Die Wirtschaft transformieren, ohne dass der soziale Zusammenhalt in Stadt und Land weiter bröckelt – das erwarten die Deutschen von der Politik. (Bild: Hans-Georg Oed/​BMU)

Die Folgen der Klimakrise machen einer großen Mehrheit der Deutschen große Sorgen. Das zeigt die neue Umweltbewusstseinsstudie, die das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesumweltministerium am Donnerstag veröffentlicht haben.

Rund 85 Prozent der Befragten gaben an, bereits "sehr starke" oder "starke" Auswirkungen des Klimawandels wahrzunehmen, etwa in Form von anhaltender Trockenheit, Niedrigwasser und Dürren. Entsprechend stark ist der Wunsch nach mehr Maßnahmen zur Anpassung an die Veränderungen sowie einem klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Letzteres wird sogar von 91 Prozent der Befragten unterstützt.

Die Umfragen zu der Studie wurden im Sommer 2022 gemacht, als vor allem Putins Angriffskrieg, die dadurch verschärfte Energiekrise und die Inflation die Menschen bewegten. Von daher ist es umso bemerkenswerter, dass die Themen Klima und Umwelt trotzdem einen hohen Stellenwert behielten. Sie sind für 57 Prozent der Menschen sehr wichtig und stehen damit auf Platz fünf der Top-Themen, nach Gesundheit (67), Bildung (66), sozialer Gerechtigkeit (59) sowie Kriegen und Terrorismus (59 Prozent).

Die Reihe von Hitze- und Trockenheitssommern seit 2018 hat die Wahrnehmung der Klimaveränderungen offenbar stark beeinflusst. Der teils monatelange Wärme- und Trockenstress hatte Folgen. So gab es bei der Frage nach möglichen Gesundheitsgefahren eine deutliche Zunahme gegenüber früheren Umfragen für die Umweltbewusstseinsstudie, die alle zwei Jahre gemacht werden.

2016 meinten 59 Prozent der Befragten, die Klimafolgen könnten ihrer Gesundheit äußerst stark oder stark schaden, 2022 waren es bereits 73 Prozent. Entsprechend hoch schätzen sie die Bedeutung von Anpassungs- und Schutzmaßnahmen ein.

Starke Befürchtungen vor unsozialer Transformation

Rund die Hälfte hält den Bevölkerungsschutz vor Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser durch bauliche Maßnahmen sowie vor extremer Hitze durch kühlende Stadtnatur und Gebäudedämmung für sehr wichtig. Gut zwei Drittel sind es bei dem Plan, Wälder zu Mischwäldern umzubauen, die gegen Trockenheit robust sind.

Schwerpunktthema der Studie ist der ökologische Umbau der Wirtschaft, der sehr hohe Zustimmungswert hat. Wichtig ist den Befragten dabei allerdings, dass der Wirtschaftsumbau sozial verträglich erfolgt und besonders betroffene Regionen wie die bisherigen Kohlereviere gezielt unterstützt werden.

Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern ruft die anstehende Transformation nämlich Unsicherheit und Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt hervor. Immerhin drei Viertel der Befragten befürchten, dass der Umbau die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland vergrößert, und rund 40 Prozent haben deswegen persönlich Angst vor einem sozialen Abstieg.

Der Präsident des Umweltamtes, Dirk Messner, sagte dazu bei der Vorstellung der Studie in Berlin: "Es ist enorm wichtig, dass eine so deutliche Mehrheit den ökologischen Wirtschaftsumbau grundsätzlich befürwortet." Die Dekarbonisierung der Wirtschaft sei unerlässlich, um die Klimaziele einzuhalten und einen Beitrag dazu zu leisten, einen gefährlichen Klimawandel jenseits Zwei-Grad-Limits zu verhindern.

Messner betonte aber auch, dass der Umbau sozial verträglich erfolgen müsse, "wenn wir die Menschen auf dem Weg dorthin nicht verlieren wollen".

Umweltbundesamts-Chef mahnt Klimageld an

Konkret sprach er das Projekt "Klimageld" an, wodurch der bereits erhobene und künftig ansteigende CO2-Preis auf Sprit und Heizenergie durch eine Rückzahlung an alle Bürger:innen sozial ausgestaltet werden soll. Die Ampel-Bundesregierung will das Klimageld laut Koalitionsvertrag einführen, bisher allerdings gibt es keinerlei konkrete Pläne dazu.

Weiter forderte der UBA-Chef, im Rahmen der ökologischen Wende berufliche Perspektiven für Menschen aus unteren Einkommensgruppen und aus strukturschwachen Gebieten zu schaffen. "Wir müssen deutlicher machen, dass nachhaltiges Wirtschaften eine Job-Maschine werden kann", sagte er.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonte die Notwendigkeit, die Klimaanpassung voranzutreiben. Sie sagte: "Die vergangenen Jahre zeigen sehr deutlich: Die Wetterextreme nehmen zu – mit erheblichen negativen Wirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und auch auf die Gesundheit der Menschen. Das zwingt uns dazu, vorzusorgen und uns an die Folgen der Klimakrise anzupassen."

Lemke erinnerte daran, dass die Ampel in diesem Zusammenhang mehrere Initiativen ergriffen hat. Sie zählte auf: das Klimaanpassungsgesetz, das einen verbindlichen Rahmen für Bund, Länder und Kommunen schaffen und zum Beispiel für kühlere Städte sorgen soll, den Hitzeschutzplan, das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz und die Wasserstrategie.

 

Für die Umweltbewusstseinsstudie wurde auch gefragt, bei welche Themen Priorität in der Umweltpolitik haben sollen. Ergebnis: Das Thema Plastikmüll steht ganz oben auf der Liste. Eine große Mehrheit von 97 Prozent hält die Verringerung von Plastikmüll-Einträgen in die Natur, also etwa Böden und Meere, für eine zentrale Aufgabe der Politik (Antworten "sehr wichtig" und "wichtig").

95 Prozent der Befragten finden es zudem sehr wichtig oder wichtig, die Kreislaufwirtschaft zu fördern, also Rohstoffe und Güter stärker wiederzuverwerten und eine lange Produktnutzung zu fördern. Es folgen die Themen "Atommüll sicher entsorgen" (93) und "Die Erderwärmung langfristig auf deutlich unter zwei Grad beschränken" (84).

Am Ende der 15 Themen umfassenden Liste findet sich "Am Atomausstieg festhalten". Das finden 56 Prozent "sehr wichtig" oder "wichtig", aber immerhin 41 Prozent sagen hier: "eher nicht wichtig" oder "überhaupt nicht wichtig".

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Klimapolitik ohne Angst