Porträtaufnahme von Lukas Köhler vor der Kuppel des Bundestages.
Lukas Köhler ist einer der profiliertesten Umweltpolitiker der FDP, die auch mal eine Umweltschutzpartei war – lange vor Köhlers Geburt. (Bild: James Zabel/​Wikimedia Commons)

Klimareporter°: Herr Köhler, die Ampel-Koalition hat sich ursprünglich vorgenommen, Deutschland beim Klimaschutz auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Wie steht es damit, nachdem gut die Hälfte der Legislaturperiode herum ist?

Lukas Köhler: Wir sind auf einem guten Weg. Mit Maßnahmen wie der Ausweitung des EU-Emissionshandels auf die Bereiche Verkehr und Wärme ab 2027 und der dringend benötigten Reform des Klimaschutzgesetzes stellen wir sicher, dass wir unsere Klimaziele erreichen. Das ist es, was wir uns vorgenommen haben. Es geht darum, effektiven Klimaschutz umzusetzen, und genau das tun wir.

Der CO2-Ausstoß ist 2023 zwar deutlich gesunken, allerdings eher wegen der schwachen Konjunktur als wegen aktiver Klimapolitik. Wo und wie wollen Sie nachsteuern? Vor allem im Verkehr und im Gebäudesektor hapert es mit dem CO2-Einsparen.

Das Ziel ist, eine Tonne CO2 so schnell und effizient wie möglich einzusparen. Das erfordert eine gemeinsame Anstrengung über alle Bereiche und Sektoren hinweg. Es ist nachvollziehbar, dass die Sektoren Verkehr und Wärme mehr Zeit benötigen.

Deshalb ist es umso wichtiger, rasch einen einheitlichen Emissionshandel einzuführen, damit wir CO2 dort reduzieren, wo es am kostengünstigsten ist. Das starre, kleinteilige Mikromanagement der einzelnen Sektoren ist nicht sinnvoll. Das führt nur zu extrem teuren sowie obendrein noch nutzlosen Sofortprogrammen. Am Ende zählt doch, ob Deutschland seine Klimaziele als Ganzes erreicht.

Aber Verkehr und Gebäude schneiden so schlecht ab, dass die anderen Sektoren das kaum zusätzlich ausgleichen können.

Es fällt doch auf, dass genau die Sektoren bisher ihre Minderungsziele einhalten, für die bereits der Emissionshandel gilt. Durch die jährliche Absenkung der strengen CO2-Obergrenze bietet der Emissionshandel einen klaren Fahrplan zum Erreichen unserer Klimaziele. Die FDP schlägt daher vor, bereits ab 2025 einen Emissionshandel mit einem fixen CO2-Deckel für die Bereiche Verkehr und Wärme in Deutschland einzuführen.

Der CO2-Preis für Sprit und Heizenergie wird in den nächsten Jahren steigen. Mit welcher Höhe muss man rechnen, wenn er sich ab 2027 gemäß EU-Vorgaben am Markt bilden wird? Derzeit sind es 45 Euro pro Tonne, was zum Beispiel Benzin und Diesel um elf respektive zwölf Cent pro Liter verteuert.

Das lässt sich heute noch nicht wirklich seriös voraussagen, denn der Preis wird dann ja durch das EU-Emissionshandelssystem dynamisch gebildet. Kurz gesagt: Je erfolgreicher wir im Klimaschutz sind, desto billiger wird er. Voraussichtlich wird der Preis aber etwas höher liegen als heute, womit auch der Preis für Benzin und Diesel leicht steigen wird.

Genau deshalb ist aber auch die Einführung des Klimageldes so wichtig: um dieses Geld unmittelbar wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuzahlen. Mit den steigenden Preisen an den Zapfsäulen dürfte dann 2027 auch das Klimageld entsprechend steigen.

Andere Fachleute erwarten, dass die CO2-Kosten rasant steigen werden. Haben Sie nicht die Sorge, dass die Preissignale zu Protesten führen werden?

Warum? Ich bin mir sicher, dass die Menschen sehr gut verstehen, weshalb wir einen marktwirtschaftlichen Ansatz beim Klimaschutz wählen. Der perspektivisch steigende CO2-Preis im Emissionshandel ist der beste Anreiz für die Menschen, auf klimafreundliche Alternativen beim Heizen oder Autofahren umzusteigen.

Auf diese Weise erreichen wir unsere Klimaziele nicht nur garantiert, sondern auch zu den geringsten Kosten. Das kann nur im Interesse aller sein.

Und zudem können wir den sozialen Ausgleich sicherstellen, indem wir die zusätzlichen Einnahmen durch ein Klimageld an alle Menschen zurückgeben. All das können Verbote und Vorschriften nicht leisten.

Gegenbeispiel: In den 2000er Jahren führte die damalige rot-grüne Bundesregierung die ökologische Steuerreform durch. Die Ökosteuer wurde durch niedrigere Rentenbeiträge an die Menschen zurückgegeben. Trotzdem gab es eine gewaltige "Benzinwut". Keine Sorge, dass das erneut geschieht?

Der CO2-Preis soll nicht zum Goldesel des Staates werden. Dass dieser Eindruck bei seiner Einführung durch die von CDU und SPD geführte Bundesregierung erweckt wurde, ist mehr als bedauerlich. Das hatte natürlich Gründe. Allen voran, dass die Groko keinerlei direkten Entlastungsmechanismus vorgesehen hatte.

