Wie sich Adnoc, der staatseigene Gas- und Ölkonzern der Vereinigten Arabischen Emirate, die künftige Erdgasförderung vorstellt, zeigt das Projekt "Hail & Ghasha" vor der Landesküste im Roten Meer. Anfang Oktober gab Adnoc, dessen Chef zugleich den in Dubai stattfindenden Klimagipfel leitet, den endgültigen Start des Offshore-Megaprojekts bekannt.

Für Hail & Gasha werden künstliche Inseln errichtet, samt Bohranlagen und Gasleitungen zur Küste. Ab 2025 sollen Erdgas, Öl und Gaskondensat gefördert werden. Das Erdgas wird allerdings nicht an Land transportiert, sondern gleich vor Ort auf den Inseln zu Wasserstoff reformiert. Dabei wird, vereinfacht gesagt, dem im Erdgas enthaltenen Methan (CH4) der Kohlenstoff weggenommen und in CO2 verwandelt.

Der entstehende Wasserstoff (H2) ist dann eigentlich ein "grauer", weil aus fossilem Gas gewonnen. Zu einem CO2-armen "blauen" Wasserstoff wird das Gas erst, wenn das Kohlendioxid nicht an die Luft gelassen wird.

COP 28 in Dubai

Bei der 28. UN-Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet mehrmals täglich.

Bei Hail & Gasha soll das störende CO2 durch Pipelines an Land gebracht und in alten Salz- oder ausgebeuteten Öllagern gespeichert werden. So genau ist das noch nicht bekannt.

Für Adnoc gilt die CO2-Speicherung nicht als Notlösung, sondern als "innovative Dekarbonisierungstechnologie", betont der Konzern. 1,5 Millionen Tonnen CO2 sollen im Zuge von Hail & Ghasha künftig in den Untergrund geschafft werden. Später will Adnoc seine Abscheidekapazität auf vier Millionen und dann sogar auf zehn Millionen Tonnen steigern – in welchem Zeitraum, ist unbekannt.

Der "blaue" Wasserstoff soll in den Emiraten selbst das Erdgas ersetzen und die Emissionen des Landes senken. Der Reichtum der Emirate hängt von der Verfügbarkeit der fossilen Energiequellen ab. 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 13 Prozent der Exporte basieren hier direkt auf Öl und Gas.

Bei rund 9,5 Millionen Einwohnern verbrauchen die Emirate jährlich um die 65 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Zum Vergleich: Deutschland verbrennt 90 Milliarden Kubikmeter Gas, hat aber mehr als 80 Millionen Einwohner.

Letztes Jahr emittierten die Vereinigten Arabischen Emirate insgesamt 244 Millionen Tonnen CO2. Selbst zehn Millionen Tonnen wären da nur ein blaues Feigenblatt fürs fossile Geschäft.

Emirate stellen sich fossil auf

Auch um den wachsenden Bedarf im Inland zu decken, sollen in den Emiraten zudem neue Gas- und Ölquellen erschlossen werden. 17 Projekte seien bereits genehmigt, die in naher Zukunft die Produktion aufnehmen sollen, heißt es in einer Analyse, die die Umweltorganisation Urgewald mit weiteren Organisationen am Dienstag in Dubai vorlegte.

Wenn diese Projekte realisiert würden, füllen sie die Öl- und Gasressourcen einer Reihe von Konzernen mit zwölf Milliarden Barrel Öläquivalent auf, gibt Urgewald auf Basis von Daten der Osloer Beratungsfirma Rystad Energy an.

Zu den Profiteuren der fossilen Rallye gehören Multis wie Eni (Italien), Inpex (Japan), Total (Frankreich) oder Exxon (USA). Nutznießer ist bis dato aber auch der deutsche Gas- und Ölkonzern Wintershall Dea.

Diesem gehören bisher zehn Prozent des Hail-&-Ghasha-Projekts. Den Anteil will oder muss das deutsche Unternehmen gerade loswerden, vermutlich um seine durch den Wegfall des russischen Erdgases klamme Kasse aufzufüllen. Interessiert an dem Anteil soll ein thailändischer Konzern sein, aber auch Adnoc selbst wird genannt.

