Auf rund 880.000 Hektar wird in Deutschland Winterraps für die energetische und technische Nutzung angebaut. (Bild: Michael Schwarzenberger/​Pixabay)
 

Klimareporter°: Herr Sauter, künftig müssen Hauseigentümer in Deutschland mehr klimaneutrale Gase einsetzen, um die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes zu erfüllen. Das wird häufig Biogas sein, da Wasserstoff knapp bleiben wird. Für 2030 rechnet Ihre Branche damit, dass sich die jährliche Erzeugung von Biomethan verfünffacht. Haben Sie schon den Sekt kaltgestellt?

Claus Sauter: Ehrlich gesagt, mit dem Gebäudeenergiegesetz habe ich mich im Detail nicht so beschäftigt. Ich halte es aber für wenig sinnvoll, Biogas im großen Stil einfach zu verbrennen. Volkswirtschaftlich macht das keinen Sinn.

Sie werden doch über steigende Nachfrage nicht unglücklich sein?

Als Unternehmen Verbio sind wir erfreut, wenn Markt und Absatz wachsen. Der Ansatz ist aber falsch, Biogas nur zu verbrennen. Wir müssen neue Wege gehen und schauen, welche erneuerbaren Energieträger wir zur Verfügung haben und wo sie jeweils den größten Nutzen bringen.

Verbio gehörte zu den ersten, die auf Biomethan im Verkehr gesetzt haben, und hat schon vor zehn Jahren angefangen, an Tankstellen Biomethan zu verkaufen. Wir sind dafür, Biomethan viel stärker im Verkehr einzusetzen, vor allem im Schwerverkehr.

Die Pkw-Flotte soll natürlich elektrisch werden.

Mir geht es dabei nicht allein um mehr Absatz. Am Ende muss das Ganze auch bezahlbar bleiben. Wir sehen doch, wohin in der Gesellschaft die Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz geführt haben.

Die Menschen vertrauen der Politik nicht mehr und wandern aus Frust ab zu den weit links oder rechts orientierten Parteien. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Beim Thema Klimaschutz müssen wir sehen, dass uns die Gesellschaft nicht auseinanderbricht.

In Deutschland haben wir, auch politisch induziert, eine steigende Nachfrage nach Biomethan und Biokraftstoffen im Verkehr. Dafür werden derzeit auf einem Siebentel der deutschen Ackerfläche sogenannte Energiepflanzen angebaut. Der Anteil wird aber sinken, aus ökologischen Gründen und weil andere Nutzungen wichtiger sind.

Zugleich wird das Potenzial, Bioenergie aus Abfall- und Reststoffen zu gewinnen, relativ gering bleiben. Wie kommen wir bei Biomasse aus dem Widerspruch von steigendem Bedarf und sinkender Verfügbarkeit heraus?

Wir brauchen da nicht rauszukommen. Wir müssen Biomasse nur besser nutzen. Sehen Sie, wir bei Verbio sind die ersten, die in großer Menge Biomethan ausschließlich aus Reststoffen und Stroh machen, das bisher ungenutzt geblieben ist. Und ja, wir verwenden auch Rapsöl zur Herstellung von Biodiesel, wir setzen kein Frittenfett ein.

Bild: Verbio

Claus Sauter

ist Mitgründer und seit 2006 auch Vorstands­vorsitzender der Verbio Vereinigte Bio­energie AG. Der studierte Wirt­schafts- und Sozial­wissen­schaftler übernahm 1990 den Familien­betrieb, einen Land­produkte­handel in Bayern. Danach leitete er mehrere von ihm mit­gegründete Gesellschaften in Bayern, Sachsen-Anhalt, Branden­burg und der Schweiz. Mit einem weiteren Vorstands- und einem früheren Aufsichts­rats­mitglied hält Sauter direkt oder indirekt rund 49 Prozent der Verbio-Anteile.

Biodiesel nennt es auch nur unsere Kundschaft, wir sprechen von Methylester. Denn wir machen aus dem Rapsöl auch wertvolle Nebenprodukte wie Styrol oder Glyzerin. Letzteres kommt zum Beispiel in die Zahnpasta.

Für solche hochwertigen Koppelprodukte brauchen wir einen hochwertigen Rohstoff wie Rapsöl. Wer will schon seine Zähne putzen mit Glyzerin, das von einer toten Katze oder einem verendeten Elefanten kommt?

In zwei Jahren werden wir auch so weit sein, aus Methylester gegen einen kleinen Mehrpreis Kunststoffe zu liefern, die zum Beispiel zur Herstellung wirklich robuster Skistiefel geeignet sind.

Wir stehen dazu, Rapsöl zu verwenden. Ich folge der Diskussion nicht, dass das etwas Schlechtes ist. Fakt ist doch, dass nur 30 Prozent von dem, was auf dem Acker wächst, auf dem Teller landet, 70 Prozent gehen durch irgendwelche Tiermägen.

