Grafik: Altersstruktur der Steinkohlekraftwerke in Deutschland.
Deutsche Steinkohlekraftwerke, die Ende 2016 noch in Betrieb waren. Rund 13.000 Megawatt davon sind vor 1990 gebaut worden und waren noch nicht zur Stilllegung angemeldet. Für diese Altmeiler werden die Betreiber dank Ausschreibung noch eine erhebliche Entschädigung herausschlagen können. (Grafik: Öko-Institut/Flickr)
 

Nach Monaten des Zögerns bekommt der Kohleausstieg langsam gesetzgeberische Konturen. Nach dem sogenannten "Strukturstärkungsgesetz", das vor allem für die Braunkohleregionen gedacht ist, aber auch eine gute Milliarde Euro Hilfen an Gegenden mit Steinkohlekraftwerken verteilt, wurde jetzt ein Entwurf für ein Gesetz "zur schrittweisen und stetigen Reduzierung und zur Beendigung der Steinkohleverstromung" aus dem Haus des Bundeswirtschaftsministers bekannt. Der Entwurf liegt Klimareporter° vor.

Von den Zahlen her hält sich der Gesetzentwurf eins zu eins an den Kohlekompromiss aus dem Januar dieses Jahres. Von den aktuell rund 20.000 Megawatt Steinkohle-Kapazität sollen Anfang 2023 noch 15.000 Megawatt Strom liefern, Anfang 2030 dann noch 8.000 Megawatt – und 2038 soll Schluss sein.

Nach den Plänen der Kohlekommission sollen Anfang 2023 auch bei der Braunkohle noch 15.000 Megawatt Strom erzeugen – in den Folgejahren, so schlägt der Gesetzentwurf vor, werden die Stilllegungen bei Braunkohle und Steinkohle dann Jahr für Jahr quasi gemeinsam betrachtet. Angenommen, in einem Jahr geht ein großer Braunkohleblock vom Netz und erfüllt das Reduktionsziel, um bei der Kohle 2038 bei null anzukommen, dann wird die Steinkohle in dem Jahr verschont.

Diese Reduzierung in einer Art kommunizierender Röhren wird von Umweltschützern kritisiert. "Für den Klimaschutz ist entscheidend, dass der CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke schnell und stetig sinkt", sagt Tina Löffelsend, Energieexpertin beim Umweltverband BUND. Maßstab, so Löffelsend, müsse eine lineare Minderung sowohl der Braun- als auch der Steinkohle sein.

Ziel ist größte CO2-Einsparung zu geringsten Kosten

Beginnen soll der Steinkohleausstieg laut Gesetzentwurf im kommenden Jahr und zwar nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche. Die Bundesnetzagentur startet dazu eine Ausschreibung, die so gestaltet ist, dass die Kraftwerke zum Zuge kommen, die am meisten CO2 emittieren, zugleich aber die geringsten Stilllegungskosten haben. Anders gerechnet: Mit den vom Bundeswirtschaftsministerium für nötig gehaltenen Entschädigungen soll möglichst viel CO2 aus dem Markt genommen werden.

Damit das Netz stabil bleibt, muss die Bundesnetzagentur bei jedem Kraftwerk weitere Kriterien berücksichtigen, zum Beispiel Versorgungssicherheit. Die endgültige jährliche Liste der Steinkohlekraftwerke, die nach Ansicht der Bundesagentur vom Netz gehen können, besteht also idealerweise aus den Anlagen, die besonders ineffizient sind und auf die man zugleich am ehesten verzichten kann.

So richtig traut die Regierung den Kraftwerksbetreibern aber nicht über den Weg. Zum einen soll die Bundesnetzagentur bei den Ausschreibungen einen Höchstpreis festlegen, zu dem die Eigner ihre Anlagen stilllegen müssen. Über dessen Höhe sagt der Gesetzentwurf aber nichts.

Das Papier kennt zum anderen aber auch eine "gesetzliche Reduktion der Steinkohleverstromung". Parallel zum Ausschreibungsverfahren legt die Bundesnetzagentur nämlich auch eine weitere Liste der Steinkohleblöcke an, bei es rein nach dem Alter geht und nur nebenbei auch um Netzstabilität und Versorgungssicherheit. Alte und längst amortisierte Kraftwerke kann man, sagen die einschlägigen Rechtsexperten, auch ohne Entschädigung abschalten.

Sollte also per Ausschreibung eine nicht genügend große CO2-Reduktion zustande kommen, wird die Differenz zum jährlichen Reduktionsziel dann einfach per Ukas verfügt – ohne einen Cent Entschädigung.

Damit will die Regierung offenbar den Druck auf die Betreiber erhöhen, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen. Ab wann die gesetzliche Stilllegungs-Keule gelten soll, ist im Entwurf aber nicht festgelegt. Spekuliert wird, damit könnte es schon ab 2023 losgehen.

BUND listet Lücken gegenüber dem Kohlekompromiss auf

Neben der Frage, warum die Regierung überhaupt auf komplizierte Ausschreibungen baut, wenn es doch ihrer Ansicht nach auch anders und ganz ohne Entschädigung gehen kann, ist das im Gesetz formulierte Verbot der Kohleverstromung wortwörtlich zu nehmen: Ein Abriss des Kraftwerkes wird nicht gefordert.

So erlaubt der Gesetzentwurf ausdrücklich den Einsatz anderer "energetischer Brennstoffe wie Biomasse".  Denkbar ist so vermutlich auch die Nutzung von Ersatzbrennstoffen, die aus biogenen Abfällen hergestellt werden, oder von Holzpellets. Das ist sicher nicht im Sinne der Kohlekommission.

Auch in anderen Punkten hält sich der Gesetzentwurf nicht an deren Empfehlungen, listet Löffelsend auf. "Sachlich völlig fehl" gehe etwa die Vorstellung des Wirtschaftsministeriums, eine Überprüfung des Kohleausstiegs-Enddatums erst 2032 statt schon 2026 und 2029 vorzunehmen. 2032 sei viel zu spät, um etwa Tagebauplanungen noch anpassen zu können, wenn früher Schluss sein sollte mit der Kohle. Letzteres legen für Löffelsend sowohl die klimapolitischen Verpflichtungen Deutschlands als auch die wirtschaftliche Lage der Braunkohlekraftwerke nahe.

Schließlich muss die Regierung aus Sicht des Umweltverbandes auch sicherstellen, dass das neue Uniper-Kohlekraftwerk Datteln 4 nicht mehr ans Netz geht. "Nach heutigem Stand ist das Kraftwerk nicht fertig gebaut und hat keine bestandskräftige Betriebserlaubnis", sagt Löffelsend.

Zwar ist im Gesetz ein Neubauverbot für Kohlekraftwerke verankert – ob das im Fall Datteln 4 gilt, ist jedoch offenbar noch unklar. Laut einiger Medienberichte soll die Regierung hier über eine separate Entschädigung verhandeln.