Klimareporter°: Frau Busch, Sie waren eine der 500 Klimaaktivist:innen, die vergangene Woche am Sommerkongress von Fridays for Future in Lüneburg teilgenommen haben. Dort ging es auch um die Zukunft von Fridays for Future. Was ist gerade die größte Herausforderung für die Klimabewegung?

Meret Busch: Eine der größten Herausforderungen ist: Wir kämpfen schon seit vier Jahren auf der Straße, haben aber auch mit einer neuen Regierung immer noch nicht die Klimaziele erreicht und die Maßnahmen ergriffen, die für effektiven Klimaschutz nötig sind.

Es sollte darum gehen: Wie können wir die Zukunft unserer Generation, aber auch von allen nachkommenden auf diesem Planeten sichern? Statt darüber zu sprechen, konzentrieren sich viele, auch in den Parteien, mittlerweile darauf, Klimaaktivisten zu kritisieren. Das ist eine Verschiebung des Diskurses. Das halte ich für sehr gefährlich, weil es vom eigentlichen Thema ablenkt.

Woher kommt diese Verschiebung?

Es liegt daran, dass die Öffentlichkeit gerade ein bestimmtes Bild von Klimaaktivismus zugespielt bekommt. Das hat auch mit dem Auf-die-Straße-Kleben zu tun. Da gehen viele Menschen nicht mit und stimmen dem nicht mehr zu.

Es wird momentan mehr über Aktionsformen gestritten als über das Ziel der Aktionen. Wir merken auch auf unseren Demonstrationen, dass uns immer mehr Menschen auf den Straßen feindlich gegenüberstehen.

Das zeigen auch aktuelle Umfragen: Die Unterstützung für die Klimabewegung hat sich seit 2021 halbiert. Nimmt der Zuspruch für Fridays for Future ab, seitdem die Letzte Generation mit ihren Protesten Aufmerksamkeit erregt?

Porträtaufnahme von Meret Busch.
Bild: Eileen Hollemeyer

Meret Busch

engagiert sich seit zwei Jahren bei Fridays for Future in Hamburg. Die 18-Jährige geht in die 13. Klasse.

Wir merken schon seit Corona, dass wir weniger Menschen mobilisieren können. Unsere größten Demos waren in Vor-Corona-Zeiten. Bei den letzten Großdemos sind weniger Menschen gekommen. Durch die Pandemie hat sich der Fokus der Leute verändert. Wir haben gerade in unserer Gesellschaft viele Themen, die die Menschen bewegen, da ist es schwieriger, für Klimaschutz zu mobilisieren.

Zur Letzten Generation: Wir können verstehen, dass Menschen aus Frustration über die aktuelle Klimapolitik neue Aktionsformen ausprobieren. Wir aber wollen diese Aktionsformen nicht wählen. Wir bleiben bei unseren Protestaktionen. Aber der Protest der Letzten Generation führt auf jeden Fall zu einem sehr kontroversen Diskurs in der Öffentlichkeit, und der schadet uns auch.

Fridays for Future wird also seine Aktionsformen nicht erweitern?

Wir reflektieren immer unsere Aktionen und unsere Strategie und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir eine Massenbewegung bleiben wollen, der jeder Mensch beitreten kann.

Es gibt andere Organisationen mit anderen Aktionsformen, und Menschen, die dort mitmachen möchten, können das tun. Aber wir wollen die große Massenbewegung sein, die auf die Straße geht und laut ist. Und dabei wollen wir auch in Zukunft bleiben.

Wir überlegen uns durchaus neue Strategien, wie wir unsere großen Proteste bewerben oder wie wir neue Menschen mobilisieren können. Aber wir wollen sie mobilisieren für große Proteste. Wir brauchen diese große Massenbewegung, um einen Handlungsdruck auf Politiker:innen auszuüben.

Wie soll das gehen, diese Massen wieder für die Klimabewegung zu begeistern?

Ich glaube, dass wir dafür vor allem diverser werden müssen, damit sich mehr Menschen mit unserer Bewegung identifizieren können. In der Öffentlichkeit spiegeln wir ein sehr homogenes Bild wider und viele fühlen sich davon nicht abgeholt. Das merkt man und daran müssen wir in der nächsten Zeit arbeiten.

Auf dem Sommerkongress wurde auch schon an mehr Diversität gearbeitet …

 

Es gab einige Vorträge und Workshops zum Thema Klimakrise und Klimagerechtigkeit im globalen Süden. Das ist ein Thema, das bei uns in der deutschen Klimabewegung oftmals untergeht und das ich in Zukunft mehr betonen möchte.

Beim Sommerkongress ging es aber vor allem darum, neue Leute in die Bewegung zu holen. Viele waren zum ersten Mal da. Allein solche Events öfter zu veranstalten, könnte schon innerhalb der Bewegung dazu führen, sich besser zu verstehen und dann wieder neue Ideen zu entwickeln, wie man weitermachen möchte.

Welche Bilanz ziehen Sie aus fünf Jahren Fridays for Future?

Wenn ich vergleiche, wie viel heute über die Klimakrise gesprochen wird und wie das vor fünf Jahren war, hat sich enorm viel in der Gesellschaft gewandelt. Es gibt wahrscheinlich keinen Bereich, in dem gar nicht mehr über Klimaschutz gesprochen wird. Selbst wenn über Protestformen gestritten wird, ist am Ende das Grundthema doch nochmal da.

Dass wir 2021 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes erwirken und zur Bundestagswahl so viele Menschen mobilisieren konnten und sich das auch in den Ergebnissen widerspiegelte – das sind riesige Erfolge. Gerade ist es schon eine Durststrecke für uns, aber wir wollen da durchhalten.

Auch ohne neue Aktionsformen zu erproben, hat sich die Rolle von Fridays for Future in den letzten fünf Jahren gewandelt?

Als wir angefangen haben, war es noch viel mehr eine Schüler:innen-Bewegung. Heute sind wir immer noch Schüler:innen, aber auch Studierende, Auszubildende oder Menschen im Berufsleben.

Unsere Rolle hat sich dahingehend gewandelt, dass unsere Sprecher:innen, zum Beispiel in Talkshows nach ihrer Meinung gefragt werden und weniger über unsere Proteste an sich berichtet wird. Wir haben heute eine Rolle als Institution, die eine Meinung hat. Es ist sehr wichtig, dass wir als Bewegung ein Sprachrohr sind – dass wir unsere Meinung unter die Leute bringen und immer wieder mehr Klimaschutz fordern können, auch abseits der Straße.

Um aber wieder viele Menschen auf die Straße zu bringen, müssen wir dieses Bild wieder ein bisschen zurückdrehen. Menschen sehen sich selbst vielleicht nicht in einer Talkshow, aber sie sehen sich auf der Straße und das muss auch wieder deutlich werden.

Wo sehen Sie die Bewegung in den nächsten Jahren?

Im allerbesten Fall kommen wir aus dem großen Streit über Aktionsformen heraus, um uns wieder darauf konzentrieren zu können, dass wir ja eigentlich besseren Klimaschutz erreichen wollen. Da erhoffe ich mir Erfolge. Ich möchte noch mit dafür sorgen, dass Fridays for Future wieder groß wird und wir wieder große Klimaproteste haben.

Ich wünsche mir, dass wir nicht gegenüber denjenigen klein beigeben, die gerade gegen uns als Klimaterroristen wettern.

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