Fünf Milliarden Menschen besitzen heute ein Smartphone oder Handy. Hinzu kommt eine Milliarde verkaufter PCs in nur vier Jahren. Laut dem US-Telekommunikationsunternehmen Cisco soll die Zahl aller mit dem Internet verbundenen Geräte bis 2022 auf 28,5 Milliarden anwachsen.
Die digitale Flut schluckt immer mehr Energie und Rohstoffe. Außerdem führt sie dazu, dass sich unser globales Datenvolumen – also die weltweit digital gespeicherten Bilder, Videos, Statistiken, Codes et cetera – alle zwei Jahre verdoppelt.
Das lässt den Energiebedarf von Rechenzentren, deren Betrieb samt Kühlung viel Strom kostet, rasant wachsen: Sie könnten im Jahr 2030 laut einem Worst-Case-Szenario des IT-Giganten Huawei bis zu acht Prozent der globalen Stromproduktion verbrauchen, der gesamte Informations- und Kommunikationstechnik-Sektor sogar 30 Prozent.
Die Digitalisierung drohe zum "Brandbeschleuniger" der Klimakatastrophe zu werden, attestierte ein umfangreiches wissenschaftliches Gutachten letztes Jahr der Bundesregierung.
Umweltfreundlichere Software, zeigt eine Studie des Umweltbundesamtes von Ende 2018, könnte diese Probleme aber mildern helfen. "Zwar wird die Energie von der Hardware verbraucht – also von Prozessor, Speicher und Grafikkarten", erklärt Informatikprofessor Stefan Naumann von der Uni Trier, "aber die Software bestimmt, wie viel."
Außerdem, so der Experte, der die Studie zusammen mit Wissenschaftlern des Öko-Instituts und der Uni Zürich durchführte, könnte Software für mehr Datensparsamkeit sorgen: "Software bestimmt, wie viel Updates, Duplikationen, Backups und so weiter gemacht werden. Aber: Sind die immer notwendig? Was lege ich in der Cloud ab? Muss ich immer alles in höchster Qualität abspielen?"
Erstes Ziel der Wissenschaftler war, überhaupt nachzuweisen, dass Software den Energieverbrauch beeinflusst. "Das wurde bisher nur wenig erforscht", sagt UBA-Expertin Marina Köhn. Die Forscher entwickelten ein Prüflabor zur Messung der Energie- und Datenströme von PC und Co.
Dann spielten sie darauf automatisierte "Standardnutzungsszenarien" ab: "Wie bei einem Autoprüfstand", erläutert Naumann. "Bei einer Textverarbeitung wurde zum Beispiel erst ein Text geschrieben, ein Bild eingefügt, dann eine Rechtschreibprüfung durchgeführt."
Gefräßige Codes
Zwischen den untersuchten Programmen zeigten sich dabei deutliche Unterschiede. So beanspruchte ein Webbrowser bereits im Leerlauf zwölf Prozent der Leistung des Hauptprozessors, vergleichbare Produkte aber nur ein Prozent. "Ein Textverarbeitungsprogramm benötigte sogar viermal mehr Energie als das andere – bei gleicher Nutzung", berichtet Köhn.
Einsparpotenziale fanden die Wissenschaftler auch bei einem Content-Management-System. Dort sorgte eine Software aufgrund einer fehlenden Bildkomprimierung für einen deutlich höheren Datenverkehr mit dem Internet und verbrauchte pro 100 Minuten Testbetrieb rund eine Kilowattstunde mehr als die Konkurrenz.
Der hohe Wert in diesem Fall resultiert daraus, dass mehr Datenverkehr auch einen höheren Energieverbrauch in Übertragungsnetzen oder Rechenzentren auslöst. Bei der Berechnung mussten die Wissenschaftler aber teilweise mit Schätzwerten aus der aktuellen Forschung arbeiten.
"Bedenkt man, dass Software oft millionenfach installiert wird", sagt Naumann, "zeigt das, dass sie durchaus einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz liefern kann."