Dafür hat Bundesfinanzminister Lindner jetzt die technischen Voraussetzungen geschaffen. Dieser Mechanismus zur Auszahlung, also die Verknüpfung von Steuernummer und IBAN, wird Ende 2024 einsatzbereit sein.

Die Menschen in Deutschland sind klüger, als viele es unterstellen, und verstehen, dass die CO2-Bepreisung der Weg mit der größtmöglichen Freiheit und den geringsten Kosten für sie ist. Da der Staat hier eben nicht einfach seine klebrigen Finger in ihre Taschen steckt, habe ich keine Sorge vor einer weiteren "Benzinwut".

Sie wollen, dass das Klimageld dann ab 2025, also noch in dieser Legislaturperiode, eingeführt wird. Wie realistisch ist das? Ihr Parteifreund Lindner wollte es eigentlich in die nächste Legislaturperiode verschieben.

Lukas Köhler

ist stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag, außerdem Mitglied im Bundesvorstand der Partei und stellvertretender Vorsitzender der FDP Bayern. Bis 2017 war er Geschäftsführer des Zentrums für Umweltethik und Umweltbildung an der Hochschule für Philosophie München. Köhler sitzt im Deutschland-Rat des Thinktanks Agora Energiewende.

Christian Lindner sagt das Gleiche wie ich: Wenn das Geld dafür da ist, können wir das Klimageld ab 2025 auszahlen. Dass er aber im Sinne einer besseren Regierungszusammenarbeit nicht in den Kompetenzbereich von Wirtschaftsminister Robert Habeck eingreift und ihm keine direkten Sparvorschläge macht, halte ich in der aktuellen Situation für angebracht. Die Grünen-Bundestagsfraktion sieht es hingegen scheinbar wie wir und würde gerne schon 2025 mit dem Klimageld starten.

Deshalb hat die FDP-Fraktion in der vergangenen Woche konkrete Vorschläge gemacht, wie wir das Klimageld durch Ausgabenkürzungen im KTF – im Klima- und Transformationsfonds, in den auch die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung fließen – finanzieren können. Wir sind jederzeit offen für andere Finanzierungsvorschläge aus dem KTF und freuen uns darauf, die Gespräche dazu mit unseren Koalitionspartnern fortzuführen.

Aber wenn auf Förderprogramme etwa bei der Energieeffizienz und bei der Umstellung auf Wasserstoff verzichtet wird, wie soll dann die Energiewende schnell genug kommen? Es geht zum Teil um enorme Investitionen.

Auf welche Marktsubventionen man im Zweifel verzichten könnte, müssen wir jetzt in der Koalition diskutieren. Klar ist aber, dass einige Förderprogramme letztlich überflüssig sind, etwa die teuren Subventionen für klimaneutrales Fliegen oder für E‑Mobilität. Die wesentliche Lenkungswirkung wird im Klimaschutz durch den CO2-Preis und den Emissionshandel erreicht, nicht durch Subventionen.

Sie streiten ja nicht ab, dass für die Energiewende Zuschüsse etwa für Wärmepumpen, Häusersanierung und grünen Wasserstoff weiter wichtig sind. Wie sollen sie denn künftig finanziert werden?

Selbstverständlich brauchen wir begleitend zum Emissionshandel auch vereinzelte, flankierende Förderprogramme, um die Menschen etwa beim Heizungstausch oder der Energieversorgung zu entlasten. Dafür werden auch künftig die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.

Zurück zum Klimageld. Wie hoch könnte es denn ausfallen?

Das kommt momentan darauf an, wie groß die Bereitschaft zu Einsparungen im Klima- und Transformationsfonds ist. Mit den konkreten Vorschlägen der FDP-Fraktion könnte ein Klimageld von fast 100 Euro pro Kopf ausgezahlt werden. In den darauffolgenden Jahren dürfte dieser Betrag nochmal deutlich steigen.

In der SPD wird gefordert, das Klimageld nicht an alle Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen, sondern reiche Haushalte auszunehmen, da diese den CO2-Aufschlag leicht verkraften können. Ein Millionär brauche kein Klimageld. Da ist was dran, oder?

Aus Sicht der FDP muss das Klimageld unbedingt pauschal an jeden Menschen in Deutschland ausgezahlt werden. Dafür brauchen wir einen einfachen, schnell wirksamen und unbürokratischen Weg.

Wenn wir es als Umverteilungswerkzeug nutzen, verfehlen wir das eigentliche Ziel: mehr Unterstützung für den Klimaschutz zu gewinnen. Zumal Menschen mit geringeren Einkommen im Verhältnis stärker entlastet werden.

Entscheidend ist, dass sich klimafreundliches Verhalten lohnt. Wer viel CO2 verursacht, etwa durch häufiges Fliegen, wird vom Klimageld in der Gesamtrechnung nicht wirklich profitieren. Wer hingegen emissionsärmer lebt, hat am Ende mehr davon.

 

Es ist doch eigentlich überfällig, vor allem die umweltschädlichen Subventionen stärker abschmelzen, die laut Umweltbundesamt 65 Milliarden Euro pro Jahr betragen, oder?

Ich halte es für schwer vereinbar, eine entlastende Maßnahme wie das Klimageld mit der Abschaffung einer anderen, direkten Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren. Das wäre eine Umverteilung von der linken in die rechte Tasche.

Rund 70 Prozent der Deutschen hielten es laut einer aktuellen Umfrage für richtig, dass sehr reiche Menschen einen stärkeren Beitrag zur Finanzierung des Klimaschutzes leisten, etwa durch Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Sind Sie dafür?

Nein.

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