Klimareporter°: Herr Quaschning, das Bundeskabinett soll heute das Klimapaket beschließen. Es hagelt Kritik, seitdem es bekannt wurde. Aber was ist gut daran?
Volker Quaschning: Ich habe nichts gefunden.
Kein bisschen?
Was zählt, ist das Ergebnis: Mit diesem Klimapaket ist es unmöglich, die Klimaziele zu erreichen, die die Bundesregierung sich gesetzt hat.
Das Ziel für 2020 ist ohnehin verpasst, aber auch das 2030er Ziel ist so nicht zu schaffen. Statt der geforderten CO2-Reduktion um 55 Prozent gegenüber 1990 sind bestenfalls 40 Prozent drin.
Und für 2050 gibt es nur noch eine vage Absichtserklärung zur Klimaneutralität, die man eigentlich schon 2040 erreicht haben müsste, um das 1,5-bis-zwei-Grad-Limit aus dem Pariser Klimavertrag einzuhalten.
Das passt hinten und vorne nicht zusammen. Wenn ein Haus brennt und das wäre der Plan zum Löschen, dann muss man sagen: Das Haus ist verloren.
Vor einem Jahr hätte doch niemand gedacht, dass die Bundesregierung einen Einstieg in die CO2-Bepreisung beschließen würde ...
Richtig, aber ein CO2-Preis alleine – und schon gar nicht einer in dieser geringen Höhe von zehn Euro pro Tonne – nützt gar nichts. Selbst wenn die Regierung 10.000 Euro pro Tonne angesetzt hätte, würde das nicht ausreichen, weil sie gleichzeitig den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mehr voranbringt.
Für die Windkraft hat sie die möglichen Flächen durch die neue Abstandsregelung extrem eingeschränkt, und auch der Ausbau der Solarenergie liegt weit unter dem Pfad, der nötig wäre.
Das Klima kann man nur physikalisch schützen, vor allem, indem fossile Kraftwerke, Erdöl und Erdgas durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Der Preis hat ja nur eine Lenkungsfunktion, und die läuft unter diesen Bedingungen ins Leere.
Volker Quaschning
ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Vorher war er Projektleiter für Systemanalyse beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am DLR-Testgelände Plataforma Solar de Almería in Spanien.
Was ist also das größte Manko im Paket?
Es ist ein Sammelsurium von Maßnahmen, die alle so klein sind, dass man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann. Wir sind derzeit bei 14 Prozent klimaneutraler Energieversorgung, alle Sektoren zusammengerechnet. In den nächsten 20 Jahren müssten wir von diesen 14 auf 100 Prozent kommen.
Das heißt: Man müsste alle Schleusen zum Ausbau der Öko-Energien öffnen, um eine Chance haben, das zu schaffen. Davon ist die Bundesregierung weit entfernt. Zumal es auch bei der Energieeinsparung, dem zweiten wichtigen Stellhebel, nur minimal vorangeht.
Was nützt es zum Beispiel, die E-Mobilität zu fördern, wenn man nicht die nötigen Ökostrom-Mengen dazu liefert? Dann fahren die Leute mit Kohlestrom. Das ist Unsinn.
Zurück zum CO2-Preis. Die Grünen fordern, schon nächstes Jahr mit 40 Euro pro Tonne CO2 einzusteigen. Der Sprit würde auf einen Schlag zwölf Cent teurer. Drohen da keine Gelbwesten-Proteste?
Leute, die sich darüber aufregen, haben wir schon bei den drei Cent, wie es die Bundesregierung plant. Da geht es um wenige Euro im Monat, und selbst bei zwölf Cent wäre es für die meisten verkraftbar.
Die Politik muss die Dinge richtig erklären und, wo nötig, einen sozialen Ausgleich herstellen. Ein Drohnen-Angriff in Saudi-Arabien verursacht denselben Preisaufschlag, und alle schlucken es. Dabei könnte eine gute Klima- und Energiepolitik uns vor solchen Einflüssen schützen.
Die Grünen wollen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung über ein Energiegeld von 100 Euro pro Jahr an jeden Bürger zurückgeben. Richtiger Ansatz?
Ja, ohne eine solche Rückvergütung geht es nicht. Das ist wichtig für die Bürger, die dann erkennen: Der Staat will mich nicht schröpfen, er will tatsächlich das Verhalten in die richtigen Bahnen lenken. Nach diesem Modell verfährt ja auch die Schweiz.
Streng genommen müssten die Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung allerdings genutzt werden, um Klima-Anpassungsmaßnahmen zu finanzieren und die Schäden aufzufangen, die ja laut Umweltbundesamt heute schon 180 Euro pro Tonne betragen. Das Geld müsste eigentlich in einen Fonds fließen, der künftigen Generationen zur Verfügung steht, um Maßnahmen wie Deichbau, Umbau der Siedlungen und Anpassung der Landwirtschaft zu finanzieren. Aber das wird leider nicht passieren.
Sehen Sie Chancen, dass das Paket noch verbessert wird? Die Grünen wollen das über den Bundesrat durchsetzen.
Es wird marginale Verbesserungen geben. Statt zehn Euro wird das CO2 dann vielleicht 15 Euro pro Tonne kosten, und das wird dann als großer Erfolg verkauft. Dabei hat der EU-Emissionshandel gezeigt, der für Kraftwerke, Industrie und den Flugverkehr gilt: Ein solches Niveau bewirkt noch gar nichts.
Die Strategie der Koalition scheint zu sein, zuerst maximales Chaos zu verbreiten, dann einigt man sich, und am Ende sind alle froh, dass das Thema erst mal wieder vom Tisch ist.
Im geplanten Klimaschutzgesetz ist immerhin vorgesehen, dass die tatsächliche CO2-"Performance" der Ressorts wie Verkehr und Landwirtschaft jährlich überprüft und nachgesteuert wird, wenn sie den Reduktionspfad nicht einhalten.
Was dabei fehlt, sind klare Sanktionen, wenn ein Ressort immer zu wenig tut. Dann nur von Experten neue Maßnahmen aufzuschreiben zu lassen, reicht nicht. Wenn das nicht mit Sanktionen, zum Beispiel gekürzten Etats, verbunden wird, ist es mehr eine Beschäftigungs- und Beruhigungstherapie.
Herr Quaschning, Sie unterstützen die Fridays-for-Future-Bewegung. Was glauben Sie, wie lange wird sie noch durchhalten?
Der Frust in der jungen Generation wird durch eine so schwache Klimapolitik eher noch vergrößert. Ob das reicht, um weiterhin für Groß- und Dauerdemos wie bisher zu mobilisieren, kann ich nicht einschätzen. Es ist ja auch mit großem persönlichem Einsatz der jungen Leute verbunden, bis dahin, dass jemand ein Schuljahr wiederholen muss.
Wahrscheinlich wird sich die Art des Protests verändern. Möglicherweise werden viele der "Fridays" zu Extinction Rebellion gehen, die radikalere Aktionen machen, oder andere alternative Protestformen entwickeln.