"Zügige Fortschritte" will die Bundesregierung während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft "bei der Finalisierung des Abkommens mit dem Mercosur" erzielen. Der Abschluss des Freihandelsabkommens mit den vier südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay soll, so heißt es im Arbeitsprogramm zum EU-Ratsvorsitz, bei der Bewältigung der Coronakrise helfen und zur "benötigten Wachstumsdynamik" beitragen.
Eine europäische "Führungsrolle für die Stärkung des offenen und regelbasierten internationalen Handelssystems" sei unverzichtbar, um die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie zu bewältigen, formuliert die Bundesregierung weiter.
Allerdings geht es beim Handelspartner Brasilien wenig regelbasiert zu, wie nun eine Studie von Wissenschaftler:innen aus Brasilien, Deutschland, Schweden und den USA zeigt. Das Papier wurde im Fachmagazin Science veröffentlicht.
Ein Fünftel des Sojas, das die EU aus Brasilien als Futtermittel für die Massentierhaltung bezieht, stammt demnach von Waldflächen, die kürzlich illegal gerodet wurden. Bei den Fleischimporten liegt die Quote bei 17 Prozent.
Damit weist die Studie erstmals den Zusammenhang zwischen Agrarhandel und Abholzung wissenschaftlich nach. Anders gesagt: Auch die EU und die europäischen Konsument:innen tragen eine Mitverantwortung für die Entwaldung in Brasilien.
Laut Studie werden so 58 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr zusätzlich freigesetzt, die zuvor in den gerodeten Wäldern gebunden waren.
Für ihre Untersuchung nutzten die Wissenschaftler:innen Karten und Datensätze zu über 800.000 Flächen im Amazonas-Gebiet und in dem südlich daran anschließenden Savannengebiet Cerrado.
Mittels einer eigens entwickelten Software konnten sie nachvollziehen, wie gut sich jeder einzelne Landbesitzer in den Jahren zwischen 2009 und 2017 an die Vorschriften gehalten hatte und wo legale oder illegale Rodungen stattfanden.
Mehr Soja- und Fleisch-Importe
Dabei zeigte sich, dass nur zwei Prozent der Agrarunternehmen für 62 Prozent aller illegalen Rodungen im Amazonas-Regenwald und im Cerrado verantwortlich waren.
Die Studie trägt denn auch den Titel "Die faulen Äpfel des brasilianischen Agrobusiness". Diese "schwarzen Schafe" müssten, fordert das Team um den Leitautor Raoni Rajão von der Universität von Minas Gerais in Belo Horizonte, durch strenge Regeln etwa im Mercosur-Abkommen gebremst werden.
"Im Augenblick erleben wir das Gegenteil", sagte die Europaabgeordnete Anna Cavazzini von den Grünen. "Präsident Bolsonaro baut systematisch jede Regelung zum Schutz des Regenwaldes ab." Das Mercosur-Abkommen werde zu einem weiteren Anstieg der Importe von Soja und Fleisch führen. "In so einer Situation", fürchtet die Politikerin und Handelsexpertin, "wirkt das Abkommen wie ein Brandbeschleuniger."
Zwar hat Bolsonaro letzte Woche die Abholzung im Amazonasgebiet (nicht aber im Cerrado) per Dekret für 120 Tage verboten. Zuvor hatten britische Supermärkte gedroht, brasilianische Produkte zu boykottieren, falls die Entwaldung weitergeht.
Auch brasilianische Abgeordnete und Senatoren protestierten gegen ein geplantes Gesetz, mit dem Bolsonaro illegale Abholzung und Landraub nachträglich legalisieren wollte.
Zuvor hatte die Abholzung erneut Höchststände erreicht. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2020 wurden 1.200 Quadratkilometer Regenwald gerodet, so viel wie noch nie seit Beginn der Datenerfassung 2015 und über 50 Prozent mehr als im Jahr 2019, in dem es bereits eine massive Steigerung gegeben hatte.