Auch aus Russland wird immer mehr Flüssigerdgas in die EU und nach Japan geliefert. (Bild: Evgeny Haritonov/​Shutterstock)

Von Freitag bis Sonntag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 im japanischen Hiroshima zu ihrem 49. Gipfel. Ganz oben auf der Tagesordnung steht das Thema Energie. Trotz steigender globaler Investitionen in fossile Brennstoffe, vor allem in die Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG), soll an ehrgeizigen Dekarbonisierungszielen festgehalten werden.

Das Gastgeberland Japan war 2022 mit 92,5 Milliarden Kubikmetern importiertem LNG weltweit führend bei den LNG-Einfuhren. Erdgas – das vollständig in Form von LNG importiert wird – deckt 22 Prozent der Primärenergieerzeugung des Landes und 37 Prozent der Stromerzeugung ab. Der importabhängige Inselstaat hatte seine LNG-Importe nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 erhöht.

Das meiste von Japan importierte LNG kommt aus Australien, es folgen die USA und Russland. Jüngste Daten zeigen, dass japanische Banken die größten Finanziers von LNG-Exportterminals in den USA sind – mit über 30 Milliarden Euro zwischen 2012 und 2022.

Umweltverbände kritisieren Japan auch dafür, vor dem G7-Treffen auf eine Erhöhung der internationalen Investitionen in die LNG-Infrastruktur zu drängen.

Seit Langem kritisieren Umweltschützer, dass die G7-Länder eine bei der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow eingegangene Verpflichtung nicht einhalten, die ein Auslaufen aller internationalen öffentlichen Finanzierungen für fossile Projekte vorsieht.

Krieg soll "Ausnahmezustand" rechtfertigen

Europäische zivilgesellschaftliche Gruppen stellten zudem fest, dass die G7-Mitglieder, darunter Deutschland, ihren Verpflichtungen zur Beendigung internationaler öffentlicher Investitionen in fossile Brennstoffe nur schleppend nachkommen. Auf dem G7-Gipfel im Juni letzten Jahres im bayerischen Elmau war eine Ausnahme für vorübergehende Investitionen in den Gassektor aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine gemacht worden.

Im März trafen sich die Energie- und Umweltminister der G7 im japanischen Sapporo und veröffentlichten ein Kommuniqué mit wichtigen Festlegungen für den bevorstehenden Gipfel in Hiroshima. In Artikel 69 des Papiers wird die Elmau-Ausnahme für Investitionen im Gassektor beibehalten, "wenn sie in einer Weise eingesetzt werden, die mit unseren Klimazielen übereinstimmt und keine Lock‑in-Effekte hervorruft" und insbesondere, wenn sie für die "Entwicklung von CO2-armem und erneuerbarem Wasserstoff" verwendet werden.

Trotz der in der Ministererklärung enthaltenen Verurteilung der russischen Aggression gegen die Ukraine haben die G7-Mitglieder die wachsende russische LNG-Exportindustrie auch 2022 aktiv unterstützt.

Japanische Importeure hielten ihre LNG-Handelsbeziehungen mit der russischen Exportanlage Sachalin‑2 aufrecht. Die EU steigerte ihre LNG-Importe aus Russland im vergangenen Jahr um 35 Prozent auf 19,2 Milliarden Kubikmeter, angeführt vom G7-Mitglied Frankreich mit rund sieben Milliarden Kubikmetern.

An den neuen G7-Importplänen in Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien sowie den boomenden Exportprojekten in den G7-Mitgliedsländern Kanada und USA gibt es viel Kritik. Es wird befürchtet, dass der anhaltende Krieg als vorgeschobene Rechtfertigung für die Steigerung der weltweiten LNG-Investitionen genutzt wird.

IEA-Bericht sieht anhaltenden Rückgang der Gasnachfrage

Deutschland hat seinen Erdgasverbrauch im vergangenen Jahr um 13 Prozent gesenkt. Die Internationale Energieagentur IEA stellte einen Rückgang der europäischen Gasnachfrage um gleichfalls 13 Prozent im Jahr 2022 fest, das ist der größte absolute Rückgang in der Geschichte.

Die IEA prognostiziert, dass die Gasnachfrage in OECD-Europa – wozu auch die G7-Staaten gehören – in diesem Jahr um fünf Prozent zurückgehen wird. Die Europäische Union empfiehlt eine Reduzierung der Erdgasnachfrage um 35 Prozent bis 2030, um ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen.

Laut dem IEA-Gasmarktbericht stieg der Anteil von verflüssigtem Erdgas (LNG) an der europäischen Gasnachfrage im Jahr 2022 auf zwei Drittel, während die russischen Gaslieferungen über Pipelines auf unter zehn Prozent sanken. Trotz der Versorgungsschwierigkeiten überstanden die Gasspeicher der EU die Winterheizsaison 2022/23 mit einem Gesamtvolumen von 55 Milliarden Kubikmetern, das um 65 Prozent über dem letzten Fünf-Jahres-Durchschnitt liegt.

"Nach einem starken Anstieg der europäischen LNG-Importe im ersten Quartal 2023 prognostizieren wir, dass die LNG-Einfuhren in die Europäische Union und nach Europa im weiteren Jahresverlauf aufgrund der sehr hohen Speicherbestände und des anhaltenden Nachfragerückgangs zurückgehen könnten", sagte IEA-Analyst Gergely Molnar bei einer Präsentation des IEA-Quartalsberichts auf Einladung der deutschen Gaslobbygruppe Zukunft Gas.

 

Deutschland hat bisher nur begrenzte Mengen an LNG direkt importiert, lediglich das schwimmende Terminal in Wilhelmshaven ist seit Januar voll ausgelastet. Trotz zunehmender Prognosen, dass zusätzliche LNG-Terminals überflüssig sein könnten, fördert die Erdgaslobby LNG-Investitionen als "Brückentechnologie" zum Wasserstoff als Kraftstoff, eine Position, die von der deutschen Regierung im LNG-Beschleunigungsgesetz übernommen wurde.

Während die deutsche Delegation unter Leitung von Bundeskanzler Scholz nach Hiroshima reist, halten die Proteste gegen die Pläne für ein neues LNG-Terminal vor der Insel Rügen an.

Edward Donnelly lebt und arbeitet als unabhängiger US-Journalist in Europa, wo er über globale Energie- und Umweltthemen berichtet. Bisherige Beiträge des Autors in der Serie "Flüssigerdgas im Fokus":

  1. Was hinter dem globalen LNG-Boom steckt
  2. Deutsche Kreditgeber befeuern LNG-Boom
  3. G7-Länder importieren weiter russisches LNG
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