Auf jeden Fall sei Adnoc weit davon entfernt, den Pfad für das 1,5-Grad-Limit1,5-Grad-Limit aus dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten, erklärte am Dienstag Katrin Ganswindt von Urgewald. Auch die Pläne zur CO2-Speicherung änderten nichts daran, dass der emiratische Konzern mit seinen Expansionsplänen das 1,5-Grad-Ziel gefährde.

"Wie jedes andere Gas- und Ölförderunternehmen auf diesem Planeten hat Adnoc nicht die Absicht, sein Geschäftsmodell zu ändern oder gar seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern", stellte Ganswindt fest.

Bankkredite bedrohen auch Schutzgebiete

Die Energieexpertin kritisierte auch scharf, dass große internationale Banken die fossilen Adnoc-Projekte mitfinanzieren. Laut dem aktuellen NGO-Bericht "Banking on Climate Chaos", den Urgewald ebenfalls mitverfasst hat, erhielt Adnoc von 2016 bis 2022 von 14 Banken insgesamt 14,1 Milliarden US-Dollar, darunter 9,8 Milliarden an Krediten, 3,5 Milliarden in Form von Anleihen und 800 Millionen Dollar als Aktien.

Die größten Geldgeber von Adnoc waren demnach die britische Großbank HSBC mit 2,4 Milliarden Dollar, die beiden japanischen Großbanken MUFG und SMBC mit jeweils 2,3 Milliarden sowie JP Morgan Chase mit 2,2 Milliarden Dollar.

 

Das Adnoc-Projekt "Hail & Ghasha" gefährdet aber nicht nur das Klima, sondern droht auch das Biosphärenreservat Marawah zu zerstören. Das Unesco-Reservat ist das größte Meeresschutzgebiet im Arabischen Golf, es umfasst mehrere Inseln und hat eine Fläche von 4.200 Quadratkilometern.

Das Meeresreservat beherbergt Seegraswiesen, Korallenriffe und Mangrovenwälder sowie mehrere bedrohte Arten wie die Echte Karettschildkröte (Foto oben) oder den Dugong, eine der beiden Seekuharten.

Allein in den Emiraten gibt es nach Angaben des internationalen Netzwerks "Leave it in the Ground" (Lingo) acht Schutzgebiete mit darunter liegenden Öl- oder Gasvorkommen. Nur eines dieser Schutzgebiete sei noch nicht durch die Förderung fossiler Brennstoffe beeinflusst, bemerkt das Klimanetzwerk.

Bei einer weltweiten Recherche fand Lingo heraus, dass in mehr als 800 international oder national geschützten Naturgebieten fossile Ausbeutungsprojekte bereits begonnen haben oder geplant sind. Für 60 Prozent dieser Projekte laufen Genehmigungsverfahren und in mehr als zehn Prozent der Vorhaben soll die Rohstoffförderung in den nächsten zehn Jahren beginnen, berichtete die Geografin Fatima Eisam Eldeen von Lingo am Dienstag auf dem Klimagipfel in Dubai.

Mortalitätskosten fossiler CO2-Emissionen

Am selben Tag wies Greenpeace auf eine weitere Folge ungebrochener fossiler Nutzung hin. Laut einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Analyse des niederländischen Zweigs der Umweltorganisation könnten bis zum Ende des Jahrhunderts schätzungsweise 360.000 Menschen vorzeitig an der Erderwärmung sterben, die anteilig allein durch die Treibhausgasemissionen von neun großen europäischen Öl- und Gasunternehmen in nur einem Jahr verursacht wurde.

Ausgangspunkt der Untersuchung sind die letztjährigen Emissionen von Shell, Total, BP, Equinor, Eni, Repsol, OMV, Orlen und Wintershall Dea. Diese Unternehmen verursachten 2022 zusammen 2,7 Milliarden Tonnen CO2.

Anhand einer vom US-Forscher R. Daniel Bressler entwickelten Methode, die Mortalitätskosten von CO2-Emissionen abzuschätzen, werden die Unternehmen mit ihren Emissionen allein von 2022 möglicherweise 360.000 temperaturbedingte vorzeitige Todesfälle bis zum Ende des Jahrhunderts verursachen.

 

Dem Greenpeace-Bericht zufolge ist diese Schätzung eher konservativ. Denn sie berücksichtige nur die direkt durch extreme Temperaturen verursachten zusätzlichen Todesfälle, nicht aber andere Klimawirkungen wie Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände und Stürme oder auch Infektionskrankheiten.

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