Winterliche Landstraße mit Schneeverwehungen auf einem Bildschirm, der ein vorausfahrendes Auto und mehrere Stellen an der Straße durch Rechtecke markiert und am Rand anzeigt: Rutschige Straße.
Autonomes Fahren muss auch im Winter, bei Regen oder großer Hitze sowie bei Baustellen funktionieren, wenn Spurmarkierungen und Verkehrszeichen schwer erkennbar sind. (Bild: Oskari Porkka/​Shutterstock)

Fahrerloses Fahren – Segen oder Fluch? Das ist noch offen. Manche hoffen, dass damit die Unfallzahlen und die Klimabelastung deutlich sinken, weil die "Roboautos" umsichtiger und sanfter fahren, Tempolimits einhalten und Privatautos ersetzen könnten.

Andere Fachleute befürchten eher negative Effekte: mehr Autoverkehr durch günstige Fahrpreise, einen Rückgang der Nutzung des öffentlichen Verkehrs, mehr Energieverbrauch durch sehr große Datenmengen – und damit jeweils negative Folgen für den CO2-Ausstoß.

Klar ist aber eines: Das autonome Fahren wird kommen – in den USA wurde nun ein Meilenstein dafür erreicht. Im Bundesstaat Kalifornien hat die zuständige Aufsichtsbehörde zwei Anbietern von autonomen Fahrdiensten eine erhebliche Ausweitung ihres Angebots erlaubt.

Die Unternehmen Cruise und Waymo dürfen ihre "Robotaxis" künftig rund um die Uhr im gesamten Großraum von San Francisco kommerziell anbieten. Bisher waren deren Angebote nur nachts respektive nur in einigen Stadtbezirken verfügbar, teils durften sie auch kein Geld von Fahrgästen nehmen.

Cruise ist eine Sparte des US-Autokonzerns General Motors, Waymo eine Schwestergesellschaft des Internetkonzerns Google in der Holding Alphabet.

50 Milliarden Gewinn für 2030 angepeilt

Erwartet wird, dass entsprechende Genehmigungen auch in anderen Städten erteilt werden, wenn der kommerzielle Großversuch positiv verläuft – es also keine technischen Probleme oder Unfälle gibt.

Anbieter Cruise sieht San Francisco als perfektes Testfeld für die Technik der Roboautos. Unternehmenschef Kyle Vogt sagte unlängst: "Wenn wir selbstfahrende Autos in einer Stadt wie San Francisco mit ihrem Nebel, ihren Hügeln und ihrem Verkehr fahren lassen können, dann werden sie so gut wie überall funktionieren."

Cruise und Waymo betreiben auch schon Robotaxis in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona, Cruise zudem im texanischen Austin. Zwei bis drei weitere Standorte sind geplant

Beide Anbieter setzen derzeit serienmäßige Elektroautos ein, die zu "Selbstfahrern" umgerüstet wurden, sie arbeiten aber auch an Wagen, die kein Lenkrad und keine Pedale mehr haben. Solche Fahrzeuge will künftig auch das Unternehmen Zoox einsetzen, das zum Amazon-Konzern gehört.

Weltweit gibt es neue kommerzielle Anbieter von Robotaxis, vor allem in den USA und China. Bisher schreiben die meisten von ihnen hohe Verluste, doch das soll sich ändern. Cruise zum Beispiel peilt für 2025 einen Umsatz von einer Milliarde US-Dollar an, 2030 sollen es sogar schon 50 Milliarden sein.

Polizei und Feuerwehr waren dagegen

Die Entscheidung der kalifornischen Kommission für öffentliche Versorgungsbetriebe pro oder kontra Robotaxi war wegen der kritischen Stimmung in der Stadt mehrfach vertagt worden. Sie fiel jetzt nach einer Anhörung, in der kontroverse Argumente ausgetauscht wurden.

Unter anderem Vertreter von Polizei und Feuerwehr sprachen sich gegen die Ausweitung aus und verwiesen darauf, dass im Weg stehende Robotaxis mehrfach Rettungseinsätze behindert hätten. Die Befürworter argumentierten, die Autos seien im Vergleich zu menschlichen Fahrern sicherer und zudem ein wichtiger Impuls für die Wirtschaft San Franciscos.

