Garzweiler
Der Tagebau Garzweiler im Rheinland. (Foto: Bert Kaufmann/​Flickr)

Fast auf den Tag genau neun Monate ist es her, seit die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, besser bekannt als Kohlekommission, ihre Ergebnisse verkündet hat. Aber welche Blöcke welcher Kohlekraftwerke wann vom Netz gehen sollen, steht noch immer nicht fest. Damit ist auch noch nicht sicher, ob für die Braunkohle weitere Dörfer abgebaggert werden.

Vertreter von Umweltverbänden, die teilweise auch in der Kohlekommission vertreten waren, haben sich deshalb nun mit einem offenen Brief an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) gewandt. "Geben Sie den Garzweiler-Dörfern eine Zukunft", fordern Christiane Averbeck von der Klima-Allianz, der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger, DNR-Chef Kai Niebert und Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser.

Nach den Plänen des Kohlekonzerns RWE sollen die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich sowie die Holzweiler Höfe noch für den Braunkohletagebau Garzweiler II im Rheinland abgerissen werden.

Moratorium für den Hambacher Forst

Nach Ansicht der Umweltverbände ist das mit dem Beschluss der Kohlekommission unnötig: Im Bericht der Kohlekommission heißt es, dass 5.000 Megawatt Braunkohle bis Ende 2022 stillgelegt werden sollen. 2.000 Megawatt davon steuern die von 2017 bis 2020 vereinbarten Abschaltungen in West und Ost innerhalb der sogenannten "Sicherheitsbereitschaft" bei.

Die weiteren rund 3.000 Megawatt sollen nach Ansicht der Umweltverbände bis Ende 2022 von den beiden RWE-Kraftwerken Neurath und Niederaußem hinzukommen." Stilllegungen unterhalb der Kapazität von 3.100 Megawatt sind deshalb völlig inakzeptabel und stellen einen Bruch mit dem Kompromiss zum Kohleausstieg dar", heißt es in dem Brief. Es sei unabdingbar, diese Abschaltungen in vollem Umfang an den Standorten Neurath und Niederaußem vorzunehmen, um den Hambacher Forst und die Garzweiler-Dörfer zu erhalten.

Die Verbände fordern ein Moratorium für den Hambacher Wald und die betroffenen Dörfer, bis die Vereinbarungen zur Abschaltung der Kraftwerke gesetzlich fixiert sind. Ein Moratorium zumindest für den Hambacher Wald hatte Ministerpräsident Laschet zwar schon versprochen, aber noch nicht in die Wege geleitet. Derzeit darf der Wald nicht weiter abgeholzt werden, weil eine Klage des Umweltverbandes BUND anhängig ist.

Für den Braunkohleausstieg wird derzeit noch mit den Kohlekonzernen verhandelt. "Wir erwarten von Ihnen, dass Sie bei den laufenden Verhandlungen um den Ausstieg aus der Braunkohle für den Erhalt der Dörfer und des Hambacher Waldes durch die Abschaltung der alten Blöcke an den Standorten Niederaußem und Neurath sorgen", heißt es im offenen Brief der Umweltverbände.

Umweltverbände sehen Kohleausstieg in Gefahr

Während die Bundesregierung sich sehr beeilt, die vielen aus ihrem "Klimapaket" resultierenden Gesetzentwürfe zu beschließen, ist vom Kohleausstiegsgesetz für die Braunkohle noch immer nichts zu hören. Aus den Beschlüssen der Kohlekommission wurde bisher lediglich das "Strukturstärkungsgesetz" verabschiedet. Für das Steinkohleausstiegsgesetz gibt es einen Entwurf, der einen Ausstieg per Ausschreibungen vorsieht.

Laut Medienberichten plant die Regierung, die Gesetze zu Stein- und Braunkohle am 20. November zu beschließen. Auf eine entsprechende Anfrage von Klimareporter° antwortete das Bundeswirtschaftsministerium lediglich, dass der Gesetzentwurf für ein Kohleausstiegsgesetz im November vorgelegt werde. Der Zeitplan, der auch im Klimaschutzprogramm 2030 festgehalten wurde, sei unverändert gültig. Dort ist zu lesen, dass "spätestens im November" auch die gesetzlichen Regelungen zum Kohleausstieg beschlossen werden sollen.

"Das ist eine Verzögerungstaktik vonseiten der Bundesregierung", sagte Antje Grothus, Vertreterin der rheinischen Tagebaubetroffenen, im Gespräch mit Klimareporter°. "RWE nutzt diese Taktik aus, indem der Konzern in den Dörfern und am Wald weiterhin Fakten schafft", kritisiert sie. Laschet könne sich als "Landesvater" für die Dörfer einsetzen, wenn er es denn wolle.

Dass die Gesetze noch in diesem Jahr durch Bundestag und Bundesrat kommen, wenn sie erst im November im Kabinett beschlossen werden, bezweifeln die Verfasser eines weiteren Briefes, die ehemalige Mitglieder der Kohlekommission schon Anfang Oktober an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) richteten. "Damit das Ausstiegsgesetz für Braun- und Steinkohle rechtzeitig in Kraft treten kann, muss der Entwurf von Ihnen spätestens noch im Oktober vorgelegt und vom Bundeskabinett verabschiedet werden", heißt es dort.

Die Verfasser – neben den in der Kohlekommission vertretenen Umweltverbänden BUND, Greenpeace und DNR auch Rainer Priggen vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW und Antje Grothus – pochen darauf, dass im Jahr 2020 die ersten Kohlekraftwerke vom Netz gehen müssen. "Klimapolitisch ist das unabdingbar", heißt es in dem Brief.

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