Grüner S-Bahn-Zug im Ruhrgebiet, einige Leute steigen um die Mittagszeit an einem nicht überdachten Bahnsteig aus, das Wetter ist sommerlich.
Ob das Deutschlandticket viele zum Umsteigen auf den klimafreundlichen ÖPNV bewegen wird, ist ungewiss. (Foto: Michael Gaida/​Pixabay)

Einen gut klingenden Namen hat es schon, das neue 49-Euro-Ticket, das ab 1. Mai gelten soll. "Deutschlandticket" wird der Nachfolger des Neun-Euro-Tickets heißen, für den das Bundeskabinett letzte Woche den Weg frei gemacht hat.

Der Name ist nicht nur eine Marketingidee, sondern hat handfeste Gründe. Denn 49 Euro wird das neue Ticket nur am Anfang kosten. Schon nächstes Jahr soll der Preis in Form eines automatischen Inflationsausgleichs "dynamisiert" werden, haben Bund und Länder vereinbart. Aus dem 49-Euro-Ticket wird dann ein 49-plus-x-Ticket.

Doch ist das Angebot – ein digitales, bundesweit gültiges Nahverkehrsticket, das aber nur als monatlich kündbares Abo erhältlich ist – tatsächlich so "attraktiv", wie Verkehrsminister Wissing (FDP) es angepriesen hat? Macht es den ÖPNV zu "einem echten Gewinner"?

Und wie steht es mit dem Klimaschutz? Bringt das neue Deutschlandticket die Verkehrswende voran und hilft bei den dringend benötigten Emissionseinsparungen im Verkehrsbereich? Das ist alles andere als sicher.

Zwar wird es nun sehr viel einfacher, mit Bus und Bahn unterwegs zu sein. "Mit dem Deutschlandticket ein wichtiger Schritt unternommen, die komplizierten Tarifsysteme und Gültigkeitsbereiche zu überwinden", sagt der Ökonom und Verkehrsforscher Gernot Liedtke vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Neben einem attraktiven Ticketpreis erhöht auch das die Chancen für einen Umstieg vom Auto."

"49 Euro sind zu teuer"

Doch ob tatsächlich sehr viele Menschen umsteigen werden, ist Liedtke zufolge fraglich. Dagegen sprechen der mit 49 Euro relativ hohe Preis und das Abo-Modell, für das sich die Bundesregierung entschieden hat.

"Für Gelegenheitsnutzer:innen des ÖPNV ist der Preis von 49 Euro zu hoch, um sich das Ticket auf Verdacht zu Beginn des Monats anzuschaffen oder gar ein Abo abzuschließen", sagt Liedtke.

Anders sieht es bei den bisherigen Zeitkartenbesitzer:innen aus. Sie werden vermutlich alle auf das Deutschlandticket wechseln, wie möglicherweise auch einige Menschen, die den ÖPNV ein paarmal pro Monat nutzen und nun, statt Einzelfahrscheine zu kaufen, das neue Abo abschließen. 

Für die bisherigen Nutzer:innen ist das neue Ticket also eine Verbesserung. "Es stärkt die Kundenbindung", sagt die Hamburger Mobilitätsexpertin Katja Diehl. Ein durchaus wichtiger Aspekt.

Ob allerdings auch viele neue Nutzer:innen gewonnen werden können, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Anders als beim Neun-Euro-Ticket ist die Laufzeit des Deutschlandtickets nicht beschränkt. Mittel- bis langfristig könnte es zu einer Verlagerung auf den ÖPNV kommen. Sicher prognostizieren kann man das aber nicht.

"Um wirklich einen großen Durchbruch zu schaffen, sind 49 Euro zu teuer", sagt auch der Mobilitätsforscher Andreas Knie. "Unsere Forschungen haben ergeben, dass 29 Euro für einen Monat ein Preis wäre, bei dem die allermeisten Verkäufe zu erwarten wären."

Deutlicher Klimaeffekt bräuchte Politik für ÖPNV statt Auto

Da noch nicht klar ist, wie stark das Deutschlandticket nachgefragt wird und wie viel Autoverkehr möglicherweise vermieden werden kann, lässt sich auch schwer abschätzen, wie hoch die CO2-Einsparung sein könnte.

Als obere Grenze sieht DLR-Forscher Gernot Liedtke eine jährliche CO2-Einsparung von zwei Millionen Tonnen – falls gelegentliche ÖPNV-Nutzer:innen zu regelmäßigen Nutzer:innen werden, die häufiger das Auto stehen lassen. Er dämpft aber zu hohe Erwartungen: "Wahrscheinlich sind Einsparungen in der Größenordnung einer Million Tonnen pro Jahr."

Auch Mark Andor, der beim Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI die Forschungsgruppe "Prosoziales Verhalten" leitet, rechnet nicht mit einem großen Klimaeffekt durch das Deutschlandticket. "Wir gehen nicht davon aus, dass diese Maßnahme alleine beträchtliche Mengen an CO2 verringert."

 

Um eine stärkere Verkehrsverlagerung zu erreichen, müssen auch Privilegien der Autonutzung reduziert werden, so Andor. Er schlägt die Einführung einer Städte-Maut vor, also einer Gebühr für das Autofahren in der Stadt. "Die Maut kann auch sozial gerecht ausgestaltet werden." Ein Plädoyer dafür hat das RWI gemeinsam mit der Stiftung Mercator schon vor vier Jahren veröffentlicht.

Gleichzeitig muss Andor zufolge das ÖPNV-Angebot stark ausgebaut werden, damit die Verkehrswende gelingen kann. "Menschen werden nur auf das Auto verzichten, wenn sie mit anderen Mitteln ihre Mobilitätsbedürfnisse erfüllen können."

Redaktioneller Hinweis: Andreas Knie ist Herausgeberratsmitglied von Klimareporter°.

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