Andreas Knie. (Bild: David Außerhofer)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung.

Klimareporter°: Herr Knie, am Freitag war wieder globaler Klimastreik von Fridays for Future. Ab morgen will die Letzte Generation mit einer "Wendepunkt-Phase" die Hauptstadt Berlin lahmlegen. Vor einer Woche haben Tausende stundenlang gegen die Automesse IAA protestiert. Hilft es der Verkehrswende, wenn die Klimabewegung immer stärker gegen die automobile Gesellschaft protestiert?

Andreas Knie: In Sachen Klimapolitik tut sich in Deutschland einfach nix. Die Subventionen in den fossilen Verkehr bleiben unangetastet, die deutschen Autobauer können mit Unterstützung des Staates und der Gewerkschaften immer größere und dickere Autos bauen, um sich mithilfe deutscher Steuergelder langsam aber sicher in den arabisch-asiatischen Markt zu verabschieden.

Die Autoindustrie, einst ein Treiber von Fortschritt und Wohlstand, ist zu einer großen industrie- und umweltpolitischen Hypothek geworden. Hallo Deutschland, wach werden! Hier helfen also nur radikale Protestformen. Leider.

Der Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung wird immer mehr zum zentralen Finanzierungsinstrument der Klimawende. 2024 sollen seine Ausgaben von 36 auf 58 Milliarden Euro steigen. Größte Posten sind Gebäudeförderung und EEG-Umlage. Auch Milliardenzuschüsse für Schienenwege und eine Chipfabrik sollen aus dem Fonds kommen. Keine Mittel sind bisher für das Klimageld eingeplant. Das ergab eine Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC. Wie finden Sie den Umgang mit dem Klimafonds?

 

Ein gutes Beispiel, wie in Deutschland Politik gemacht wird. Die Lobbyinteressen der Industrie setzen sich durch. Dabei sollten wir das Sondervermögen für die Rüstungsindustrie nicht vergessen.

Jetzt profitiert beim Klimafonds noch die Bauindustrie, natürlich im Namen des Klimas. Tatsächlich werden ohne Verstand weiter Häuser und Infrastruktur gebaut, wie wir das schon aus den 1950er und 1960er Jahren kennen.

Dabei wäre das Rezept einfach: Den CO2-Preis drastisch erhöhen und das Klimageld auszahlen, und wir hätten sofort einen riesigen Impact mit einer wirksamen sozialpolitischen Komponente.

Denn was wir immer vergessen: Rund 20 Prozent der Bevölkerung, die Reichen und Wohlhabenden, sind für rund 80 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Damit könnte man eigentlich wunderbar Politik machen.

Bund und Länder streiten weiter um die Finanzierung des Deutschlandtickets. Bundesverkehrsminister Wissing lehnt bisher eine höhere Kostenbeteiligung des Bundes ab. Zuerst sollen die Länder bei den Verkehrsverbünden und den Vertriebskosten sparen, fordert der FDP-Minister. Wenn Sie in die Glaskugel schauen, wird es das Ticket für 49 Euro auch 2024 geben?

Etwas abseits der ganz großen politischen Bühne findet gerade eine verkehrspolitische Tragödie statt. Bund und Länder verzanken sich und die Branche des öffentlichen Verkehrs zerlegt sich bei den Zukunftsaufgaben.

Statt einer Bahnreform bekommen wir das neue Bürokratiemonster Infra Go, das null Durchsetzungskompetenz hat, aber sehr teuer wird, während die Verkehrsverbünde wieder einmal zeigen, warum es bei ihnen nur eine Lösung geben kann: abschaffen.

Sie sind nicht in der Lage, ihr Flickenteppichdenken aufzugeben und eine wirklich bundesweit einheitliche Strategie für den Nahverkehr zu entwickeln, die ausschließlich an den Kunden ausgerichtet ist und nicht am eigenen Machterhalt.

Stand heute wird es im nächsten Jahr kein 49-Euro-Ticket mehr geben. Was aber nicht dramatisch wäre, weil es keine Wirkung erzielt hat. Mit einem 29-Euro-Ticket könnten wir eine Wende schaffen, aber dafür brauchen wir wahrscheinlich auch einen neuen öffentlichen Verkehr.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

San Francisco hat es gemacht: freie Fahrt für die sogenannten Robo-Taxen. Das ist in Deutschland undenkbar.

Hier haben die Sicherheitskräfte aus Prüfverbänden und Bundesbehörden alles im Griff und arbeiten gerade an Regeln für den Betrieb autonomer Fahrzeuge, die ein deutlich höheres Sicherheitslevel als bei den bestehenden Autos mit Fahrern vorschreiben.

Das ist in etwa so, als ob die Hersteller beim Zulassen ihrer Autos ein Zertifikat unterschreiben müssten, dass die von ihnen in den Verkehr gebrachten Autos garantiert keine Unfälle verursachen. Sollte es dennoch passieren, werden sie sofort aus dem Verkehr genommen.

Es kann uns also mit der neuen Teufelstechnik in Deutschland nichts passieren, es wird garantiert kein Mensch, kein Tier zu Schaden kommen. Dumm nur, dass dann eben auch gar nichts passiert.

Fragen: Jörg Staude