Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz sitzen auf der Regierungsbank und schauen in die gleiche Richtung.
Ampel-Klimapolitik geht oft so: Finanzminister Lindner (FDP, von links) setzt Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) unter Druck, Bundeskanzler Scholz (SPD) hält sich raus. (Bild: Jürgen Nowak/​Shutterstock)

Die Debatten über den Klimaschutz waren im vergangenen Jahr oft kontrovers. Gas aus Russland, die Zukunft des Verbrennungsmotors und der fossilen Heizungen – es ging hoch her.

Eher selten spielten dabei Fragen der Klimawirksamkeit eine Rolle: Was bringt was? Wie viel klimaschädliches Kohlendioxid spart diese oder jene Maßnahme ein? Dazu hat das Bundeswirtschaftsministerium nun eine Bilanz vorgelegt, die am heutigen Mittwoch im Bundeskabinett beraten werden soll.

Die Zahlen stehen im sogenannten Klimaschutzprogramm, einer regelmäßigen Abschätzung, welche Wirkung die Politik erzielt. Das prognostizierte Ergebnis sieht demnach gar nicht schlecht aus. Falls die bislang beschlossenen Reformen konsequent verwirklicht werden, könne Deutschland zwischen 2023 und 2030 den größten Teil der geplanten Verringerung seiner CO2-Emissionen tatsächlich erreichen.

"Die Klimaschutzlücke geht damit in den kommenden Jahren bis 2030 voraussichtlich um bis zu 80 Prozent zurück", schreiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Konkret: 2022 verursachte Deutschland 746 Millionen Tonnen klimaschädlicher Abgase. 2030 dürfen es nur noch 440 Millionen Tonnen sein. Diese niedrigere Menge würde zwar nicht ganz erreicht, sondern vielleicht 450 oder 460 Millionen Tonnen – aber immerhin.

Der Nachteil des Klimaschutzprogramms: Die Berechnungen lassen sich augenblicklich nicht überprüfen, weil das Ministerium unter anderem nicht genau beziffert, wie viel CO2-Reduktion welche Maßnahme erbringt.

Energie

Einen großen Beitrag soll auf jeden Fall die Energiewirtschaft leisten – und es ist zu erwarten, dass das auch klappt. Während der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 2022 laut dem Papier bei etwa 46 Prozent lag, soll er bis 2030 auf "mindestens 80 Prozent" steigen. Um das zu erreichen, hat die Regierungskoalition mehrere Gesetze geändert.

So soll der Neubau von Wind- und Solarkraftwerken stark zunehmen. Als wesentliche Instrumente dafür müssen die Bundesländer bis 2032 durchschnittlich zwei Prozent ihrer Fläche für Windräder zur Verfügung stellen. Die Anlagen dürfen dann näher an Siedlungen stehen, und die Vorschriften für den Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten wurden gelockert. Auch in Nord- und Ostsee werden mehr Windparks entstehen.

Industrie

Ein zweiter Brocken findet sich in der Industrie. Mit Billigung der Europäischen Union stellt der deutsche Staat Milliarden Euro Subventionen bereit, um beispielsweise die Emissionen der Stahlproduktion zu reduzieren.

So soll der Konzern Salzgitter AG zunächst etwa eine Milliarde Euro Förderung erhalten, um Kohle durch Wasserstoff zu ersetzen, den man mit erneuerbaren Energien erzeugt. Die Förderung könnte bis zu 40 Prozent der Kosten ausmachen. Bei Thyssen-Krupp in Duisburg ist Ähnliches geplant.

Außerdem präsentierte Habeck kürzlich das Programm der sogenannten Klimaschutzverträge. In den kommenden 15 Jahren soll "ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag" zur Verfügung stehen, also beispielsweise 50 Milliarden Euro.

Um die Zuschüsse zu den Betriebskosten können sich etwa Unternehmen der Zement-, Stahl-, Papier- oder Glasindustrie bewerben. Die neue finanzielle Unterstützung soll die höheren Kosten der sauberen Energien abdecken. Sinkt der Preis des sauberen Verfahrens unter eine bestimmte Schwelle, müssen die Firmen die erhaltenen Mittel später zurückzahlen.

Gebäude

Der Abgasausstoß der Heizungen von Gebäuden ist bislang zu wenig gesunken. Die Regierung versucht gegenzusteuern, indem möglicherweise ab 2024 in vielen neuen Wohnhäusern nur noch Heizungen erlaubt sind, die mindestens 65 Prozent Ökoenergie verbrauchen. Es gibt Pläne für mehr strombetriebene Wärmepumpen und kommunale Fernwärme.

Konkret ist vieles bisher nicht, weil der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes vermutlich entschärft wird. Genaueres weiß man vielleicht nach der heutigen Anhörung im Bundestag und der angepeilten Verabschiedung bis Anfang Juli.

Verkehr

Ein weiterer Problemfall ist der Verkehrsbereich, besonders der Autoverkehr. Hier gibt es zwar ebenfalls Fortschritte, beispielsweise das günstige 49-Euro-Ticket für den bundesweiten öffentlichen Regionalverkehr. Vielleicht lassen einige Leute deshalb ihr Benzin-Fahrzeug stehen. Ein weiterer Pluspunkt ist die Absicht der Regierung, dass 2030 rund 15 Millionen E-Autos auf hiesigen Straßen fahren sollen.

Reichen wird dies aber nicht. Und auf einen nachvollziehbaren Plan für die nötige Reduzierung der Emissionen im Straßenverkehr kann sich die Regierung nicht einigen.

 

Wie geht es weiter?

Deshalb ändern SPD, Grüne und FDP nun das Klimaschutzgesetz. Die säumigen Sektoren Gebäude und Verkehr müssen ihre bisherigen jährlichen Reduktionspflichten nicht mehr erfüllen, andere Bereiche sollen die Verfehlung kompensieren.

Ob und wie das funktioniert, wird man in den nächsten Jahren sehen. Das Ziel – nur noch 440 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß 2030 – erhält die Regierung aufrecht.