"Wir bedauern diesen Schritt, sind aber sicher, dass die Förderung auch in den nächsten Jahren fortgeführt wird", sagte Andreas Bitter. Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) reagierte damit auf die Mitteilung der Bundesministerien für Umwelt und für Landwirtschaft, einen Antragsstopp beim Förderprogramm "Klimaangepasstes Waldmanagement" zu verhängen.

Das Programm sei gut genutzt geworden, so Bitter. Der Antragsstopp kommt auch deshalb überraschend, weil Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) 3,5 Milliarden Euro für natürlichen Klimaschutz durch die letzten Haushaltsverhandlungen geboxt hat. Davon wurde bisher nur ein kleiner Teil ausgeschüttet.

Peer Cyriacks und Milan Loose von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) waren in einem Gastbeitrag für Klimareporter° sogar zu dem Schluss gekommen: "Das Aktionsprogramm 'Natürlicher Klimaschutz' ist bis jetzt ein Rohrkrepierer."

Dabei hätte es der deutsche Wald bitter nötig. Die Bundeswaldinventur kam gerade zu dem alarmierenden Ergebnis: Die heimischen Wälder sind keine CO2-Senke mehr, sondern seit einigen Jahren eine Quelle des Klimagases.

Das heißt zwar nicht, dass die Wälder nun massenweise Treibhausgase ausdampfen. Die lebenden Bäume und anderen Pflanzen nehmen nach wie vor CO2 auf.

Durch klimabedingte Schäden, vor allem Dürre und dadurch begünstigten Käferbefall, sind in den letzten Jahren aber beträchtliche Teile des Waldes abgestorben oder stark geschädigt worden. Die verminderten Zuwachsraten gleichen deshalb die Menge an CO2 nicht mehr aus, die durch die Nutzung von Holz als Energieträger oder durch Verrottungsprozesse wieder in die Atmosphäre gelangt.

"Energieholz-Ansturm auf unsere Wälder"

Ein Konsortium von sieben Umweltverbänden rief deshalb am Donnerstag zur Pressekonferenz. Gemeinsam forderten BUND, DUH, Greenpeace, Nabu, Robin Wood, WWF und der Dachverband DNR einen "Wald-Rettungsplan".

In Kurzvorträgen umrissen sie, wie ernst es um den deutschen Wald steht. Waldschutz sei Klimaschutz, stellte Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser fest. "Und kurz vor dem Weltklimagipfel stehen wir vor einem Scherbenhaufen." Schließlich würden die Wälder gegenwärtig keinen Beitrag zum Klimaschutz mehr leisten.

Ohne menschliche Eingriffe würden die Wälder in Deutschland großteils aus Buchen bestehen. (Bild: Friederike Meier)

DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner ergänzte, dass die Bundesregierung gegen geltendes Recht verstoße. Damit bezog sich Müller-Kraenner auf die Klimaziele des Landnutzungssektors.

Der Sektor soll zwischen 2027 und 2030 jährlich 25 Millionen Tonnen CO2 aufnehmen und die CO2-Senkenleistung bis 2045 gar auf 40 Millionen Tonnen steigern. Die Hoffnung lag hier allein auf dem Wald. Die anderen Teilbereiche des Sektors – Agrarflächen, Siedlungen, Feuchtgebiete – stoßen schon seit einigen Jahren mehr CO2 aus, als sie aufnehmen.

Dass der Wald nun auch zur Quelle geworden ist, heißt im Umkehrschluss: Die Klimaziele sind im Grunde nicht mehr zu erreichen.

Bereits im Mai hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einer Klage der DUH recht gegeben und die Bundesregierung zu plausiblen Maßnahmen verpflichtet, um die Klimaziele für den Landnutzungssektor zu erreichen. Die Bundeswaldinventur zeige deutlich, dass das bisher nicht passiert sei, betonte Müller-Kraenner und stellte eine weitere Klage in Aussicht.

Nötig sei angesichts der desaströsen Lage nicht nur die im Koalitionsvertrag versprochene grundlegende Reform des Bundeswaldgesetzes, sondern eben ein Wald-Rettungsplan. Zentral sei hierfür – da schienen sich die Umweltverbände weitestgehend einig – eine deutliche Reduktion der reinen Wirtschaftsforste und der Holznutzung.

