Mehrere Hochspannungsmaste auf einem Feld bei heiterem Himmel, am Horizont ein Kraftwerk.
Regelt das Erneuerbare-Energien-Gesetz künftig auch Stromimporte? (Foto: Huang Zheng/​Shutterstock)

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) hat am 6. April sein erstes Paket von Energiewende-Gesetzen vorgelegt, das sogenannte Osterpaket. Schwerpunkt ist, der Ressort-Zuständigkeit wegen, das Stromsystem und hier wiederum die längst erwartete Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das EEG 2023.

Das EEG heißt seit 2014 "Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien". Die entscheidende Größe im EEG ist dabei aber nicht die absolute Strommenge, sondern ein Quotient, und zwar der Anteil des erneuerbaren Stroms am Bruttostromverbrauch.

Quotienten mit Parametern, die in der Zukunft liegen, bieten Anlass zu politischen Spielchen nach dem Muster: Wir halten die Quotientenvorgabe ja ein, aber unsere Prognose für den Wert des Nenners – in diesem Fall den zu erwartenden Stromverbrauch – ist eben niedrig. Dann ist der Quotient rechnerisch höher als realistisch zu erwarten.

Dieses Tricks hatte sich die große Koalition bei der vorangegangenen EEG-Reform bedient, beim EEG 2021. Sie weigerte sich schlicht, den Ausbau der Erneuerbaren im erforderlichen Maße konkret ins Gesetz zu schreiben. Dabei half eben, dass die entscheidende Größe in den EEG-Novellen der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch ist, also der genannte Quotient.

Die Geschichte der EEG-Novellierungen weist hier eine lange Spur von Korrekturen auf. Die Angaben für den bis 2030 anzustrebenden Ökostrom-Anteil lesen sich in den vier zurückliegenden EEG-Novellen so:

  • 2012: 50 Prozent
  • 2014: etwa 50 Prozent
  • 2017: 65 Prozent
  • 2021: 65 Prozent

Viel vom Wenigen ist wenig

Bei der Gesetzesarbeit, die zum EEG 2021 führte, konnte das Wirtschaftsministerium unter dem damaligen Minister Peter Altmaier (CDU) schwerlich hinter die Zielgröße von 2017 zurückgehen. Die angestrebte Bremse beim Ausbau der Erneuerbaren musste anders eingebaut werden.

 

Diesen Zweck erledigte eine niedrige Prognose beim Stromverbrauch, im Nenner des Quotienten also. Zu der Prognose stand das Wirtschaftsministerium in Nibelungentreue, beschwor zwar Effizienzpotenziale, kam aber vonseiten der damals oppositionellen Grünen sowie der Experten in den Anhörungen schwer unter Beschuss.

Bereits der Stillstand in der Ambition bei 65 Prozent im Jahr 2021 richtete sich, genau genommen, gegen die Energiewende.

Zudem hatte die große Koalition in ihrer Klimapolitik einiges programmatisch aufs Gleis gesetzt, was nur mit deutlich mehr Ökostrom zu erreichen ist, vor allem ein deutliches Wachstum bei Elektromobilität und Wärmepumpenheizungen – und nicht zuletzt die Nationale Wasserstoffstrategie.

Die Strategie sieht einen Wachstumspfad bei Wasserstoff-Elektrolyseuren bis auf 5.000 Megawatt Leistung im Jahr 2030 vor. Das allein bedeutet einen zusätzlichen Strombedarf von 20 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr, der aus neuen Ökostromanlagen gedeckt werden soll.

Die FDP hat noch nicht zugestimmt

Der Ambitionsstillstand soll nun mit dem Entwurf zum EEG 2023 im Osterpaket beendet werden. Doch die neue Beschlusslage des grün geführten Wirtschaftsministerium ist in der Ampelkoalition noch nicht in trockenen Tüchern. Die Abstimmung mit der FDP steht teilweise noch aus – das sagen die Beteiligten ganz offen.

Ziel im aktuellen EEG-Entwurf ist: "Im Jahr 2030 sollen mindestens 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, und bereits im Jahr 2035 soll die Stromversorgung fast vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden."

Deutschland wolle damit einer Empfehlung der Internationalen Energieagentur IEA folgen, heißt es weiter. Die Bundesrepublik ziehe mit anderen OECD-Staaten wie den USA und Großbritannien gleich, die eine klimaneutrale Stromversorgung für 2035 anstreben.

Eine weitere Errungenschaft des Osterpakets, niedergelegt im Gesetzentwurf zur Revision der Stromnetzplanungsprozesse, ist die Netzplanung "vom Ende her": Bis 2045 ist ein "Klimaneutralitätsnetz" samt Zwischenschritten auf dem Weg dahin in drei Varianten zu planen.

