Annalena Baerbock steht vor einem großen Foto einer kleinen tropischen Insel im Meer.
"Man darf nicht unterschätzen, dass ein Klimagipfel auch wie eine Messe ist, auf der man voneinander lernt" – Annalena Baerbock auf der COP 21. (Foto: Thomas Venker)

"Who the fuck is Ban Ki Moon", lautete der Anfang des Tweets, den Annalena Baerbock am vergangenen Samstag aus dem französischen Parlament abgeschickt hat. Nicht unbedingt der durchschnittliche Twitter-Duktus eines Mitglieds des Deutschen Bundestags.

Aber warum nicht, wo die anwesenden Politiker doch lieber Selfies mit dem Gastredner Arnold Schwarzenegger machten, als sich für den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu interessieren.

Überhaupt scheut sich die 34-Jährige nicht, einen etwas anderen Vermittlungsweg für ihre politische Arbeit auszuprobieren – schließlich sitzt sie erst seit zwei Jahren im Bundestag und ist bemüht, den frischen, kritischen Blick, den dieses Novizentum mit sich bringt, noch etwas zu erhalten.

Das kann man auch ihrem Facebook-Account entnehmen, wo sie sich zuletzt mit charmant verwackelter Kamera selbst filmte und so erste Einblicke in den Verhandlungsstand bei der Weltklimakonferenz gab. "Bei den letzten Konferenzen haben mich viele gebeten, doch zu erzählen, wie es war – ich dachte mir also, ich probiere das mal auf Facebook und niederschwelliger aus."

Die ersten Reaktionen seien sehr positiv gewesen, sagt Baerbock. Wie sie sich überhaupt freut, dass der Umweltschutz doch wieder sehr präsent ist in der Gesellschaft durch die COP 21 – das sei angemessen "angesichts der großen Bedeutung dessen, was hier entschieden werden muss".

Das sei vor einem Jahr nicht unbedingt so zu erwarten gewesen, sagt sie und betont, wie wichtig es sei, stetig "Druck aufzubauen, damit allen Staaten klar ist, dass man sich hier bewegen muss".

Die deutsche Politik erklären und kontrollieren

In Paris ist die klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/​Die Grünen, die zudem in den Bundestags-Ausschüssen für Wirtschaft und Energie und für die EU-Belange sitzt, seit fast einer Woche. Nach den einem Parlamentariertreffen im französischen Parlament, bei denen es natürlich auch um Klimaschutz ging, ist sie seit Montag auf der COP 21 vor Ort.

Als Teil der deutschen Delegation führt sie dort viele Gespräche mit anderen Parlamentariern und Delegationen. Dabei versucht sie die deutsche Klimapolitik zu veranschaulichen. "Es werden viele Fragen an uns herangetragen, wie wir das mit den erneuerbaren Energien gemacht haben", berichtet sie.

Es gehe aber neben der internationalen Werbung für den Umstieg auf erneuerbare Energien auch darum, von den Instrumentarien der anderen Länder zu lernen, die "derzeit an uns vorbeiziehen beim Kohleausstieg".

Als Parlamentarierin aus der Opposition hat sie natürlich auch den Auftrag, die Rolle der Exekutive in Paris zu kontrollieren und die deutsche Verhandlungsführung im Auge zu behalten. Da gebe es eine gute Kooperation mit dem Umweltministerium, alles laufe sehr transparent ab, merkt Baerbock an.

"Die Aufgabe ist es, die Regierung daran zu messen, was sie selbst verspricht. Das heißt für Deutschland dann ganz konkret: Wenn man von Dekarbonisierung spricht, muss man den Kohleausstieg einläuten." Wobei Baerbock natürlich Realistin ist und ergänzt, dass das nicht immer leicht sei, da man ja im EU-Kontext agiere.

"Paris ist nur ein Schritt"

Und wie zufrieden ist sie mit dem bisherigen Verlauf der Pariser Verhandlungen? "Die Klimakatastrophe", sagt Baerbock, "ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, wenn nicht gar die größte. Es muss allen klar sein, dass eine internationale Konferenz, bei der man einstimmig mit 195 Staaten entscheiden muss, die Herausforderung nicht lösen wird."

Deswegen sei es den Grünen wichtig gewesen, schon vor dem Klimagipfel deutlich zu machen, dass Paris "nur ein Schritt" sein kann.

Die französische Präsidentschaft lobt Baerbock für ihre "transparente Vorgehensform", auch für die Einführung der "Action Days", die eine Prozessverzahnung zwischen lokaler und internationaler Ebene sowie dem Finanzbereich bringen würden, in dem sie auf konkrete Projekte hinwiesen – sodass die Anregung neuer Projekte gelinge: "Man darf nicht unterschätzen, dass es hier auch wie eine Messe ist, wo man voneinander lernt."

Bei aller Relativierung ihrer Erwartungshaltung merkt Baerbock aber auch immer wieder an, wie wichtig Paris natürlich für den Gesamtweg ist. Dass ein Abkommen zustande kommt, dessen ist sie sich sicher; die Frage sei nur, was in diesem stehen wird: "In den Text-Verhandlungen kommt es darauf an, was reinkommt. Es kann nicht sein, dass es nur Überschriften sind. Ich habe so ein bisschen Sorge, dass es zu einer reinen Symbolpolitik verkommt."

Auf die weltweite Energiewende kommt es an

Es freue sie zwar, dass auf der Konferenz jetzt plötzlich von einem 1,5-Grad-Ziel und nicht nur der Zwei-Grad-Marke die Rede ist, aber dieses Ziel funktioniere nur, wenn man "Dekarbonisierung bis zur Mitte des Jahrhunderts mit reinschreibt – und das bedeutet dann den Ausstieg aus den fossilen Energien".

Letztlich, meint Baerbock, sei die Vereinbarung von Paris daran zu messen, ob eine "stringente Unterfütterung mit einem Regelwerk und Überprüfungsmechanismen geschaffen wird". "Wenn das Regelwerk wegfällt oder man es aufschiebt und sich da erst 2021 oder 2024 drum kümmern will, dann war es aus meiner Sicht kein großer Schritt nach vorne."

Dass auf dem Weg zu diesem, hoffentlich zufriedenstellenden Ergebnis noch viel gepokert wird und uns wohl ein heißes "Endgame" bevorsteht, stört die Völkerrechtlerin, die in Großbritannien ihren Master in Öffentlichem Internationalem Recht gemacht hat, nicht: Das sei ja bei Abrüstungskonferenzen auch nicht anders.

Hinweis: Mehr als 45.000 Menschen hatten nach Angaben der UNO versucht, sich bei der COP 21 zu akkreditieren. Tatsächlich für das Konferenzparkett zugelassen wurden 30.000.

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