Großstadtviertel mit mehrstöckigen Wohngebäuden unterschiedlichen Alters.
Die Heizungen auszutauschen reicht noch nicht für einen guten Wärmestandard, sagt Michael Müller. (Bild: Marcus Hofmann/​Shutterstock)

Klimareporter°: Herr Müller, der Bundestag hat das umstrittene Heizungsgesetz der Ampel verabschiedet, trotzdem sind die Bürgerinnen und Bürger weiterhin verunsichert, was sie erwartet. Viele lassen sich noch schnell eine Gasheizung einbauen. Ein Schuss in den Ofen?

Michael Müller: Es hat von verschiedenen Seiten eine unredliche Kampagne gegen das Heizungsgesetz gegeben, aber das Gesetz war auch schlecht gemacht.

Man kann auf die Klimakrise nicht mit Einzelantworten reagieren. Motto: Wärmepumpe rein, und alles ist gut. Es hätten die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von Anfang an einbezogen werden müssen. So aber wurden die Verunsicherungen verstärkt. Hier muss die Ampel nachbessern, und zwar nicht nur beim Thema Heizungswechsel.

Umfragen zeigen: Viele Hausbesitzer haben die Sorge, dass sie sich eine Wärmepumpe oder Pelletheizung nicht leisten können. Reichen die staatlichen Zuschüsse von bis zu 70 Prozent nicht, die ab 2024 gezahlt werden sollen?

Das Problem ist: In der Regel geht es nicht nur um den Einbau von Wärmepumpe oder Pelletheizung, es sind weitreichende Modernisierungen erforderlich, um in Häusern und Wohnungen einen effizienten Wärmestandard zu erreichen.

Es braucht in vielen Altbauten neue Fenster und Außentüren, oft auch die Dämmung der Fassaden, und angesichts der ökonomischen Rahmenbedingungen wie Inflation und Fachkräftemangel werden auch hier die Kosten weiter steigen. Wir brauchen deshalb für das Gesamtpaket gemeinnützige Finanzierungsangebote.

Wie könnte die Finanzierung laufen? Was ist Ihr Modell?

Michael Müller

ist Bundes­vorsitzender der Natur­freunde Deutsch­lands. Der umwelt­politische SPD-Vordenker war Bundes­tags­abgeordneter und von 2005 bis 2009 Parlamentarischer Staats­sekretär im Bundes­umwelt­ministerium. Er absolvierte eine Lehre zum Stahl­beton­bauer und ein Studium des Ingenieur­wesens, der Betriebs­wirtschafts­lehre und der Sozial­wissen­schaften. Müller ist Mitglied im Heraus­geber­rat von Klima­reporter°.

Wir brauchen ein "Sondervermögen Zukunft" für die sozial-ökologische Gestaltung der wirtschaftlichen Entwicklung. Das wäre die richtige "Zeitenwende", um den Krieg mit der Natur zu beenden. Dieses Sondervermögen wäre die Basis für einen öffentlich-rechtlichen Fonds, der eine gemeinnützige "Ökologische Sparkasse" anbietet. Diese würde günstige Kredite für den Umbau im Wärmesektor bereitstellen, wo nötig auch mit sehr langen Laufzeiten.

Eine weitere Finanzquelle für den Fonds wäre der Abbau umweltschädlicher Subventionen, die laut Umweltbundesamt rund 65 Milliarden Euro jährlich betragen. Zudem müssen Gelder, die in internationale Finanzanlagen fließen, viel stärker besteuert werden, um den sozial-ökologischen Umbau zu finanzieren und die Spekulation zu begrenzen.

Das Modell sieht weiter vor, dass Bürgerinnen und Bürgern, die Geld in diesen öffentlichen Fonds anlegen wollen, eine gegenüber dem Markt erhöhte Verzinsung garantiert wird. Auf regionaler Ebene gibt es bereits unterschiedliche Modelle zur Förderung des ökologischen Umbaus. Sie sollten stärker gefördert und die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen weiter verbessert werden.

Bisher stammt das Geld für die Zuschüsse im Wärmesektor aus der CO2-Abgabe, die auf Sprit und Heizenergie erhoben wird. Wenn es über Ihr Modell frei würde, wäre das dann die Chance, endlich das Klimageld an alle Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen, das die Ampel versprochen, aber bisher nicht eingeführt hat?

 

Genau, das wäre die Lösung dafür. Das im Koalitionsvertrag angekündigte Klimageld ist ein trauriges Kapitel. Das Aufkommen aus der CO2-Besteuerung wird bisher für unterschiedliche Maßnahmen der Wirtschaftsförderung eingesetzt, nicht aber für das versprochene Klimageld. Das ist kurzsichtig und belastend.

Alle sind sich einig, dass die Ampel das Thema klimafreundliches Heizen dilettantisch angepackt hat. Zwar sind die meisten Bürgerinnen und Bürger laut Umfragen immer noch dafür, dass hier etwas geschieht. Doch viele wollen vom Klimaschutz vorerst nichts mehr hören. Wie konnte das geschehen? Und was lässt sich daraus lernen?

Der Umbau des Wärmesektors, auf den rund 40 Prozent der CO2-Emissionen entfallen, ist eine der großen Aufgaben im Kampf gegen die Klimakrise. Es muss klargemacht werden, dass zur Energiewende in diesem Sektor – aber auch bei Stromverbrauch und Mobilität – immer auch eine Effizienzrevolution und Suffizienz gehören. Die drei müssen als Einheit gesehen werden.

Ich halte es für falsch, am bisherigen Wachstumsmodell festzuhalten und es irgendwie grün anzustreichen.