"Wir sehen nicht tatenlos zu, wie die Politik die Klimakrise immer weiter eskalieren lässt, und fordern in einem breiten Bündnis lautstark effektive Klimagerechtigkeit", erklärt Paula Härtge von Fridays for Future (FFF) Berlin im Gespräch mit Klimareporter°.

Die Klimabewegung hat wieder zu globalen Protesten aufgerufen. Unter dem Motto "End Fossil Fuels", auf Deutsch "Schluss mit fossilen Brennstoffen", sind für den heutigen Freitag bundesweit mehr als 250 Demonstrationen geplant.

Zudem möchten die Aktivist:innen die Regierung an ihren eigenen Koalitionsvertrag erinnern. Sie fordern die Einführung des versprochenen "sozial gerechten Klimageldes in Kombination mit einer angemessenen CO2-Bepreisung".

Während das Klimageld im Bundeswahlkampf 2021 eines der großen Themen war und in der einen oder anderen Form von sowohl Grünen und SPD als auch der FDP beworben wurde, ist bis heute nicht abzusehen, wann es denn nun wirklich kommt.

"Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz gehören zusammen", betont Härtge. Die Politik sei jetzt gefragt, gerechte Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Regional setzen die Proteste unterschiedliche Schwerpunkte. In Frankfurt am Main wird unter dem Motto "Wir haben keine Wahl" für das Wahlrecht ab 16 und ohne deutschen Pass demonstriert. In Hannover stehen die Verkehrswende und der Ausbau des ÖPNV im Zentrum der Proteste.

Der Streik in Berlin konzentriert sich auf die Bundespolitik, passend dazu führt die Demo-Route durchs Regierungsviertel. Anstatt das Klimaschutzgesetz aufzuweichen, müsse es gestärkt werden, forderte Clara Duvigneau von Fridays for Future Berlin.

Es ist der 13. globale Klimastreik, zu dem die Bewegung aufruft. Beim letzten Streiktag im März folgten dem Aufruf nach ihren Angaben 220.000 Menschen und gingen auf die Straße.

Der Höhepunkt der Klimastreiks war 2019

Angefangen hat alles vor fünf Jahren am 20. August 2018 vor dem schwedischen Parlament in Stockholm. Die damals 15-jährige Greta Thunberg demonstrierte mit einem Schild mit der Aufschrift "Schulstreik für das Klima" vor dem Parlamentsgebäude.

Schnell schlossen sich Schüler:innen aus anderen Städten weltweit Thunbergs Vorbild an. Im Dezember 2018 protestierten die ersten Schüler:innen in Deutschland für mehr Klimaschutz, statt zum Unterricht zu gehen.

Fridays-for-Future-Protest im besten Demo-Jahr 2019 in Berlin. (Bild: Leonhard Lenz/​Wikimedia Commons)

Im Frühjahr 2019 erreichte die Bewegung globale Ausmaße – etwa ein halbes Jahr, nachdem Thunberg den Hashtag #FridaysForFuture zum ersten Mal verwendet hatte.

Seitdem ist Fridays for Future aus der Klimagerechtigkeitsbewegung nicht mehr wegzudenken. Im Gegensatz zu anderen Gruppen wie Extinction Rebellion und Ende Gelände konzentrieren sich die Aktivistinnen nicht nur auf Protest.

Sie sitzen regelmäßig in Talkshows, geben Studien in Auftrag, treffen sich mit Politiker:innen und mit Gewerkschaften, vor allem mit Verdi. Die Dienstleistungsgewerkschaft wird auch bei dem globalen Klimastreik am Freitag wieder dabei sein.

Solche Massen wie vor vier Jahren kann die Bewegung heute jedoch nicht mehr auf die Straßen bringen. Ab März 2019 gingen in den deutschen Städten regelmäßig Hunderttausende auf die Straße. Den bisherigen Höchstwert erreichte der globale Klimastreik im September 2019, als sich rund 1,4 Millionen Menschen deutschlandweit beteiligten.

Erst Corona und dann der Ukrainekrieg haben es der Klimabewegung schwer gemacht, weiterhin mediale und politische Aufmerksamkeit für das Klima zu erzeugen. Zwar betonen die Aktivist:innen fleißig die Zusammenhänge der Krisen, stoßen damit aber in der Öffentlichkeit nur begrenzt auf Verständnis.

"Fridays for Future bringt noch immer Massen auf die Straße", entgegnet Aktivistin Härtge. "Unsere Demonstrationen sind wirksam, das haben die letzten fünf Jahre gezeigt."

Tatsächlich hat Fridays for Future einen großen Teil dazu beigetragen, Klimapolitik zu einem Thema zu machen, an dem weder Parteien und Verbände noch Unternehmen und Gewerkschaften vorbeikommen. Klima war ein bestimmendes Thema im Bundestagswahlkampf 2021.

"Letzte Generation" kündigt Protestwelle an

Einer der größten Erfolge der Bewegung war der Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht im März 2021. In seinem Urteil erklärte das Gericht das Bundes-Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig. Entsprechend kritisch verfolgen die Aktivist:innen jetzt die "geplante Entkernung des Klimaschutzgesetzes", wie es in einem Streikaufruf heißt.

Im März dieses Jahres hatten sich die Ampelparteien im Koalitionsausschuss darauf geeinigt, die spezifischen Sektorziele abzuschaffen und damit das Klimagesetz um eines seiner Kernelemente zu erleichtern. Von der Klimabewegung und den Umweltverbänden kam heftige Kritik.

Über 150 zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen den Streik, darunter die Umweltorganisationen BUND und Greenpeace, die Gewerkschaft Verdi und kirchliche Verbände. Auch mehr als 2.000 Unternehmen haben ihre Teilnahme an den Streiks angekündigt.

Als Teil der Klimabewegung will sich zudem die Letzte Generation dem Streik anschließen.

 

Insgesamt hat sich laut einer von der Organisation More in Common durchgeführten Umfrage in den vergangenen beiden Jahren der gesellschaftliche Zuspruch für die Klimabewegung halbiert – von 68 Prozent 2021 auf nur noch 34 Prozent im Mai 2023.

More in Common selbst bringt diese Ergebnisse mit den Aktionen der Letzten Generation in Verbindung.

Beirren lassen sich die Aktivist:innen von den Umfrageergebnissen scheinbar nicht. In einem Aufruf kündigte die Letzte Generation eine große Protestwelle im Anschluss an den Streik an. Sie forderte ihre Unterstützer:innen auf, zur sogenannten "Wendepunkt-Phase" nach Berlin zu kommen.

Ab Montag wollen die Aktivist:innen den Verkehr an diversen Hauptstraßen und Kreuzungen in der Hauptstadt zum Erliegen bringen.