Um die Verfügbarkeit von Biomasse entbrennt gerade ein regelrechter Kampf: Die Industrie will Plast-Ersatzstoffe daraus machen, die Landwirte wollen sie als Biokohle unterpflügen und dann CO2-Zertifikate verkaufen und die Energiewirtschaft will statt Kohle Holz verbrennen. Wo soll die ganze Biomasse herkommen? Muss Deutschland die künftig importieren?

An vorderster Stelle steht natürlich die Ernährung der Bevölkerung. Aber wir haben weltweit genug Getreide. Beispielsweise in den USA gehen jedes Jahr 150 Millionen Tonnen Mais ins Ethanol. So viel produziert Europa insgesamt an Mais.

Je nach Anwendung wird der Markt künftig über den Preis eine Rangfolge festlegen. Dort, wo sich mit den jeweiligen Rohstoffen die höchste Wertschöpfung generieren lässt und damit auch der beste Preis bezahlt werden kann – dorthin wird der Rohstoff dann gehen.

Der Dirigismus, den die Politik hier in Deutschland versucht, wird nicht funktionieren. Es ist besser, Leitplanken zu setzen und Anreize zu schaffen und nicht mit Verboten zu arbeiten.

Am Ende begrenzt aber die verfügbare Fläche das Angebot nicht nur an Biomasse, sondern an erneuerbaren Energien insgesamt. Ihre Kritiker sitzen ja nicht nur in den Umweltverbänden, sondern etwa auch in der Solarbranche. Die sagt seit Jahren, sie könnte ein Mehrfaches an Energie von derselben Fläche holen.

Wir nutzen am Ende doch auch Sonnenenergie, nur eben in gespeicherter Form. Wir können deswegen die Energie dann bereitstellen, wenn diese benötigt wird, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht. Wir sind Teil der Erneuerbaren. Solar- und Bioenergie sind kein Gegensatz.

Sie konkurrieren aber um denselben begrenzten Flächenpool.

Mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir war ich kürzlich in Brasilien. Da bekamen wir zu hören: Ist der Bedarf da, kann Brasilien die Produktion von Biomasse verdoppeln, ohne dass ein einziger Baum gefällt wird.

Verbio

Die Verbio Vereinigte Bioenergie AG, 2006 gegründet, ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Zörbig (Sachsen-Anhalt). Verwaltung und Geschäftsleitung befinden sich in Leipzig. Die AG ist Kern des weit verzweigten Verbio-Konzerns mit Niederlassungen in den USA, Kanada, Indien, Ungarn und Polen. Verbio gilt mit rund 1.000 Beschäftigten als einziger großindustrieller Produzent von Biodiesel, Bioethanol und Biomethan in Europa. Der Umsatz lag 2022 bei rund 1,8 Milliarden Euro und hat sich in den letzten Jahren rasch verdoppelt.

Wenn wir heute Ethanol nach Deutschland einführen, kostet das Zoll. Das heißt, wir verteuern künstlich den Import von Biomasse. Diese Barrieren müssen fallen. Dann ist auch genügend Energie aus Biomasse da.

So, wie wir heute Rohöl aus dem Nahen Osten importieren und früher Gas aus Russland bezogen haben, werden wir die erneuerbaren Energien ebenfalls importieren. Biomasse ist ein globales Thema. Wir brauchen uns hier in Deutschland nicht um die Flächen zu schlagen.

Deswegen ist Verbio auch nach Indien gegangen, in den Punjab. Im Oktober und November wird Indien von Rauchschwaden durchzogen, weil die Bauern Hunderte Millionen Tonnen Reisstroh verbrennen.

Wir haben im Punjab eine Anlage gebaut und machen jetzt aus Reisstroh Biomethan. Bevor wir mit Indien über CO2-Einsparung reden, sollten wir erstmal Voraussetzungen schaffen, damit das Reisstroh nicht mehr verbrannt wird.

 

Beim Wasserstoff geht die Bundesregierung davon aus, dass künftig bis zu 80 Prozent importiert wird – sofern diese Menge überhaupt jemals verfügbar ist. Wird Deutschland bei Biomasse eine vergleichbare Importnation?

Absolut. Vergleicht man allein den Aufwand, um ein Stromkabel von Marokko nach Deutschland oder Europa zu legen, ist Biomasse der vergleichsweise attraktivere Energieträger. Aber er muss in die öffentliche Debatte einbezogen werden. Wir dürfen in Deutschland nicht diese Schwarz-Weiß-Debatte um Bioenergie führen.

Wenn bei der Reise mit Habeck und Özdemir Brasilianer über erneuerbare Energien sprachen, stand Biomasse auf Platz eins, dann kam Wind und dann Sonne. Diese Verhältnisse dort sind einfach andere.

Von Brasilien ein Kabel nach Europa zu legen, um Strom zu beziehen, macht sicher keinen Sinn, aber es macht Sinn, von dort Biomasse zu holen. Zum Beispiel umgewandelt in verflüssigtes Biomethan – als Bio‑LNG.