Gegen "aufgeblähte", energiefressende Programme soll nun der neue Blaue Engel für Software helfen, der Ende vergangenen Jahres erstmals auf dem Chaos Communication Congress vorgestellt wurde und für den sich Unternehmen jetzt bewerben können.
Die Forscher entwickelten dafür mehr als 20 Anforderungen. Dazu gehört, dass Programme den Energiesparmodus eines PCs unterstützen müssen. "Es gibt schlecht programmierte Software, die das verhindert", sagt Köhn. Zudem muss die Software werbefrei sein, um Datenmüll zu vermeiden.
Auch das "Software Bloating" soll eingeschränkt werden. Das meint, dass Programme immer "dicker" werden, weil zum Beispiel einem Tabellenkalkulations- auch ein Bildbearbeitungsprogramm beigefügt wird. Der neue "Umweltengel" schreibt deswegen vor, dass die Nutzer selbst entscheiden können, welche Module einer Software sie installieren.
Außerdem soll die Software komplett deinstallierbar sein. Hintergrund ist, dass Hersteller von PCs, Smartphones und Betriebssystemen ihren Kunden oft ungefragt vorinstallierte Programme aufdrängen, die sich nicht entfernen lassen, aber Speicher und Akku belasten und Daten sammeln.
Hardware "altert" immer schneller
Außerdem soll das neue Label die "softwarebedingte Obsoleszenz" einschränken, wegen der die Hardware schneller in der Tonne landet als nötig, weil zum Beispiel Updates höhere Anforderungen an das System stellen.
2018 mussten Apple und Samsung in Italien jeweils fünf Millionen Euro Strafe zahlen, weil sie Updates anboten, die aus Sicht der dortigen Wettbewerbsbehörde absichtlich die Leistung ihrer Smartphones drosselten. Laut Greenpeace hätten 2007, wenn damals alle Windows-User ihr Betriebssystem auf das neue Vista umgestellt hätten, 50 Prozent aller Rechner weltweit ausgetauscht werden müssen.
Der Trend zum schnelleren Hardware-Wechsel ist doppelt fragwürdig: In Smartphone, PC und Co schlummern wertvolle und knappe Minerale wie Coltan, die oft in Krisenregionen unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut werden.
Außerdem fällt der größte Teil des CO2-Fußabdrucks der Computertechnik bei der Produktion an. Der Betrieb eines Laptops verursacht pro Jahr rund 25 Kilogramm CO2, dessen Herstellung aber 250 Kilogramm.
"Wir wollen softwarebedingte Obsoleszenz dadurch eingrenzen", sagt Naumann, "indem wir vorschreiben, dass die Programme auch auf PCs laufen müssen, die bereits fünf Jahre alt sind. Zudem müssen die Hersteller garantieren, dass sie fünf Jahre lang Sicherheitsupdates liefern."
Forschung noch am Anfang
Das Umweltzeichen steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Das Label beschränkt sich bisher auf Desktop-Software und erfasst keine Smartphone-Apps, Webshops oder Cloud-Anwendungen. "Das soll noch kommen, dafür ist aber weitere Forschung nötig", meint Köhn.
Zudem nennt das Öko-Siegel keine Grenzwerte für den Energieverbrauch. "Da fehlt uns noch die Datenbasis. Ziel ist zunächst, dass das Thema bei Software-Entwicklern bekannt wird", sagt Stefan Naumann. Um das Umweltzeichen zu erhalten, müssen Hersteller aber fünf Jahre lang den Energieverbrauch ihres Produkts messen und dafür sorgen, dass er durch Updates nicht um mehr als zehn Prozent steigt.
Bisher reagiert die IT-Branche kaum auf Umweltzeichen. Der bereits existierende Blaue Engel für PCs findet sich noch auf keinem einzigen Produkt. Mit dem Umweltengel für Rechenzentren werben derzeit nur vier Betreiber.
Langfristig kann das Umweltzeichen aber durchaus Hersteller beeinflussen, wie das Beispiel Waschmaschinen zeigt. Hier wurde der Wasserverbrauch in den letzten Jahrzehnten um rund die Hälfte gesenkt.