Claudia Kemfert. (Bild: Oliver Betke)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft und Chefin des Energie- und Umweltbereichs am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW.

Klimareporter°: Frau Kemfert, Energie- und Klimaexpert:innen zeigen sich betroffen, welche Schärfe die Debatte um das "Heizungsgesetz" annahm. Diese Art Populismus, der vor Falschbehauptungen und persönlichen Diffamierungen nicht zurückschreckt, hat Wissenschaftler:innen, Unternehmer:innen und Verbände erschreckt. Was kann gegen die drohende gesellschaftliche Spaltung beim Klimaschutz getan werden?

Claudia Kemfert: Die Spaltung der Gesellschaft ist Teil der Kampagne des "Zweifel-Säens", wie ich sie auch in meinem aktuellen Buch "Schockwellen" beschreibe.

Es geht hier darum, gezielt Falschbehauptungen aufzustellen und Fake News zu verbreiten, zudem wissenschaftliche Erkenntnisse in Abrede zu stellen und Wissenschaftler:innen zu diffamieren, um so eine Spaltung herbeiführen zu können und die Demokratie zu schwächen. Ähnlich wie wir es aus den USA der vergangenen Jahre kennen.

Ich bin besorgt über solche Parteien oder Parteimitglieder, die eigentlich zur bürgerlichen Mitte gehören, aber die polarisierende Debatte anheizen und sich sogar den "Trump-Stil" von entsprechenden Parteien in den USA beibringen lassen.

Offenbar scheint es Strategien zu geben, es Trump gleichtun zu wollen. Davor kann ich nur warnen.

Dahin sollten wir nicht abgleiten, sondern alles dafür tun, wirklich faire, intensive, aber respektvolle Debatten auf allen Ebenen zu ermöglichen. Denn ein sogenanntes "Gegengift" gegen Polarisierung sind vor allem wissenschaftliche Fakten und aufklärende Medien.

Zudem muss alles daran gesetzt werden, die Debatten zu versachlichen und auf eine respektvolle Ebene zu führen. Wissenschaft, Medien und echte Demokrat:innen sind hier gefordert, gegenzuhalten und eine immer tiefere Spaltung zu verhindern.

Ein Konflikt beim Heizungsgesetz war die Rolle von Wasserstoff. Die FDP möchte Gasheizungen und auch Verbrennungsmotoren am Leben erhalten, sofern sie mit Wasserstoff betrieben werden. Ist es realistisch, dass in absehbarer Zeit so viel grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, dass er neben der Industrie auch in privaten Heizungen und Pkws verbrannt werden kann?

Das halte ich für illusorisch. Die FDP baut hier Wolkenkuckucksheime. Solche Szenarien sind kaum zu realisieren. Die Kosten sind enorm hoch, und weder die Infrastruktur noch der grüne Wasserstoff stehen in ausreichenden Mengen zur Verfügung.

Wie ich seit Langem sage: Der grüne Wasserstoff ist der "Champagner" unter den Energieträgern, teuer, kostbar und nur etwas für besondere Anlässe. Auch das geforderte Wasserstoff-Kernnetz ist aufwändig, teuer und so kaum realisierbar.

Der grüne Wasserstoff wird für die Industrie benötigt und sollte nicht in SUVs oder Gasheizungen verschwendet werden. Wer heizt schon mit Champagner, wenn es auch mit Brause geht? Die Wärmepumpe mit Ökostrom ist unschlagbar effizient und deutlich preiswerter. Es scheint allein ideologisch begründet zu sein, das nicht verstehen zu wollen.

Die Ausbauziele für die Windkraft an Land sind 2024 und 2025 nicht mehr einzuhalten. Zu hoch sind die Hürden bei Flächenausweisung, Genehmigungen oder Transport, stellt die Branche in ihrer Halbjahresbilanz fest. Gleichzeitig klagen Solarstromer, dass sie um die Mittagszeit wegen negativer Strompreise Geld verlieren. Hat Deutschland Wachstumsprobleme bei den Erneuerbaren?

Erneuerbare müssen immer weiter wachsen, wir erreichen sonst weder die Ausbauziele noch kann der Kohleausstieg bis 2030 realisiert werden.

Negative Preise an der Strombörse sind nicht Ausdruck von zu viel Erneuerbaren, sondern zeigen eher, dass das System noch nicht flexibel und innovativ genug ist. Unflexible konventionelle Kraftwerke gehen ja mehr und mehr aus dem System.

Ein auf erneuerbare Energien fokussiertes Energiesystem weist Schwankungen auf, diese müssen durch intelligentes Energie- und Lastmanagement, Digitalisierung und KI klug aufeinander abgestimmt werden. Auch Speicher werden immer bedeutsamer.

"Überschüssiger" Strom, der in bestimmten Stunden oder Phasen auftritt, sollte möglichst genutzt statt abgeregelt werden. Statt sich über negative Strompreise zu beklagen, sollten eher innovative Lösungen zum Zuge kommen. Der Strom sollte genutzt werden – in der Wärmepumpe, im Elektroauto oder im Speichersystem.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Dass Tesla für sein Werk in Grünheide bei Berlin die Energieversorgung – anders als bisher verlautbart – nicht vollständig über Öko-Energie, sondern über ein neu zu bauendes Gaskraftwerk sichern will. Zu allem Überfluss soll das Gas scheinbar aus einem ebenfalls neuen LNG-Tanklager kommen. Geht's noch?

Offenbar macht der kalifornische Autobauer es der Bundesregierung nach, die auch völlig verfehlt überdimensionierte LNG-Terminals und Gaskraftwerke bauen will.

Meine "Täglich grüßt das Murmeltier"-Momente werden nicht weniger. Nur dieses Mal von völlig überraschender Seite.

Mr. Musk, don't do it. Ist stranded investment. Too expensive. And bad.

Fragen: David Zauner und Jörg Staude