Andreas Knie (Bild: WZB)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung.

Klimareporter°: Herr Knie, bei der heutigen Wahl könnten als teilweise rechtsextrem eingestufte Rechtspopulisten, die auch den Klimawandel leugnen, um die 20 Prozent der Stimmen bekommen. Unterstützt werden sie von einer US-Administration, die alle demokratischen Werte über Bord wirft. Was ist los in der Welt?

Andreas Knie: Die Welt ist in Unruhe. Die Zusammenhänge werden immer komplizierter und praktisch stündlich wächst der Wunsch nach schnellen Lösungen.

Einfach mal machen, einfach mal entscheiden – so wie wir es alle aus den Westernfilmen kennen. Wie hatte es Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz so treffend gesagt: Es ist ein neuer Sheriff in der Stadt, und der räumt auf!

So hätten wir es doch alle gerne, und daraus ziehen Trump und Co auch ihre offene und klammheimliche Beliebtheit: Jeder kann alles, darf alles. Im Namen der Freiheit gibt es keine Einschränkungen mehr, und sollte es Probleme geben: Einfach draufhauen! Wem sollte das nicht gefallen?

Man fühlt sich zwar etwas an den Rattenfänger von Hameln erinnert, aber einfache Lösungen bestechen immer. Alles zu schön, um wahr zu sein. Denn diese Wahrheit liegt gemäß der Fußballweisheit von Otto Rehhagel "auf dem Platz" also auf der Aschenbahn oder auch im Schlamm, jedenfalls ist sie immer auszuhandeln.

Das meint: Während in den digitalen und auch öffentlichen Medien schnelle und einfache Wahrheiten hoch im Kurs sind, bleibt die Welt kompliziert und herausfordernd. Unterhalb des populistischen Sheriffgehabes wird weiterhin um die Klimaziele zu ringen sein, und die Antworten auf Lösungen werden nur in einer sehr aufwendigen Kompromisslandschaft zu suchen und zu finden sein.

Nach der Wahl kommt es hoffentlich zu einer neuen und stabilen Bundesregierung. Wenn Sie am Koalitionsvertrag mitschreiben könnten, welche drei Punkte müssten auf jeden Fall drin stehen?

Zu wünschen wäre in einem ersten und bescheidenen Schritt eine pragmatische Verkehrspolitik, die zumindest auch in Deutschland internationale Standards erreicht und nicht der Ideologie der "Freien Fahrt für freie Bürger" frönt.

Die Kernelemente sind einfach und sehr kostengünstig umzusetzen. Das sind ein generelles Tempolimit auf Autobahnen von 130 Kilometern pro Stunde, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten, die Beteiligung der Nutzenden an den Kosten der Straßenverkehrsinfrastruktur sowie ein Mindestpreis für die private Nutzung öffentlicher Parkflächen von 350 Euro im Jahr.

Noch vor dem Wahltermin einigten sich Deutsche Bahn und die Gewerkschaft EVG auf einen neuen Tarifvertrag. 192.000 Beschäftigte erhalten bis Ende 2027 etwa 6,5 Prozent mehr Gehalt. Auf Wunsch der Gewerkschaft wurden die Verhandlungen vorgezogen – die EVG soll befürchten, eine unionsgeführte Regierung könne den DB-Konzern aufspalten: in Fern- und Nahverkehr sowie das Schienennetz. Besteht dazu wirklich Sorge und was würde die Aufspaltung bedeuten?

Der Abschluss der EVG mit der DB AG erscheint – ohne weitere Kenntnis von Details – maßvoll. Das Problem liegt jenseits der Tarifeinigung: CDU, CSU und auch andere Parteien wollen die Bahn zerschlagen.

Das Irre an der Forderung ist: Die Bahn ist schon längst zerschlagen. Zwischen den Unternehmenseinheiten Netz und Fernverkehr, Regio sowie Cargo gibt es keine strategischen Verbindungen. Die Unternehmensteile operieren allein für sich.

Die Unionsparteien und andere Wettbewerbsökonomen glauben, die Schiene operiere wie die Straße mit sehr unabhängig voneinander arbeitenden Einheiten und Logiken und lasse sich daher durch einfache Wettbewerbsdynamik in Schwung bringen.

Dabei funktioniert die Schiene technisch gesehen als ein integriertes System aus Traktion und Trasse. Mit der zunehmenden Digitalisierung werden die Abhängigkeiten noch größer, die Züge werden immer automatischer und mehr und mehr vom Netz gesteuert.

Die Union argumentiert daher sachfremd, willkürlich und kontraproduktiv.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Das war die gemeinsame Erklärung des Verbandes der Verkehrsunternehmen VDV, des Bundesverbands Nahverkehr BSN und des Bündnisses für fairen Wettbewerb Mofair, dass es mit dem öffentlichen Personennahverkehr nicht mehr so weitergehen kann.

Klar, alle wollen für Busse und Bahnen im Nahverkehr mehr Geld, aber erstmals wird in der Erklärung eingestanden, dass die seit der Bahnreform gestarteten Ausschreibe-Orgien für Leistungen von Bussen und Bahne nur teuer sind und keinen Mehrwert für Kundschaft und Steuerzahlende bringen.

Der öffentliche Nahverkehr ist in seiner Organisationsform tatsächlich total überbürokratisiert und muss völlig neu organisiert werden. Auf keinen Fall geht es so weiter mit über 80 Verbänden und Verbünden. Sie müssen abgeschafft und durch schlanke Organisationseinheiten bei den Ländern und den Kommunen ersetzt werden.

Fragen: Jörg Staude

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