Eine Landschaft in futuristischem Gelbgrün mit Bergen im Hintergrund, über der ein Schleier aus Nullen und Einsen schwebt, im Vordergrund eine Fläche aus Solarmodulen, hoch oben am Sommerhimmel scheint eine leiterplattenähnliche Struktur auf.
Von einer linearen Fortschrittsidee und dem technokratischen Paradigma will sich keine Partei verabschieden. (Foto: Ink Media/​Freeimages/​Flickr)

Die erste Klimastrategie der Bundesrepublik Deutschland von 1990 hatte ein klares strategisches Ziel: eine Energiewende auf der Basis der "drei E": Effizienzrevolution, Einsparen, erneuerbare Energien. Mit dieser Strategie lägen die Treibhausgase heute in unserem Land um über 60 Prozent niedriger als vor drei Jahrzehnten.

Angepackt wurde dann nur das letzte E, und auch das nur halbherzig und selbst im Erneuerbare-Energien-Gesetz immer mehr gedeckelt.

Aber auch bei den Erneuerbaren wurden zwei wesentliche Eckpunkte nicht berücksichtigt: die Dezentralität und die Demokratisierung. Ein Beispiel dafür ist die Beschneidung der Energiegenossenschaften. Die Energiewende muss also erst wieder zu einer solchen werden.

Bei der Effizienzrevolution, deren Kern eine Zunahme der Energie- und Ressourcenproduktivität deutlich über dem Wirtschaftswachstum ist, hat es keine Wende gegeben. Und Einsparen – beziehungsweise Suffizienz – ist bis heute ein Fremdwort geblieben.

Der zweite Versuch stand 2006 unter dem Ziel der ökologischen Industriepolitik. Sie zielte auf eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch. Auch diesmal geschah wenig. Klimaschutz wurde nicht als Ausgangspunkt des Umbaus gesehen, sondern als Ergänzung des Bestehenden. Es war nichts Ganzes und nichts Halbes.

Kein "Weiter so" in Hellgrün

Tatsächlich hat man bis Ende der 1990er Jahre die Treibhausgassenkungen aus dem Zusammenbruch der DDR als gesamtdeutschen Erfolg ausgegeben, obwohl die Ziele auf die alten Bundesländer ausgerichtet waren. Dort geschah wenig. Die Senkungen der Treibhausgasemissionen waren nicht das Ergebnis klimapolitischer Anstrengungen.

Mit Nichtstun in den drei großen Feldern der Energiepolitik – Strom, Wärme, Mobilität – wird kein Klimaschutz möglich. Genauso wenig, solange es nicht zu einem Ende der industrialisierten Landwirtschaft kommt, zu einer neuen Qualität im Boden- und Landschaftsschutz und zu einer ökologischen Erneuerung der Infrastruktur sowie zu mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung.

Michael Müller

ist Bundes­vorsitzender der Natur­freunde Deutsch­lands. Der umwelt­politische SPD-Vordenker war Bundes­tags­abgeordneter und von 2005 bis 2009 Parlamentarischer Staats­sekretär im Bundes­umwelt­ministerium. Er ist Kuratoriums­mitglied von Klimareporter°.

Klimaschutz erfordert eine sozial-ökologische Transformation, die das Gegenteil des "Weiter so" mit einem hellgrünen Anstrich ist. Alle Parteien haben sich als unfähig erwiesen, dem Klimaschutz einen gesellschaftstheoretischen Unterbau zu geben.

Nun, unter dem Druck einer neuen Schüler- und Jugendbewegung, versuchen die Parteien, nachdem 30 Jahre weitgehend folgenlos vergangen sind, sich als Klimaschützer zu profilieren.

Alle möglichen Forderungen werden in die "Tarifverhandlungen" der Groko-Parteien eingebracht, doch wie zu erwarten, kommt bei Parteien, die sich in der Vergangenheit zu wenig um den Klimaschutz gekümmert haben, keine klare und überzeugende Konzeption heraus, sondern ein Gemisch aus Einzelforderungen und Neoliberalismus.

So verliert sich die Politik im Klein-Klein und kann nicht überzeugen. Der Streit geht um den CO2-Preis, der – wenn es nun endlich um wirksamen Klimaschutz gehen soll – eine Höhe braucht, die sozial nicht auszugleichen ist.

Viel wichtiger wäre aber die Beendigung des fatalen Wachstumsfetischs und der falsch interpretierten Fortschrittsidee der Linearität, die auf dem technokratischen Paradigma des Schneller, Höher und Weiter aufbaut.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Kuratoriums in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

In ihrem Buch "Die Unfähigkeit zu trauern" schrieben die Psychoanalytiker Margarete und Alexander Mitscherlich, dass ein Neuanfang einen Dreiklang aus dem Verarbeiten der Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit, der Ablösung vom Bestehenden sowie dem Erarbeiten von Prinzipien und Kriterien für die Gestaltung der Transformation erfordert.

Wo ist das heute zu sehen? Nirgendwo. So bleibt es bei dem untauglichen Versuch, Kompetenz vorzutäuschen. So wird aus der Menschheitsfrage Klimawandel die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft und einer Krise der Demokratie.

Anzeige