Wieso allerdings für diesen Teil des Gesetzespakets 2045 das Zieljahr sein soll, wo in anderen Gesetzen die Klimaneutralität beinahe schon 2035 erreicht werden soll, ist unverständlich. Das passt nicht zusammen.

Verschiebung beim Langfristziel

Im Zentrum des Ampel-internen Konflikts mit den Liberalen dürfte ein Änderungsansinnen für das EEG 2023 stehen. Dabei wurde äußerlich wenig, aber inhaltlich viel geändert.

Porträtaufnahme von Hans-Jochen Luhmann.
Foto: Wuppertal Institut

Jochen Luhmann

studierte Mathematik, Volks­wirtschafts­lehre und Philosophie und promovierte in Gebäude­energie­ökonomie. Er war zehn Jahre als Chef­ökonom eines Ingenieur­unternehmens und 20 Jahre am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie tätig. Er ist Heraus­geber der Zeit­schrift Gaia und Vorstands­mitglied der Vereinigung Deutscher Wissen­schaftler.

Das Langfristziel für das Stromsystem lautet bislang in allen EEG-Fassungen, von der ersten im Jahr 2000 bis zur aktuellen im EEG 2021: "Vor dem Jahr 2050" wird der gesamte Strom, der im Bundesgebiet "erzeugt oder verbraucht wird, treibhausgasneutral erzeugt" – so ist es stets in Paragraf 1, Absatz 2 formuliert.

Im Entwurf des EEG 2023 wird die übergeordnete Zielformulierung in den Absatz 1 verschoben. Ziel ist demnach "eine nachhaltige und treibhausgasneutrale Stromversorgung, die vollständig auf erneuerbaren Energien beruht".

Einen konkreten Termin dafür sucht man in dem Paragrafen vergebens. Also gilt hier vor allem das in Absatz 2 des EEG-Entwurfs formulierte Ziel für 2035. Danach soll "ab dem Jahr 2035 die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral erfolgen".

Zugleich ist auch das ebenfalls in Absatz 2 formulierte Ziel für 2030 zu beachten: Danach soll der Erneuerbaren-Anteil am Bruttostromverbrauch "auf mindestens 80 Prozent im Jahr 2030 gesteigert werden".

Scheibchenweise

Damit wird im Entwurf des EEG 2023 nicht nur in der zeitlichen Ambition etwas geändert. Auffällig ist auch das scheibchenweise Vorgehen:

  • 2030: inländische Stromerzeugung zu 80 Prozent aus Erneuerbaren
  • 2035: inländische Stromerzeugung treibhausgasneutral
  • Langfristziel nach 2035: Versorgung treibhausgasneutral, aber verschärft durch das Kriterium "allein aus erneuerbaren Energien"

Unzweideutig formuliert findet sich das im EEG-2023-Entwurf Gemeinte in einem Satz in der Gesetzesbegründung zusammengefasst: "Innerhalb von weniger als anderthalb Jahrzehnten soll der in Deutschland verbrauchte Strom nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden."

Die Attribute "treibhausgasneutral" und "allein aus Erneuerbaren" sollen dabei offenbar auch für importierten, also nicht in Deutschland produzierten Strom gelten. Diese Bedingung will das Wirtschaftsministerium offensichtlich setzen.

Strom aus anderen Quellen wie Atomstrom oder Strom aus fossilen Kraftwerken mit CCS soll nicht der Zielstellung des EEG genügen. Dieser Strom könnte zwar treibhausgasneutral sein, stammt aber nicht aus erneuerbaren Quellen.

Kernkraft-Streit spaltet die EU

Die Änderungen beim EEG-Ziel werden, falls sie beschlossen werden und nicht nur Symbolik sein sollen, Konsequenzen im Binnenmarkt der EU haben.

Es geht um die Stromgewinnung aus Kernkraft. Deren Gleichrangigkeit mit erneuerbaren Energien war auf EU-Ebene zuletzt eine Streitfrage, als es um die Taxonomie-Verordnung zur Klassifizierung nachhaltiger Investitionen ging.

Allen Beteiligten musste klar sein: Die Kernkraftfrage, zieht man sie hoch, führt zur Spaltung zwischen Frankreich und Deutschland.

Dessen ungeachtet haben die Grünen, mit breiter Unterstützung von Umweltverbänden und Medien, entschieden, die Taxonomie-Frage trotz minimaler Erfolgsaussichten zum Großthema zu machen. Wären sie damit auf europäischer Ebene erfolgreich, würde das lediglich eine geringe finanzielle Schlechterstellung der Kernkraft gegenüber der erneuerbaren Stromerzeugung bedeuten.

Beim EEG-Ziel geht es hingegen nicht um eine "Mehr oder weniger"-Entscheidung, sondern um eine Ja-Nein-Entscheidung. Die müsste zudem noch die Hürden des EU-Wettbewerbsrechts überwinden. Die Erfolgsaussichten scheinen gering.

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