Beim Thema Umwelt und Klima sehen Befürworter Gewinne durch mehr Zeit- und Energieeffizienz. "Robotaxis" können zum Beispiel mehrere Personen an verschiedenen Abfahrtsorten mit ähnlichen Fahrzielen aufnehmen und auf der spritsparendsten Route befördern.

Denkbar ist, dass der Bedarf an Privatautos sinkt, wenn ähnliche Fahrzeiten erreicht werden und etwa der Parksuchverkehr wegfällt.

Studien dazu, sowohl in den USA wie hierzulande, sehen die realistischen Chancen für eine Verkehrswende durch das autonome Fahren jedoch skeptisch.

Studien sehen mögliche Rebound-Effekte

Ein Forschungsteam der Universität Michigan ermittelte 2019 in einer Studie, dass zwei Faktoren sogar mehr Verkehr erzeugen würden – erstens durch sinkende Kosten für die einzelnen Fahrten, zweitens durch die Möglichkeit, die Zeit im selbstfahrenden Pkw anderweitig produktiv zu nutzen, etwa um am Laptop zu arbeiten, Filme zu schauen, Zeitungen oder Bücher zu lesen.

Die zusätzlichen Fahrten könnten die von autonomen Fahrzeugen zu erzielenden Energieeinsparungen teilweise oder ganz zunichtemachen, so die Studie.

Auch eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe aus dem gleichen Jahr kam zu dem Ergebnis, dass die Klimaentlastung relativ gering ausfällt.

Der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor werde durch Automatisierung und Vernetzung bis 2050 gegenüber einem Szenario ohne diese neuen Technologien nur um 7,6 Prozent sinken. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich Verkehr von Bussen und Bahnen durch die Vorteile der Automatisierung, etwa die wegfallende Parkplatzsuche, hin zum Auto verlagert.

Beide Untersuchungen sehen es als entscheidend an, bei der Einführung des autonomen Fahrens auf diese Aspekte zu achten. In der Michigan-Studie wird zum Beispiel vorgeschlagen, bei autonomen Autos wesentlich höhere Standards für die Energieeffizienz anzulegen.

Die Fraunhofer-Fachleute wiederum warnen davor, dass Verkehr vom öffentlichen zum Individualverkehr verlagert wird. Diesen Rebound-Effekt gelte es zu vermeiden.

"San Francisco ist ein Reallabor"

Solange fahrerlose Autos – wie jetzt in San Francisco und zukünftig auch in deutschen Städten wie Hamburg – vor allem als Taxis oder gemeinschaftlich genutzte Kleinbusse unterwegs sind, dürfte sich diese Gefahr in Grenzen halten. Anders sieht es aus, wenn die Autobauer wie geplant über kurz oder lang alle Neuwagen mit der Selbstfahr-Technologie ausstatten.

Der Berliner Verkehrsforscher und TU-Professor Andreas Knie sieht in dieser Zwischenzeit die Chance, die Robotaxis zum "Gamechanger" für den öffentlichen Verkehr zu machen. Als digitalisiertes Anruf-Sammeltaxi könnte dann ein solches Fahrzeug alle bedienen – vor allen Dingen auch diejenigen, die bisher mit dem eigenen Auto fahren.

Das biete die Chance, die Zahl der Autos vor allem in den Städten zu verringern, sagte der Experte gegenüber Klimareporter°. Bisher seien die USA und China hier allerdings schneller als Deutschland, wo sich die geplanten Versuche mit autonomen Fahrzeugen etwa in Offenbach/​Darmstadt und München leider verzögerten.

Knie: "San Francisco hat sich zu einem riesigen Reallabor definiert, um genau die Frage zu klären, die alle umtreibt: Helfen uns die Robotaxis oder sind sie möglicherweise doch eher ein Problem?"

Redaktioneller Hinweis: Andreas Knie vom WZB ist Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°.

Anzeige