Bergwerk im Zwielicht
Die Zeche Prosper-Haniel in Bottrop ist Deutschlands letztes Steinkohle-Bergwerk. Heute ist ihr letzter Tag. (Foto: Gunnar Ries/​Flickr)

Eine lange Geschichte geht am Freitag zu Ende. Es ist die von einem gefährlichen und harten Job, bei dem die Sonne nie scheint. Es ist die von einem so starken Zusammenhalt unter Kollegen, wie er sonst in kaum einer Branche beschrieben wird, vielleicht in keiner. Es ist die von der Industrialisierung, die des Wohlstands in den Ländern des Nordens. Und es ist auch die Geschichte davon, wie die größte ökologische Krise der Menschheit begann. 

Am heutigen Freitag schließt die Steinkohle-Zeche Prosper-Haniel in Bottrop. Sie ist das letzte Steinkohlebergwerk im Land. Eine Förderung von Steinkohle gibt es dann in Deutschland nicht mehr. Um 16 Uhr redet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Bottrop. Die Kumpel der Zeche schenken ihm ein Körbchen mit einigen symbolischen Stückchen Kohle, gewonnen in einer symbolischen letzten Schicht. Regulär wird in Prosper-Haniel schon seit September keine Kohle mehr gefördert.

Die Verbrennung von Steinkohle entlässt viel Kohlendioxid in die Luft und treibt damit den Klimawandel an – etwas mehr als Erdöl, nicht ganz so sehr wie die Braunkohle. Allerdings ist das eine Geschichte, die mit dem Aus des deutschen Steinkohlebergbaus noch nicht zu Ende ist.

Auf der Halbinsel La Guajira im Nordosten Kolumbiens werden jährlich um die 30 Millionen Tonnen Steinkohle abgebaut. Dort liegt der riesige Tagebau El Cerrejón. Ein Großteil der Kohle geht nach Nordamerika und Europa – auch nach Deutschland.

Denn auch wenn heute die letzte Zeche hierzulande schließt – verbrannt wird die Steinkohle immer noch. Im Jahr 2016 machte Steinkohle laut dem Umweltbundesamt rund zwölf Prozent des Primärenergieverbrauchs aus. Schon vor zwei Jahren kamen 94 Prozent dieser Kohle aus dem Ausland.

Laut dem Verein der Kohlenimporteure wurden im Jahr 2017 etwas über 51 Millionen Tonnen Steinkohle nach Deutschland importiert, 36 Millionen davon für die Nutzung in Kraftwerken. Dem Verband zufolge kam davon knapp die Hälfte aus Russland, 18 Prozent kamen aus Kolumbien und vier Prozent aus Südafrika.

Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen

Nichtregierungsorganisationen kritisieren immer wieder, dass die Kohle, die Deutschland importiert, unter bedenklichen Bedingungen abgebaut wird. Armin Paasch, Politikreferent beim katholischen Hilfswerk Misereor, findet es falsch, dass Deutschland Kohle aus Ländern wie Kolumbien und Südafrika importiert.

"In Kolumbien ist vor allem der hohe Wasserverbrauch ein Problem", erläutert Paasch. Im Tagebau El Cerrejón betrage er 48 Millionen Liter am Tag. "Das hat in der Region La Guajira eine Dürre verschärft, an der von 2005 bis 2015 fünftausend Kinder gestorben sind."

Ein weiteres Problem seien die Vertreibungen. "In einem Ort in der Region La Guajira, Tabaco, wurden 300 Menschen vertrieben. Außerdem werden dort Umweltaktivisten und Gewerkschafter immer noch verfolgt", sagt Paasch.

Die Tagebaue – ob in Kolumbien, Südafrika oder Russland – verursachen außerdem Luftverschmutzung, unter der die lokale Bevölkerung leidet. Misereor fordert deshalb, dass Deutschland komplett aus der Kohleverstromung aussteigt, damit auch die Importe ein Ende haben.

Wie genau es mit der Steinkohle in Deutschland weitergeht, ist allerdings noch nicht klar. Die drei in der Kohlekommission vertretenen Umweltverbände BUND, Greenpeace und der Dachverband DNR schlagen vor, dass bis zum Jahr 2022 alte Steinkohlewerke mit einer Kapazität von 8.600 Megawatt vom Netz gehen sollen – knapp die Hälfte dessen, was momentan am Netz ist. Die Kommission wird voraussichtlich im Februar einen Vorschlag zum Kohleausstieg vorlegen.

Wenn es nach dem Verband der Kohleimporteure geht, hat die Steinkohle ihren Beitrag zum Klimaschutz allerdings schon erfüllt. Der Einsatz von Steinkohle zur Stromerzeugung habe im Jahr 2017 dramatisch abgenommen, auch für das Jahr 2018 zeichne sich ein Rückgang um rund 20 Prozent ab, heißt es im Jahresbericht des Vereins (Stand Juni 2018). Es gebe deshalb keinen Grund für die Kohlekommission, weitere restriktive Vorgaben für die Verstromung von Importsteinkohle einzuführen.

Misereor fordert gesetzliche Auflagen für Kohleimporte

Der Kohle-Verein hat auch eine Grundsatzerklärung veröffentlicht, in der er das Thema Menschenrechte anspricht. "Wir erwarten von allen Lieferanten, dass sie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen unterstützen, achten und sicherstellen, dass sie selbst nicht in Menschenrechtsverletzungen involviert sind", heißt es dort unter anderem.

Ähnlich machten es viele Unternehmen, erzählt Misereor-Experte Paasch. "Die Frage ist: Untersuchen die Unternehmen auch tatsächlich die Bedingungen vor Ort? Werden konkrete Schritte gefordert? Und was passiert, wenn die Bergbauunternehmen das nicht tun?"

Seine Fragen beantwortet er selbst: "Unser Eindruck ist, dass die Energiekonzerne nur in den seltensten Fällen aus Menschenrechtsgründen auf Geschäftspartner verzichten wollen. Oft äußern sie Erwartungen, was aber wenig Konsequenzen hat."

Bis zum Ende der Steinkohle fordert Misereor deshalb von der Bundesregierung, Unternehmen dazu zu verpflichten, die Menschenrechte in den Abbaugebieten zu achten. Für Armin Paasch ist dabei klar: Egal, wo die Kohle herkommt, wir müssen aufhören, sie zu verbrennen. "Die beiden Ziele Klimaschutz und Beachtung der Menschenrechte können nicht gegeneinander ausgespielt werden, es braucht einen kompletten Kohleausstieg."

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