In der Lausitz wurde die Landschaft großflächig der Kohle geopfert – und mit ihr Dörfer und Kulturgüter der sorbischen Minderheit. (Bild: René Schwietzke/​Flickr – Ausschnitt)

Der Lake Malawi in Ostafrika ist der neuntgrößte See Welt und gilt als der fischartenreichste der Erde. Mehr als 1.500 Fischarten sollen hier leben. Der südliche Bereich des Malawisees wird durch einen Nationalpark geschützt, der zum Weltnaturerbe gehört.

Vom Fischfang im See und dem Fischgeschäft leben über fünf Millionen Menschen in Malawi, rund ein Viertel der Bevölkerung. Mehr als 80 Prozent der Fischversorgung des Landes hängen vom See ab, berichtet Joseph Kenson Sakala am Sonntag auf einem sogenannten Side Event (siehe Video unten) der Klimakonferenz in Dubai.

Der malawische Klimaaktivist sieht die Schätze des Sees nicht nur durch den Klimawandel bedroht, sondern auch durch neue Bergbau-Pläne seiner Regierung. Die will künftig seltene Erden, Rutil, Lithium, Bauxit und anderes gewinnen lassen. Um das umzusetzen, sind Sakala zufolge auch fossile Investitionen zur Ölförderung vorgesehen. Zwar hätten die bergbaulichen Arbeiten noch nicht begonnen, aber Genehmigungs- und Lizenzierungsprozesse liefen bereits.

Der Aktivist kritisiert die Pläne beim Side Event scharf. Diese nähmen wenig Rücksicht auf die am See lebenden Menschen, die den Preis dafür zu zahlen hätten. "Öl ist nicht die einzige Lösung, die Malawi hat", betont Sakala und verweist darauf, dass Malawi zu den Ländern Afrikas mit dem höchsten Potenzial für Solar- und Windenergie gehört. Dieses müsse den Menschen zugänglich gemacht werden.

Die geschützte Südregion des Malawisees findet sich auch auf einer Weltkarte wieder, die die in Deutschland ansässige Initiative "Leave it in the Ground" (Lingo) innerhalb des letzten Jahres erarbeitete und die es bislang in dieser Form nicht gab. Lingo nutzte dazu öffentliche Daten der Gas-, Öl- und Kohleindustrie sowie der Weltnaturschutzunion IUCN.

Schutzgebiete sind nicht vor fossilen Projekten geschützt

Die Karte zeigt, wo überall auf dem Globus geschützte Naturgebiete durch laufende oder geplante fossile Projekte gefährdet sind. Häufig seien es Gebiete von biologischer, kultureller und religiöser Bedeutung, erläutert Alice McGown von Lingo in ihrer Präsentation auf dem Side Event.

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Für den Schutz der Gebiete gebe es immer einen konkreten Grund, so die Umweltwissenschaftlerin. Für die Initiative ist das ein guter Weg, um eine Politik für einen fossilen Ausstieg voranzutreiben.

Das Fazit von McGown ist eindeutig: "Geschützte Gebiete sind nicht vor fossilen Brennstoffen geschützt." Die Initiative hat aktuell 2.337 Projekte zur Ausbeutung von Kohle, Öl und Gas identifiziert, die geschützte Gebiete ganz oder teilweise gefährden. Etwas mehr als die Hälfte dieser Projekte befinde sich in der Entwicklungsphase oder Genehmigung, sagt McGown.

Würden die fossilen Ressourcen all der 2.337 Projekte verbraucht, würde das laut Lingo 50,8 Milliarden Tonnen CO2 freisetzen. Das ist ungefähr eine Jahresemissionsmenge der Menschheit.

Würden alle vorhandenen fossilen Ressourcen unter geschützten Gebieten gehoben, drohen laut der Initiative sogar CO2-Emissionen von 253 Milliarden Tonnen. Das ist fast so viel, wie die Menschheit überhaupt noch ausstoßen darf, um das 1,5-Grad-Limit einhalten zu können.

Zu den größten Nutznießern der Projekte unter geschützten Gebieten gehören laut Lingo die Energiekonzerne Saudi Aramco, RWE, Petróleos de Venezuela, Usibelli, Total und Shell. Auf Länder bezogen stehen Saudi-Arabien, Kasachstan, Venezuela und Russland an der Spitze.

