Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, die Deutsche Bahn hat in Hamburg das Pilotprojekt "Ioki" gestartet, bei dem Fahrgäste sich von einem Elektroshuttle von zu Hause abholen und zu einer Haltestelle fahren lassen können. Kann das Menschen fürs Umsteigen in den öffentlichen Verkehr begeistern?

Andreas Knie: Ein öffentlicher Verkehr ist nur dann leistungs- und damit zukunftsfähig, wenn er besser ist als das eigene Auto. Es genügt nicht mehr, nur Großgefäße wie Busse und Bahnen zuverlässig und bequem bereitzustellen, sondern es geht darum, Menschen vom Punkt A abzuholen und zum Punkt B zu bringen. Dazu gehören auch Fahrräder, Autos und Scooter und natürlich alle Arten von "On demand"-Verkehren, die jederzeit Transportwünsche sehr flexibel bedienen. Einmal einchecken und irgendwann wieder raus aus dem Verkehr. "Ioki" ist dazu ein notwendiger Baustein.

Die EU und China wollen im Klimaschutz stärker zusammenarbeiten. Könnte diese Kooperation die Verkehrswende voranbringen?

Von China lernen heißt, konsequent auf den E-Antrieb zu setzen und dabei den Anteil der Erneuerbaren jedes Jahr um mehr als 20 Prozent steigen zu lassen. Die Investitionen allein in Photovoltaik sind dort seit 2010 verdreifacht worden. China hat im vergangenen Jahr 53.000 Megawatt Solarkapazität neu installiert – Deutschland gerade mal 2.000 Megawatt! Chinas Energiebasis ist zwar immer noch die Kohle, aber die Veränderungen in den letzten zehn Jahren sind bereits so gravierend und radikal, dass wir hier in Deutschland nicht mehr mitkommen.

Auch auf EU-Ebene hat das deutsche Wirtschaftsministerium die Ausbauziele erfolgreich reduzieren können und eine europäische E-Auto-Quote ist – so, wie sie China einführt – ebenfalls auf Intervention aus Berlin aufgegeben worden. Stattdessen könnten die EU und China gemeinsam eine Region der postfossilen Mobilität ausrufen, dann hätte man die Märkte für die Zukunftstechnologien.

In Bayern hat der Verfassungsgerichtshof ein Volksbegehren zur Eindämmung des Flächenverbrauchs für ungültig erklärt. Das Problem bleibt aber. Wie lässt sich der Flächenverbrauch durch den Verkehr verringern?

Wir müssen endlich lernen, mit der Verkehrsfläche auszukommen, die wir haben. Sobald der Autoverkehr ins Stocken kommt, soll die Lösung immer noch der Neubau von Straßen sein. Es wäre besser, die Verkehrsströme insgesamt durch eine intelligente Raum- und Siedlungsplanung sowie durch flexible Arbeitszeiten einzudämmen und sie auf die unterschiedlichen Verkehrsträger besser zu verteilen.

Das Bewusstsein für eine Veränderung wird in der Bevölkerung immer größer, es gibt jede Menge neue digitale Technologie, aber Verkehrspolitik wird in Deutschland immer noch wie zu Adenauers Zeiten betrieben.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Wie schnell sich Populisten durchsetzen und zum Standard der Meinungsbildung auch in öffentlich-rechtlichen Medien werden. Wie kann man sich gleichzeitig vor allem schützen wollen, was auch nur irgendwie nach Ausländer aussieht, aber andererseits nach Albanien reisen, um Arbeitskräfte für die deutschen Pflegeberufe anzuwerben? Deutschlands Wohlstand beruht auf einer globalisierten Welt mit allen Vor- und Nachteilen.

Was wir lernen sollten, ist, dass wir dazu ein Einwanderungsgesetz brauchen. Denn es gilt immer noch die Erkenntnis von Max Frisch: Arbeitskräfte wurden gerufen, Menschen sind gekommen.

Fragen: Friedrike Meier

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