Der Hafen von Barcelona ist als Startpunkt für die H2‑Med-Pipeline geplant, an die auch Deutschland angeschlossen werden soll. (Bild: Edward Donnelly)

Am Abend des 22. Mai 2022, also vor mehr als einem Jahr, hielt Bengt Bergt im Bundestag ein aufschlussreiches Plädoyer für den Bau von LNG-Infrastruktur an der deutschen Küste.

"LNG ist echt nicht der tollste Energieträger", sagte der SPD-Abgeordnete aus Schleswig-Holstein, in der Fraktion zuständig für Windenergie und Gasinfrastruktur. "Die Kühlung ist aufwendig, die Transportwege sind lang, und klimafreundlich ist es auch nicht." Flüssigerdgas sei nur eine Notmaßnahme, um die russischen Gasimporte kurzfristig zu begrenzen.

Gleichzeitig plädierte Bergt aber dafür, LNG als "Brückenenergie" für erneuerbaren, "grünen" Wasserstoff zu nutzen. "Künftig" könne die deutsche LNG-Infrastruktur auch für Wasserstoff genutzt werden.

Mehr als ein Jahr später gibt es noch immer keinen detaillierten Zeitplan für die Umstellung von LNG-Terminals auf grünen Wasserstoff, abgesehen von dem, was gesetzlich festgeschrieben ist: einer Genehmigungsfrist für Wasserstoff-Upgrades bis Januar 2035 und dem vollständigen Ausstieg aus LNG bis 2043. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat zwar schon mindestens 9,7 Milliarden Euro an Fördermitteln für die LNG-Infrastruktur bewilligt, doch für die Wasserstoff-Umstellung ist kein konkreter Betrag vorgesehen.

Grüner Wasserstoff, der das Versprechen eines CO2-neutralen Kraftstoffs in sich birgt, könnte vielseitig eingesetzt werden, von der Stahlerzeugung bis zum Lkw-Verkehr. Befürworter:innen des grünen Wasserstoffs behaupten, sein Einsatz sei notwendig, um das deutsche Netto-Null-Ziel für 2045 zu erreichen. Denn mit Wasserstoff ließen sich auch kritische Industriesektoren abdecken, die sonst nur schwer zu dekarbonisieren sind.

Interkontinentale Partnerschaften: Viele Worte, wenig Regeln

Die deutsche Ampel-Koalition übernahm im vergangenen Jahr eine globale Führungsrolle bei der Förderung von Partnerschaften zum Aufbau internationaler Lieferketten für grünen Wasserstoff. Bei Staatsbesuchen von Bundeskanzler Olaf Scholz in Chile, Kanada und Kenia wurden bilaterale Pläne zur Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft vorgestellt. In Europa hat die Bundesregierung zudem Spanien, Portugal und Irland als potenzielle grüne Wasserstoffquellen ins Auge gefasst.

So soll die neu geplante H2-Med-Pipeline zwischen dem spanischen Barcelona und dem Hafen von Marseille in Frankreich an den deutschen Markt angebunden werden. Das Projekt ist ein Kompromiss gegenüber dem ursprünglichen Drängen der Bundesregierung auf eine neue Erdgaspipeline von der Iberischen Halbinsel durch Frankreich bis nach Deutschland. Das Projekt der auf 2,5 Milliarden Euro geschätzten H2-Pipeline wird von der Europäischen Kommission unterstützt und kommt als Vorhaben von gemeinsamem Interesse für öffentliche Mittel der EU infrage.

Die spanische Umweltorganisation Ecologistas en Acción lehnt die H2-Med-Pipeline als "falsche Lösung für die derzeitige Energiekrise" ab und weist darauf hin, dass grüner Wasserstoff in Zukunft für bestimmte industrielle Prozesse nützlich sein könnte, der Export von Wasserstoff in großem Maßstab jedoch große Risiken berge, weil die Technologie sowohl für die Wasserstoffproduktion als auch für den Transport unausgereift sei.

Im August 2022 war Olaf Scholz nach Kanada gereist, wo er mit Premierminister Justin Trudeau ein Abkommen über eine Wasserstoff-Allianz unterzeichnete. Damit sollen die ersten Lieferungen von grünem Wasserstoff aus Kanada nach Deutschland bereits im Jahr 2025 beginnen, obwohl Kanada seine erste Exportanlage für grünen Wasserstoff erst noch errichten muss. Eine Partnerschaft zwischen den Häfen von Halifax und Hamburg rechnet damit, dass die Lieferungen von grünem Wasserstoff 2026 aufgenommen werden können.

