Transport eines extrem langen Windrad-Rotorblatts mit Sattelschlepper und Nachläufer auf einer Landstraße durch hügeliges schottisches Weideland.
2015: Transport der damals größten Onshore-Turbinenblätter Großbritanniens zu einem Windpark in Schottland. (Foto: Shell Asp/​Wikimedia Commons)

Großbritannien soll seine Stromversorgung schon bis 2035 komplett auf CO2-freie Energien umstellen. Das hat Premierminister Boris Johnson auf dem Parteitag der Tories in Manchester angekündigt.

Ziel sei neben dem Klimaschutz, das Land unabhängiger von Energieimporten zu machen und die Energierechnungen der Bürger zu senken, sagte Johnson. Sich auf "eigene saubere Energie" zu stützen werde helfen, die Preise niedrig zu halten.

Derzeit erlebt Großbritannien, das bisher stark auf Erdgas setzt, eine Krise wegen eines Preisschubs in diesem Sektor, der das Land stärker trifft als andere Staaten.

Die britische Regierung will sich vor der UN-Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow Anfang November als Klimaschutz-Vorreiter präsentieren. Johnsons Ankündigung wird als Schritt dazu gesehen.

Bislang hat sich Großbritannien zwar das im Vergleich mit anderen Industrieländern sehr ambitionierte Ziel gesetzt, seinen gesamten CO2-Ausstoß bis 2030 um 68 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken. Die bisher konkret geplanten Maßnahmen reichen dafür jedoch nicht aus.

Ein Zehn-Punkte-Plan der Regierung für eine grüne industrielle Revolution vom November 2020 setzt auf mehr Windkraft, Solarenergie und eine Wasserstoffwirtschaft, aber auch auf neue Atomkraftwerke und auf CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS).

"Deutschland steht nun unter starkem Druck"

Vor allem die Offshore-Windparks sollen ausgebaut werden. Bisher verfügt Großbritannien hier über eine Kapazität von rund 10.000 Megawatt, sie soll bis 2030 vervierfacht werden. Damit könnten dann rechnerisch alle britischen Haushalte mit Ökostrom versorgt werden. Schon in drei Jahren sollen in dem Land die letzten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden.

Interessant ist Johnsons Kurs auch angesichts der aktuellen Koalitionssondierungen in Deutschland. Die bisherige Bundesregierung hat als Ziel einen Ausbau der Ökostromgewinnung bis 2030 auf 65 Prozent gesetzt, Kohle soll aber noch bis 2038 weiter genutzt werden.

Die SPD will Deutschland bis 2040 komplett auf erneuerbare Stromversorgung umstellen, die Grünen bis 2035, die FDP lehnt fixe Ausbauziele ab. Nach Berechnungen des Thinktanks Energy Watch Group wäre eine 100-Prozent-Ökostromversorgung sogar schon 2030 möglich.

Großbritanniens Strommix

Bislang stammt der Großteil des britischen Stroms aus Gaskraftwerken, 2019 lieferten sie 40 Prozent. Erneuerbare Energien produzierten 37 Prozent des Stroms – der Großteil kam aus Bioenergie-Anlagen sowie Windanlagen vor der Küste und an Land. Aus Atomkraftwerken stammten 17 Prozent des Stroms. Öl und Kohle lieferten drei beziehungsweise zwei Prozent. (sk)

Der Experte Phil MacDonald vom britischen Thinktank Ember kommentierte Johnsons Ankündigung so: "Länder wie Deutschland stehen nun unter starkem Druck, ihre Ambitionen zu erhöhen." Großbritannien plane sogar, bis 2035 aus Erdgas auszusteigen, während Deutschland nach jetzigen Plänen die CO2-intensivere Kohle noch bis 2038 nutzen wolle.

Die Internationale Energieagentur IEA hat für die Industrieländer als Ziele ausgegeben, den Stromsektor bis 2030 kohlefrei und bis 2035 völlig emissionsfrei zu machen. Damit würden sie laut IEA einen fairen Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel leisten.

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