Robin-Wood-Vorstand Julian Smaluhn warnte vor einem "Ansturm auf unsere Wälder für Energieholz". Um dem entgegenzuwirken, forderte Smaluhn einen Stopp der Förderungen für Holzverbrennungsanlagen und stattdessen eine Berücksichtigung der realen Emissionen der Holzverbrennung. Für die Staatsforste bevorzugt Robin Wood sogar ein generelles Fäll-Moratorium.

Waldbesitzer fordern schwächeres Klimaziel

Die Forderungen der Umweltverbände sind nicht neu. Mit dem Waldgesetz, aber etwa auch mit der nationalen Biomassestrategie soll die Waldbewirtschaftung politisch geregelt und eingeschränkt werden.

Die Holznutzung soll nach dem Willen der Verbände in Richtung langjährige Holzprodukte und Kreislaufwirtschaft gehen. Ein größerer Anteil des Waldes soll unter strikten Schutz gestellt werden.

Während Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger mit versöhnlichen Worten für den Dialog mit Waldbesitzer:innen warb, schlug Müller-Kraenner von der DUH einen schärferen Ton an: "Weder die Bundesregierung noch die Waldbesitzer- und Waldnutzerverbände scheinen verstanden zu haben, dass der Wald keine Holzfabrik ist, sondern ein Ökosystem."

Auch für Julian Smaluhn von Robin Wood ist der "Mythos" von der Forstwirtschaft, die schon aus Eigeninteresse das Richtige tun würde, angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre widerlegt.

Keine zwei Stunden nach der Pressekonferenz reagierte der AGDW mit seinem Statement. Der Wald lasse sich nicht auf die Klimaschutzfunktionen reduzieren, entgegnete Präsident Bitter. Ohnehin sei für die Klimaleistung der Zuwachs und nicht die Gesamtmenge des gespeicherten Kohlenstoffs entscheidend und damit auch eine "aktive Waldpflege" – sprich Bewirtschaftung – zuträglich.

Ebenso wie die Umweltverbände warb auch Bitter für langlebige Holzprodukte. Ganz anders als die Verbände forderte er aber eine "Absenkung der unrealistischen CO2-Senkenziele" für den Landnutzungssektor.

Einig sind sich AGDW und Naturschutzverbände immerhin auch darin, dass es nicht ohne Fördergelder gehen kann. Der Stopp des Programms "Klimaangepasstes Waldmanagement" kommt da beiden ungelegen.

"Es scheint immerhin für derartige Programme ein großes Interesse bei den Waldbesitzenden zu geben", sagte Nabu-Chef Krüger. Daran müsse nun angeknüpft werden.

Waldumbau ist Generationsaufgabe

Der klimaresiliente Waldumbau ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und vor allem eine Generationsaufgabe. Für viele Fragen gibt es keine einfachen Antworten, auch wenn es Naturschützer:innen und Waldnutzer:innen gerne so darstellen.

So kann es sich lohnen, Fichtenreinbestände auszudünnen, um bereits jetzt naturnahe und angepasste Wälder vorzubereiten. Damit sinkt aber zumindest für die nächsten Jahre die Zuwachsrate der Wälder. Kiefernforste sind in der Regel licht genug, sodass das zumindest anfänglich dort nicht nötig ist.

Eine jahrelange Übernutzung und schlechte forstwirtschaftliche Entscheidungen machen die Wälder vielerorts besonders anfällig gegenüber dem Klimawandel, wie die Inventur belegt. Das gilt speziell für die umfangreichen Fichten- und Kieferreinbestände, die zu Nachkriegszeiten angepflanzt wurden.

 

Zu diskutieren ist auch, ob schon heute Arten angepflanzt werden sollen, die an ein zwei oder drei Grad wärmeres Klima angepasst sind. Oder soll der Fokus lieber auf heimischen Arten liegen?

Ist es sinnvoll, immer mehr mit Holz zu bauen, um klimaschädliche Baustoffe wie Beton und Stahl zu ersetzen? Oder sollen lieber große Abschnitte der Wälder unter Schutz gestellt werden? All diese Fragen müssen politisch und gesellschaftlich diskutiert werden und dürfen nicht den eingeübten Grabenkämpfen zum Opfer fallen.

Die heute getroffenen Entscheidungen werden auch noch viele Generationen nach uns betreffen. Das Waldökosystem ist ebenso komplex und langlebig wie essenziell für unsere Gesellschaft.