Hände halten eine Geldbörse mit einigen Euro-Scheinen, daneben der Thermostat eines Heizkörpers.
"Unterm Strich werden so Geringverdiener:innen und Familien entlastet und vor allem Menschen mit hohen Einkommen belastet", begründen die Grünen das Energiegeld. (Foto: Christian Horz/​Shutterstock)
 

Im Koalitionsvertrag der Ampel ist ein "Klimageld" angekündigt. Das soll jährlich einmal an alle Bürger:innen überwiesen werden, um die Einnahmen des Staates aus der CO2-Bepreisung von Sprit und Heizenergie zumindest zum Teil an sie zurückzugeben.

Die Idee, die dahintersteckt: Alle zahlen zunächst an der Tankstelle und bei den Heizkosten mehr, doch wer wenig fossile Energie verbraucht, hat am Ende dank der Überweisung sogar mehr auf dem Konto. Wer hingegen viel verbraucht, legt drauf.

Besonders ärmere Haushalte würden profitieren. Deren CO2-Ausstoß ist üblicherweise gering, weil sie meist in kleinen Wohnungen leben und kein oder nur ein kleines Auto fahren.

Doch bisher ist nichts daraus geworden. Die Ampel-Regierung hat das von den Grünen im Wahlkampf stark gepushte Projekt (da hieß es Energiegeld) zumindest verschoben, der Ukraine-Krieg und die von ihm ausgelösten Turbulenzen auf den Energiemärkten erforderten andere Prioritäten. Stichwort: Strom- und Gaspreisbremse. Auch bei der jüngsten Ampel-Marathonsitzung spielt es keine Rolle.

Doch das Projekt hat gewichtige Fürsprecher bekommen. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Kopernikus-Projekt zur Energiewende, "Ariadne" genannt, macht sich dafür stark. Die Mittel aus der CO2-Bepreisung sollten genutzt werden, um sowohl den Klimaschutz als auch den sozialen Ausgleich im Land voranzubringen, schreiben Expert:innen von sechs Forschungsinstituten in einem aktuellen Positionspapier.

"Der CO2-Preis ist aus dem Blick geraten"

Im letzten Sommer hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) wissen lassen, mit einer Einführung des Klimageldes könne frühestens 2024 gerechnet werden. Und das auch nur, falls dann überhaupt Geld im Klima- und Transformationsfonds des Bundes übrig ist, in den die CO2-Einnahmen bisher fließen.

 

Seither ist Funkstille bei dem Thema. Wegen der Energiekrise hat die Ampel sogar die Erhöhungsstufe beim CO2-Preis ausgesetzt, die für Anfang 2023 fest eingeplant war.

Der CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich war 2021 eingeführt worden, aktuell beträgt er 30 Euro pro Tonne. Der Klima-Aufschlag macht damit zum Beispiel bei Benzin 8,4 Cent pro Liter aus, bei Diesel 9,4 Cent. Ursprünglich – noch von der Merkel-Groko – war festgelegt worden, dass der CO2-Preis bis 2025 auf 55 Euro ansteigt. Danach sollte er sich zwischen 55 und 65 Euro bewegen.

Die Ariadne-Expert:innen monieren, die aktuellen Debatten um nötige Klimaschutzmaßnahmen kreisten vor allem um Instrumente wie Tempolimit und E-Fuels. "Dabei gerät der CO2-Preis mit seinen Potenzialen für hohe Einnahmen und Verteilungsgerechtigkeit aus dem Blickfeld."

Tatsächlich geht es hier um hohe Milliardensummen. Für die Zeit von 2021 bis 2030 könnten Deutschlands Einkünfte aus dem nationalen Emissionshandel für Verkehr- und Gebäudeenergie sowie dem europäischen Gegenstück, der für Industrie, Kraftwerke und Airlines gilt, bis zu 227 Milliarden Euro betragen, so die Ariadne-Kalkulation.

Beteiligt an dem Projekt sind die Universitäten Potsdam und Stuttgart, das Fraunhofer-Institut ISI in Karlsruhe, das Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und das Klimainstitut MCC Berlin.

Klimageld als sozial und transparent bewertet

Die 227 Milliarden Euro entsprechen knapp einem halben Jahres-Bundesetat, es handelt sich also um einen gewaltigen politischen Hebel. Und die Bundesregierung muss entscheiden, was vorrangig mit den Mitteln geschehen soll.

Die Alternativen: Sie könnte mit einer jährlichen "Klimageld"-Überweisung die gesellschaftliche Akzeptanz für den CO2-Preis stärken, die Kosten für einkommensschwache Haushalte direkt abfedern, die Einkommenssteuern senken oder aber Klimaschutz-Investitionen erhöhen. In dem Ariadne-Papier werden die jeweiligen Folgen für Klimaschutz, Wirtschaftsentwicklung und Verwaltung dargestellt.

Das Team hat fünf konkrete Optionen zur Verwendung der Mittel angeschaut, wie MCC-Professor Matthias Kalkuhl erläutert: Klimageld, Strompreissenkung, Verringerung der Einkommenssteuer, Härtefall-Kompensationen und Klima-Förderprogramme. Jede Maßnahme hat laut dem Papier ihre Vor- und Nachteile. Viel spricht jedoch offenbar für das Klimageld.

Wichtig sei es, "in erster Linie, in der Bevölkerung Vertrauen durch eine transparente und sichtbare Verwendung der Einnahmen vom CO2-Preis zu schaffen", sagt Co-Autorin Mareike Blum, ebenfalls vom MCC. Das Klimageld sei wegen der transparenten Rückerstattung der CO2-Einnahmen hier besonders gut geeignet, außerdem helfe es den ärmeren Haushalten.

Alternative Möglichkeiten zur Rückgabe der Gelder, wie die Absenkung der Strom- oder der Einkommenssteuer, kommen in der Bilanz schlechter weg. Sie hätten zwar auch ökonomische oder verteilungspolitische Vorteile. Allerdings seien die für die Menschen kaum sichtbar. Das heißt: Die Entlastung wird gar nicht wahrgenommen.

In der Schweiz seit 2008

Dass auch Förderprogramme notwendig sind, um die Energiewende zu schaffen, daran lassen die Ariadne-Expert:innen keine Zweifel. Sie betonen aber: Die Finanzierung solle "grundsätzlich in dem Rahmen erfolgen, wie sie notwendig und sinnvoll ist, und sich nicht nach dem Umfang der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung richten". Sonst erhöhe sich das Risiko, dass die Programme zu knapp oder sogar zu üppig ausgestattet werden.

Mit anderen Worten: Es ist vor allem Finanzminister Lindners Job, mit seinem Etat dafür zu sorgen, dass genügend Geld dafür da ist. 

Folgt die Ampel-Regierung den Vorschlägen, können sich die Bürger:innen auf einen jährlichen Scheck oder eine Überweisung freuen.

Ähnlich wie in der Schweiz, wo bereits seit 2008 eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe erhoben wird und zwei Drittel der Einnahmen aus dem privaten Verbrauch als Pro-Kopf-Betrag zurückgezahlt werden. Analog geschieht das dort auch bei der Wirtschaft. Das restliche Drittel wird als Anschubfinanzierung für Energie- und Klimainvestitionen verwendet.

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