Windradbaustelle: Der bereits zusammengesetzte Rotor hängen am Kran.
Die Bundesregierung erleichtert die Genehmigung neuer Windparks. (Foto: Tim Siegert/​Batcam/​Shutterstock)

Nach einem halben Jahr energiepolitischer Feuerwehreinsätze haben die EU‑Kommission in Brüssel und die Ampel-Regierung in Berlin den Vorwärtsgang eingelegt und beschleunigen die Genehmigungsverfahren für neue Ökostromanlagen. Das ist auch dringend nötig, besonders bei der Windenergie.

Konkret geht es um die seit Ende 2022 geltende EU‑Notfallverordnung, mit der angesichts der Abkehr von russischem Gas mehr Tempo beim Erneuerbaren-Ausbau gemacht werden soll.

Kernaspekte aus dieser Verordnung werden nun mit einer Novelle des Raumordnungsgesetzes umgesetzt, die Bundestag und Bundesrat am Freitag im Schnellgang beschlossen haben.

Der zentrale Punkt: In ausgewiesenen Vorranggebieten, den sogenannten Go-to-Areas, entfällt für Wind- und Solarparks, Stromspeicher und -netze die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung und zur artenschutzrechtlichen Prüfung. Bedingung ist allerdings, dass bereits eine Strategische Umweltprüfung stattgefunden hat und der Standort nicht in einem besonders geschützten Gebiet liegt.

Diese Erleichterungen gelten bei der Windkraft auch für Repowering-Vorhaben, also für den Austausch von alten Anlagen gegen neue, leistungsstärkere am selben Standort.

Damit wird ein wichtiger Hebel umgelegt, um an etablierten Standorten die installierte Leistung deutlich zu steigern – zumal in den nächsten Jahren gerade bei der Windenergie beträchtliche Erzeugungskapazitäten altersbedingt den Anspruch auf EEG-Einspeisevergütung verlieren und somit potenziell vom Rückbau bedroht sind.

Porträtaufnahme von Oliver Hummel.
Foto: Naturstrom

Oliver Hummel

ist seit 2011 Vorstand der Naturstrom AG. Bei dem Öko-Energie­versorger verantwortet er den Bereich Energie­belieferung, der rund 300.000 Haushalts- und Gewerbe­kunden mit Ökostrom und Biogas versorgt. Hummel wechselte 2001 von der Unternehmens­beratung Roland Berger zu Naturstrom, seit 2004 ist der studierte Betriebswirt Geschäftsführer.

Zuletzt dauerten Genehmigungsverfahren für neue Windräder im deutschlandweiten Schnitt von der Antragsstellung bis zum Behördenentscheid ganze zwei Jahre, in Hessen sogar mehr als drei.

Länder in der Pflicht

Von der ersten Idee bis zur Inbetriebnahme bringen die Projektentwickler fünf bis sieben Jahre zu. Ziemlich klar, dass das so nicht bleiben kann, wenn binnen sieben Jahren die Gesamtnennleistung der Windenergieanlagen in Deutschland von 58.000 auf 115.000 Megawatt erhöht werden soll.

Nun sind die Bundesländer am Zug, die beschlossenen Erleichterungen in die Fläche zu bringen. Schließlich geht dieses Jahr ein Rekordvolumen von 12.840 Megawatt in die Ausschreibungen der Bundesnetzagentur. Für die erste Ausschreibung dieses Jahres, bei der 3.210 Megawatt auf den Markt gebracht wurden, lagen genehmigte Projekte mit lediglich 2.700 Megawatt vor. Auch daran zeigt sich der Handlungsdruck.

Und auch in einem anderen Punkt müssen jetzt die Bundesländer in die Pflicht genommen werden: bei den Flächen. Bis Ende 2027 haben die Länder Zeit, so viele Flächen für die Windnutzung auszuweisen, dass dann 1,4 Prozent der Bundesfläche zur Verfügung stehen.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Herausgeberrates in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Das ist viel zu spät, die Länder müssen schon vorher liefern. Einige Landesregierungen hatten dazu in der Vergangenheit schon Bereitschaft bekundet, bei den anderen muss nachgeholfen werden.

Flächen bereitstellen und deutlich schneller Genehmigungen erteilen – wenn dies zügig gelingt, sind die Energiewendeziele für 2030 bei der Windenergie zu schaffen. Die Zeit ist schon jetzt äußerst knapp, einen weiteren Zeitverzug kann sich Deutschland nicht leisten.