Ein Windpark, eine Solar-Freiflächenanlage und Stromleitungen auf einem Feld.
Bei der Energiewende soll geklotzt statt gekleckert werden – aber nicht überall. (Foto: Jens Ickler/​Elxeneize/​Shutterstock)

Warum das Gesetzesbündel Oster-Paket heißt, demonstrierte Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) heute in der Bundespressekonferenz, indem er einen Papierstapel hochhob: 600 doppelt bedruckte Seiten.

Es dürfte sich, so Habeck, um das "größte energiepolitische Gesamtpaket" der letzten zwei Jahrzehnte handeln. Novelliert wird nicht nur das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), auch das Windenergie-auf-See-, das Energiewirtschafts-, das Bundesbedarfsplan-, das Netzausbaubeschleunigungs- und weitere Gesetze werden geändert.

Für die Schnelligkeit, mit der die Regierung die 600 Seiten erstellte, dankte der Wirtschaftsminister den anderen Ressorts und besonders dem Koalitionspartner FDP. Die von der FDP heute vorgebrachten Bedenken, so Habeck abwiegelnd, beträfen lediglich den weiteren Ausbaupfad nach 2030 sowie die Frage, ob die sogenannten Contracts for Difference bei Windkraftanlagen auf See hilfreich seien.

Habeck wiederholte seine gegenüber der FDP in dem Zusammenhang gegebene Zusage, dass die formale Abstimmung im Kabinett zu den erwähnten Punkten nicht bindend sei.

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler war Habeck heute nahezu parallel in die Parade gefahren. Köhler erklärte, vor allem der EEG-Entwurf sei "weit davon entfernt, im Bundestag eine Mehrheit zu finden". Die FDP habe im Kabinett lediglich formal zugestimmt, um bei diesem wichtigen Gesetz nicht unnötig Zeit zu verlieren. Alle Koalitionspartner seien sich einig, so Köhler, dass zentrale Aspekte noch im parlamentarischen Verfahren geklärt werden müssten.

Köhler wies auch darauf hin, dass das Ziel eines klimaneutralen Stromsystems für 2035 bereits in den Koalitionsverhandlungen verworfen worden sei, da die dafür notwendigen klimaneutralen Gaskraftwerke mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) in Deutschland ebenso ausgeschlossen seien wie die Weiternutzung der Kernenergie.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch kündigte lediglich an, dass die Gesetzentwürfe nun zügig beraten und überall dort, wo weitere Verbesserungen möglich seien, nachgeschärft würden.

Auch für Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden geht es jetzt darum, das hohe Tempo zu halten und das Gesetzespaket bis zum Sommer zu verabschieden. Dann seien die Länder am Zug – sie müssten die geschaffenen Potenziale für die Energiewende ausschöpfen. "Dabei darf es keine Blockaden etwa durch irrwitzige Abstandsregelungen bei Windkraft geben", betonte Verlinden.

Geringere Förderung bei Eigenverbrauch

Das Paket bekräftigt die bekannten Ziele der Ampel für den Erneuerbaren-Ausbau: 2030 soll der Strom in Deutschland zu 80 Prozent erneuerbar sein. Gerechnet wird dann mit einem Ökostrom-Bedarf von jährlich 600 Milliarden Kilowattstunden. Zum Vergleich: In den letzten Jahren wurden jeweils zwischen 240 und 250 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom erzeugt.

2035 soll dann der Strom nahezu vollständig erneuerbar sein. Besonders ehrgeizig erscheint dabei das Ausbauziel bei der Photovoltaik mit einem geplanten Zuwachs von 22.000 Megawatt pro Jahr. 2030 soll eine Solarstrom-Kapazität von 215.000 Megawatt installiert sein.

Die aktuellen Gesetzentwürfe enthalten auch Regelungen, die in den letzten Wochen aus den Erneuerbaren-Branchen teilweise scharf kritisiert wurden.

So sollen neue Photovoltaik-Anlagen, die auch der Eigenversorgung dienen, wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile eine geringere EEG-Förderung erhalten als die Anlagen, die sämtlichen Strom ins Netz einspeisen. Die neuen Vergütungsregeln sollen schon für das laufende Jahr gelten.

Auf Kritik daran reagierte Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen mit der Bemerkung, bei der Regelung gehe es darum, die Dächer mit Photovoltaik vollzubekommen, und nicht darum, Eigenverbraucher – sogenannte Prosumer – zu benachteiligen. Das Ergebnis solle möglichst viel Photovoltaik sein.

Der Ausbau der Offshore-Windkraft soll nach dem Willen Habecks künftig auf zwei Säulen gestellt werden. Neben bereits voruntersuchten Meeresflächen werden auch bisher nicht voruntersuchte Flächen ausgeschrieben. Diese noch nicht erschlossenen Flächen seien dann von den Firmen selbst zu entwickeln, erklärte der Minister.

Laut dem Gesetzentwurf soll das Verbot von Windenergie in Meeresschutzgebieten durch eine Einzelfallprüfung ersetzt werden, ob durch den Bau der Schutzzweck beeinträchtigt wird.

Bei Biomasse soll die Förderung nach wie vor stärker auf flexible Spitzenlastkraftwerke konzentriert werden. Im Gegenzug sollen die Ausschreibungsmengen für traditionelle Biomasse reduziert werden. Biomethan soll künftig nur noch in hochflexiblen Kraftwerken eingesetzt werden.

Keine Maßnahmen für Gebäude und Verkehr

Dass im Osterpaket keine Maßnahmen für Gebäude und Verkehr vorgesehen sind, kritisierte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) als "klaffende Fehlstelle". Besonders schmerzlich vermisst die DUH-Geschäftsführerin im Gebäudebereich die Anhebung der Effizienzstandards, die Sanierungspflicht für bestehende Gebäude sowie ein Einbauverbot für Gasheizungen im Neubau.

Darum sei in den vergangenen Tagen und Wochen innerhalb der Bundesregierung gerungen worden, erinnerte Metz. "Durchgesetzt haben sich offenbar die Bremser von SPD und FDP – in krachendem Widerspruch zum Klimaschutzgesetz und dem erst gerade veröffentlichen Bericht des Weltklimarates."

Für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte Geschäftsführer Ingbert Liebing, dass Solar-Dachanlagen wieder eine angemessene Förderung erhalten sollen. Allerdings sehe der Entwurf nach wie vor keine Erhöhung des Mieterstromzuschlags vor.

Die geplante Sonderregelung für Bürgerenergiegesellschaften, einen Wind- oder Solarpark gefördert zu bekommen, ohne sich an einer Ausschreibung zu beteiligen, decke nur einen Teilbereich der Bürgerenergie ab, so Liebing weiter. Der VKU fände es auch unterstützenswert, wenn Unternehmen Windparkanteile an örtliche Bürgergenossenschaften veräußerten.

Nach Ansicht des Biogasrats blockieren die beschlossenen Gesetzentwürfe gar die Weiterentwicklung von regenerativen Energieträgern wie Biomethan und Biogas. Statt die Potenziale der grünen Gase zu heben und die Energiepreise zu senken, würden Ausbau und Nutzung der Bioenergie erneut ausgebremst, beklagte Janet Hochi vom Biogasrat, einer Vertretung größerer Unternehmen der Branche.

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