LNG-Terminal Wilhelmshaven von Land aus gesehen.
Die LNG-Importanlage von Uniper im Hafen von Wilhelmshaven soll zu einer Drehscheibe für grünen Wasserstoff ausgebaut werden. (Bild: Edward Donnelly)

Blaine Higgs, Premierminister der kanadischen Atlantikprovinz New Brunswick, reiste im Mai zum Weltwasserstoffgipfel nach Rotterdam, um für den Export von grünem Wasserstoff aus dem Hafen von Belledune in seiner Provinz zu werben. Belledune hatte bereits im vergangenen August eine Wasserstoff-Hafenpartnerschaft mit Wilhelmshaven unterzeichnet.

Higgs, ein ehemaliger Geschäftsführer der Ölindustrie, setzte sich Anfang des Jahres dafür ein, das Fracking-Verbot für Schiefergas in New Brunswick aufzuheben, weil er darauf hoffte, das Gas in Form von Flüssigerdgas nach Europa zu exportieren.

Letzten Monat verurteilten führende Persönlichkeiten indigener Völker in New Brunswick laut Berichten des kanadischen Nachrichtensenders CBC Äußerungen von Higgs, wonach das Fracking in der Provinz letztlich auch ohne ihre Zustimmung stattfinden könne.

Ein Teil des Fracking-Gases könnte auch für die Herstellung von "grünem" Wasserstoff verwendet werden, der von Belledune aus geliefert wird. "Es könnte auch eine konventionelle Quelle geben, aber es wird eine umfangreiche erneuerbare Quelle benötigt", sagte Higgs im Mai gegenüber CBC.

Diese "konventionelle Quelle" könnte Erdgas oder sogar Strom aus dem Kernkraftwerk der Provinz sein. Der Geschäftsführer von Port Belledune, Denis Caron, sieht allerdings in teilweise durch Kernkraft erzeugtem Wasserstoff bereits ein potenzielles Problem für deutsche Käufer:innen.

Frühzeitige Bedenken

Kritiker:innen der aktuellen deutschen Von-LNG-zu-Wasserstoff-Pläne weisen darauf hin, dass es noch keinen kommerziell tragfähigen globalen Markt für grünen Wasserstoff gibt und auf längere Sicht ein LNG-Lock-in drohen könnte, wenn die Pläne für grünen Wasserstoff ins Stocken geraten.

Der weltweit erste Langstreckentransport von Flüssigwasserstoff auf dem Seeweg fand erst im Februar 2022 zwischen den Häfen Hastings (Australien) und Kobe (Japan) statt – ein Pilotprojekt zwischen öffentlichen australischen und japanischen Einrichtungen, das rund 360 Millionen US-Dollar Projektfinanzierung kostete.

Doch die historische Reise hatte ihre Tücken. Es handelte sich nicht um grünen, sondern um "braunen Wasserstoff", hergestellt mit Braunkohlestrom aus der australischen Provinz Victoria und auf minus 253 Grad verflüssigt. Kurz vor dem Verlassen der australischen Küste brach am 25. Januar 2022 auf dem Schiff ein Feuer aus, das von der australischen Verkehrssicherheitsbehörde als "schwerer Zwischenfall" eingestuft wurde.

 

Allerdings haben diese Probleme weder die deutsche Regierung noch Energie- und Industriekonzerne wie RWE, Uniper und Siemens davon abgehalten, ihre eigenen ehrgeizigen Wasserstoffpläne zu entwickeln. Für Uniper ist Wasserstoff "der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende".

Das Unternehmen plant, Wilhelmshaven zu einer Drehscheibe für grünen Wasserstoff zu machen, der per Schiff in Form von Ammoniak anstelle von Flüssigwasserstoff eingeführt werden soll. Uniper hofft, durch diese Importe sowie den lokal erzeugten grünen Wasserstoff aus dem Gigawatt-Elektrolyseur im Hafen von Wilhelmshaven im Jahr 2030 zehn bis 20 Prozent des vorhergesagten deutschen Wasserstoffbedarfs zu produzieren.

Edward Donnelly lebt und arbeitet als unabhängiger US-Journalist in Europa, wo er über globale Energie- und Umweltthemen schreibt. In diesem Beitrag berichtet er direkt aus Louisiana. Bisherige Beiträge des Autors in der Serie "Flüssigerdgas im Fokus":

  1. Was hinter dem globalen LNG-Boom steckt
  2. Deutsche Kreditgeber befeuern LNG-Boom
  3. G7-Länder importieren weiter russisches LNG
  4. Fracking-Gas strömt vermehrt nach Deutschland
  5. LNG als "Brücke" zu grünem Wasserstoff?