Wohnhochhäuser in der südkoreanischen Großstadt Cheongju mit Solardächern.
Südkorea hat nach der Finanzkrise von 2008 ein grünes Konjunkturprogramm aufgelegt, während Deutschland die Abwrackprämie erfand. (Foto: Sungsu Han/​Shutterstock)

Die Regierungen in aller Welt versuchen, ihre Ökonomien aus dem Corona-Strudel herauszuziehen. Rund 15 Billionen US-Dollar, umgerechnet 12,4 Billionen Euro, betragen die Konjunkturhilfen, die die 30 größten und reichsten Staaten der Erde bereits aufgewandt oder angekündigt haben, um Unternehmen vor der Pleite zu bewahren und neue Impulse für Jobs zu setzen.

Eine gigantische Summe, fünfmal so viel wie die Hilfen in der Weltwirtschaftskrise 2008 nach der Lehman-Pleite. Doch das ist alternativlos, auch wenn die Verschuldung vieler Staaten beängstigend steigt.

Corona-Tote, Lockdown-Psychoknacks, Bildungskrise mit Homeschooling – alles dramatisch genug. Doch dann noch ein ökonomischer Totalabsturz, mit Massenarbeitslosigkeit und kollabierenden Sozialsystemen, das wäre nicht zu verkraften. Dann schon besser der beherzte Griff in die Staatskasse. Da gibt es keine Debatte.

Das meiste Geld, gut zwei Drittel, wird ausgegeben, damit der Laden irgendwie weiterläuft und zum Beispiel Einzelhandel und Gastgewerbe den Lockdown überleben können.

Doch immerhin knapp fünf Billionen Dollar – das sind 5.000 Milliarden – fließen in Sektoren, die für den Treibhausgas-Ausstoß und den Erhalt der Natur als unsere Lebensgrundlage von zentraler Bedeutung sind: Energieversorgung, Industrie, Abfall, Verkehr, Landwirtschaft.

Man sollte erwarten, dass das Geld gerade hier "zukunftsfähig" eingesetzt wird, statt überholte Strukturen zu erhalten.

Nur erwarten? Nein, mehr als das. Gefordert haben es ja alle, die etwas von der Sache verstehen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der Chef der Internationalen Energieagentur Fatih Birol, die Chefin des UN-Umweltprogramms Inger Andersen, ebenso Wissenschaftler, Ökonomen, Klimaaktivisten, auch fortschrittliche Unternehmer und Gewerkschafter.

Es handelt sich tatsächlich um eine einmalige Chance, die Wirtschaft anzukurbeln, Jobs zu schaffen und "sich gleichzeitig schneller auf eine widerstandsfähige und saubere Energiezukunft zuzubewegen", wie IEA-Chef Birol formulierte.

Einsame grüne Vorreiter

Doch die bisherige Bilanz ist ernüchternd. Knapp zwei Drittel der fünf Billionen fließen nicht in grüne Investitionen, sondern, im Gegenteil, schaden Klima und Umwelt. Das zeigte jetzt eine Analyse der Londoner Strategieberatung Vivid Economics.

Es wiederholt sich, in etwas abgeschwächter Form, der Fehler, den die Regierungen nach der Finanzkrise 2008 in der Folge der Lehman-Pleite gemacht haben. Es ging ihnen hauptsächlich darum, die Schornsteine (und Auspuffrohre) wieder rauchen zu lassen.

Und das taten sie dann auch. Der globale CO2-Ausstoß lag nach dieser Krise wieder auf dem alten Niveau, und er stieg in der Folge sogar noch deutlich an. Ein positives Beispiel wie Südkorea, das ein dezidiert grünes Konjunkturprogramm auflegte, fand kaum Nachahmer.

Diesmal, zum Glück, ist die Chance aber noch nicht ganz verpasst. Die Hoffnungen liegen vor allem auf dem neuen US-Präsidenten Joe Biden, der zusätzlich zu den normalen Coronahilfen einen zwei Billionen Dollar schweren Klima- und Energieplan angekündigt hat.

Das wären vier Jahre grüne Power-Modernisierung für die US-Wirtschaft. Schafft Biden es, den Plan halbwegs ungeschmälert durchzusetzen, katapultieren die USA sich in der ökologischen Krisenbekämpfung ganz nach vorne. Es wäre ein echter "Gamechanger", der auch die anderen Big Player wie China und die EU nicht kaltlassen dürfte.

Ein wenig sieht es so aus, als habe Biden schon jetzt manche Konkurrenten der USA auf dem Weltmarkt zum Nachdenken gebracht. Die Londoner Analyse zeigt jedenfalls, dass 16 der 30 untersuchten Länder ihre grünen Ambitionen in den Corona-Programmen zuletzt immerhin erhöht haben, darunter China, Indien, Japan, Kanada und Großbritannien.

2030 anpeilen, nicht nur 2050

Nicht auszudenken, wie trübe die Lage wäre, hätte nicht der Demokrat Biden, sondern der fossile Republikaner Donald Trump die Präsidentenwahl gewonnen. Die Coronakrise bietet damit immer noch die Chance, die Ökonomien der Welt auf den 1,5-bis-zwei-Grad-Pfad zu bringen, der im Pariser Klimavertrag vorgegeben ist.

Die Potenziale und Technologien dafür sind vorhanden. Das hat eine internationale Gruppe von renommierte Energie- und Klimaexperten, die "Global 100% Renewable Energy Strategy Group", gerade vorgerechnet. Sie hält es für fatal, die Klimaneutralität erst für die Mitte des Jahrhunderts anzupeilen, wie das die meisten wichtigen Staaten tun.

Die Experten warnen davor, dass die Klimastabilisierung unnötig verzögert und enorme Investitionschancen sowie der Aufbau von Millionen zukunftsfähigen Arbeitsplätzen verpasst würden. Eine CO2-freie Stromerzeugung halten sie bereits 2030 für möglich, in den restlichen Sektoren – von Gebäude über Industrie bis Verkehr – sei die Umstellung bis 2035 machbar.

Wie realistisch die Umsetzung ist? Darüber kann man sich streiten. Aber die positive Vision muss man den Realpolitikern dieser Welt immer wieder vorhalten, die nur allzu leicht gegenüber der Macht der fossilen Lobbys einknicken.

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