Zerstörung der Natur verletzt auch Menschenrechte

Jedes einzelne dieser Projekte sei ein "Akt der Heuchelei", erklärt McGown. Mit der einen Hand werde ein Gebiet geschützt, mit der anderen zerstört. Das sei aber nicht nur ein Problem des globalen Nordens oder Südens, sondern ein "wirklich universelles Problem", stellt sie klar.

Vor den Folgen der Zerstörung der Natur warnen am Sonntag auch die deutschen Ministerinnen Annalena Baerbock und Steffi Lemke bei einem gemeinsamen Klimagipfel-Auftritt in Dubai. Der Anlass: Vor 75 Jahren, am 10. Dezember 1948, haben die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte angenommen.

 

"Alle Menschen, egal ob in Asien, Afrika, Europa oder Lateinamerika, haben ein Recht auf den Schutz ihrer natürlichen Lebensgrundlagen als Menschenrecht", erklärt Außenministerin Baerbock. Der Klimawandel verschärfe die Ungerechtigkeit in der Welt. Auch deswegen wolle man alles tun, um endlich in Reichweite des 1,5‑Grad-Pfades zu kommen.

Sie verstehe, dass Regionen, deren Reichtum auf fossilen Energien beruht, für sich eben nicht sagten: "Super, den Ausstieg machen wir gleich morgen", räumt Baerbock ein. Klimaschutz sei aber keine rein nationale Frage. Vielmehr stelle das, was an fossiler Energie verbrannt, gefördert und genutzt wird, den "maximalen Schaden" für alle auf der Welt dar. Dies offen auszusprechen, sei kein "blame-game", keine Schuldzuweisung, sondern eine Sache von Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, betont die deutsche Außenministerin.

Umweltministerin Lemke sieht durch die Klimakrise besonders die Versorgung mit Wasser und Sanitäreinrichtungen bedroht. Derzeit haben zwei Milliarden Menschen keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser und 3,6 Milliarden sind ohne Zugang zu sicherer Sanitärversorgung, erinnerte Lemke.

Vor allem Frischwasser-Ökosysteme gingen zunehmend verloren, warnt die Umweltministerin. Gewässer, Moore und Wälder seien von der Klimakrise bedroht. In vielen Regionen sei – teilweise über Jahrhunderte – die Landschaft entwässert worden, um Flächen für Siedlungen und die Agrarwirtschaft bereitzustellen.

Kohleausstieg in Deutschland kann andere überzeugen

Hinzuzufügen ist: Auch Deutschland selbst hat durch fossile Extraktion Menschenrechte im eigenen Land verletzt. So wurde das angestammte Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden in der Lausitz durch den Braunkohleabbau zu großen Teilen unwiederbringlich zerstört.

Inzwischen wird immer klarer: Die Bergbaufolgen zu sanieren, wird länger dauern als noch vor wenigen Jahren angenommen. Es wird Milliarden Euro mehr kosten – und auch dann die ursprüngliche Landschaft nicht wiederbringen.

"Es ist viel Leid durch das Abbaggern von Ortschaften passiert", betont auch Steffi Lemke am Sonntag auf Nachfrage. Das betreffe sowohl die Sorben und Wenden als auch diejenigen, die sich dieser nationalen Minderheit nicht zugehörig fühlen.

 

Für die Ministerin stellt das auch einen der Gründe dar, warum so schnell wie möglich aus der Kohle ausgestiegen werden sollte – überall in der Welt. Sie sei froh, dass dazu in Deutschland die entsprechenden Beschlüsse gefasst wurden, sagt Lemke. Zugleich stünden aber noch schwere Aufgaben bevor, um die Altlasten der Kohle wie auch der Atomkraft zu bewältigen.

Baerbock, die ihren Wahlkreis im Kohleland Brandenburg hat, sieht darin auch eine Chance: Deutschland könne Länder wie Südafrika nicht nur deswegen vom Kohleausstieg überzeugen, weil er gut fürs Klima ist, sondern weil er auch für Deutschland selbst alles andere als einfach ist.

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