungen fußen.

So kommt die sogenannte Offenlegungsverordnung, die beispielsweise Detailinformationen für Verkaufsprospekte festschreibt, erst 2023 zur Geltung. Ursprünglich wollte die EU-Kommission sogar schon zum Start am 2. August eine Art Fragenkatalog vorlegen, an dem sich die Angestellten in den Banken und die freien Berater orientieren können. Pustekuchen.

Wann eine Geldanlage als grün zu bewerten ist, wird ohnehin letztlich jede und jeder für sich beantworten müssen. Reicht ein Best-in-Class-Ansatz aus, der den am wenigsten umweltschädlichen Chemiekonzern zum grünen Umweltfreund erhebt? Oder muss mein Erspartes voll öko angelegt sein? Die meisten real existierenden Produkte changieren wohl ohnehin dazwischen.

Erst auf den Anbieter schauen, dann auf das Produkt

Illustriert sei dieser Befund mit der wundersamen Vermehrung grüner Produkte, die kürzlich der Investmentverband BVI meldete. Trotz des "schwierigen Marktumfelds" hielten danach deutsche Anleger zur Jahresmitte 2022 mehr Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen als je zuvor. Das verwaltete Vermögen betrug 718 Milliarden Euro – was im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerung von gigantischen 48 Prozent entspricht.

Inhaltlich bleibt also beim Thema Nachhaltigkeit und Sparen vieles in einer nebulösen Schwebe. Was können Sie derweil tun? Meine Empfehlung ist: Schauen Sie zunächst auf den Anbieter, erst dann auf das Produkt!

Bei konventionellen Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern können Kunden nicht sicher sein, was mit ihrem Geld geschieht. Die Kundeneinlagen werden auch für Investitionen verwendet, die Rüstungsgeschäfte fördern, die Umwelt schädigen oder gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoßen, mahnen Verbraucherschützer.

In Deutschland gibt es 14 Banken, darunter acht mit kirchlichem Hintergrund, die ein mehr oder weniger grünes Geschäftsmodell verfolgen. Auch hier gilt: Die Begriffe "grün", "nachhaltig" oder "ethisch" sind nicht verbindlich festgelegt.

Einen Banken- und Produktcheck, den schwerpunktmäßig die Verbraucherzentrale Bremen zu verantworten hat, finden Sie auf der Internetseite geld-bewegt.de. Das ist keineswegs revolutionär, aber nützlich.

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