Ein Mähdrescher, fast völlig in einer Staubwolke verschwunden, bei der Maisernte in bergiger Gegend.
Maisernte im Breisgau: Silomais ist die wichtigste Energiepflanze. In Biogasanlagen wird daraus die Grundlage für "Bioerdgas" – das weder öko noch Erdgas ist. (Foto: Ilona March/​Couleur/​Pixabay)

Die Bundesregierung rechnet sich ihre CO2-Maßnahmen schön, mit denen sie das Klimaziel für 2030 erreichen will – diesem Vorwurf, mit dem der Biogasrat am Mittwoch in Berlin vor die Medien trat, ist gar nicht zu widersprechen. Auch nicht der Einschätzung seiner Spitzenvertreter, dass in den Ministerien oft nur noch so getan wird, als glaube man an die Erreichbarkeit der 2030er Ziele.

Zum Glück hat der Brachenverband, in dem sich größere Unternehmen der Biogas- und Biomethanbrache zusammengetan haben, auch ein Rezept parat, mit dem sich gerade beim klimapolitischen Katastrophenkind Verkehr die CO2-Emissionen schnell verringern ließen.

Zunächst weist Biogasrats-Chef Jörg Fischer darauf hin, dass weder durch die Elektromobilität noch durch Power-to-Gas-Lösungen schnelle Einsparerfolge im Verkehr zu erwarten sind. Um E-Mobile mit klimafreundlichem Ökostrom zu betanken und per Power-to-Gas genügend grünen Wasserstoff zu erzeugen, fehle es schlicht an den nötigen erneuerbaren Strommengen.

Aus Fischers Sicht unternimmt die Regierung deswegen "viel zu geringe Anstrengungen", um mithilfe von Biomethan die Verkehrs-Emissionen zu senken. Nach den am Mittwoch vorgelegten Zahlen des Branchenverbandes könnte das Biomethan-Potenzial von umgerechnet zehn Milliarden Kilowattstunden, über das die mehr als 200 inländischen Biogasanlagen derzeit verfügen, bis 2030 auf 120 Milliarden gesteigert werden, also auf das Zwölffache.

Biomethan, Bioerdgas

Als "Biomethan" oder "Bioerdgas" wird Gas aus Biogasanlagen bezeichnet, das anschließend so aufbereitet wurde, dass es Erdgas-Qualität hat. Normalerweise enthält Biogas viel CO2 und Schwefelwasserstoff und ist damit für etliche Anwendungszwecke nicht nutzbar. Deshalb werden diese Stoffe entfernt und der Methan-Anteil wird erhöht.

Das "Bio" in Biogas und Bioerdgas bedeutet nur, dass das Gas aus biologischem Material hergestellt wurde, mit Bio-Landwirtschaft hat es nichts zu tun. Im Gegenteil – die Rohstoffe für Biomethan stammen vor allem aus der industriellen Landwirtschaft.

In zehn Jahren könnten dann im Verkehrssektor jährlich bis zu 40 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden – anstelle der heutigen 3,4 Millionen Tonnen –, behauptet der Verband. Vorausgesetzt natürlich, Millionen von Pkw oder Lkw steigen auf Biomethan als Treibstoff um oder werden gleich mit dem richtigen Gastank ausgestattet.

Ein Anfang wäre hier schon zu machen, rät der Biogasrat, wenn die Hälfte der geltenden Biokraftstoffquote von sieben Prozent aus Biomethan bestritten werden müsste. Oder wenn sich die Autohersteller den Einsatz von Biomethan auf die in der EU geltenden CO2-Flottengrenzwerte anrechnen lassen könnten.

Derzeit aber steckt Biomethan in einer Nische des Nischenprodukts Biotreibstoffe fest. Derzeit bieten bundesweit nur etwa 150 Tankstellen 100-prozentiges Biomethan an sowie gut 300 Tankstellen Biomethan-Erdgas-Gemische, teilweise unter dem recht abstrusen Label "Bio-Erdgas".

Sehr optimistische Annahmen

Abgesehen von den Kosten, um Infrastruktur und Fahrzeuge auf Biomethan-Antrieb umzurüsten, geht die Einspar-Rechnung des Biogasrates aber nicht auf. Auch sie ist, wenn man so will, schöngerechnet.

Denn ein Teil des künftig Kraftfahrzeuge antreibenden Biomethans soll aus Anlagen kommen, die derzeit noch Strom und Wärme erzeugen, ab 2020 aber zunehmend aus der EEG-Förderung fallen. Die CO2-Reduktion, die bislang diesen Sektoren zugutekommt, wird dann auf den Verkehrssektor umverteilt. Jörg Fischer beziffert den Anteil dieser Anlagen auf rund 20 Prozent der 120 Milliarden Kilowattstunden.

Um diese Menge Antriebsenergie zu erzeugen, reiche die im Inland verfügbare Biomasse aus, erklärte Fischer auf Nachfrage ausdrücklich. Da gebe es noch Reserven, so werde erst 30 Prozent der Gülle für die Herstellung von Biogas genutzt.

Allerdings hält der Biogasrat auch am derzeitigen Umfang des Maisanbaus auf gut einer Million Hektar fest – Mais ist nach wie vor die wichtigste unter den "Energiepflanzen". Die sogenannten fortschrittlichen Bioenergie-Quellen wie Gülle, Stroh oder organische Abfälle reichten keinesfalls für die geplante Expansion aus.

Im Strom- und Wärmemarkt sieht der Lobbyverband offenbar keine große Zukunft mehr für die Branche. Biomethan ohne EEG-Zuschuss beispielsweise ins Gasnetz einzuspeisen, ist bei Erzeugerpreisen um sieben Cent pro Kilowattstunde nicht wettbewerbsfähig – angesichts eines aktuellen Erdgaspreises von etwa zwei Cent.

Da hilft auch nicht, dass beim Einsatz von Biomethan die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent sinken, während es beim Erdgas im Schnitt ein Drittel weniger ist. Ausgleichen könnte dies bei der Wärme nur eine spürbare CO2-Besteuerung, die weit jenseits des von der Bundesregierung geplanten Einstiegspreises von zehn Euro je Tonne müsste. Jüngst musste die Branche allerdings erstmal darum kämpfen, dass Biogas nicht wie Erdgas unter das Gesetz zum nationalen Emissionshandel fällt.

Als Kraftstoff im Tank sieht das Preisverhältnis anders aus. Da sei Biomethan gegenüber Diesel "nur geringfügig" teurer, betont der Biogasrat. Und fürs Erste wäre die Branche vermutlich auch zufrieden, wenn ein paar hunderttausend Autos und Lastwagen auf Biomethan umstiegen.

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