Theoretisch ist gelingende Kommunikation ein einfaches Vier-Stufen-Verfahren: Motivieren durch positive Zukunftsvisionen – zielgruppenorientiert Akzeptanz herstellen – einfache, kraftvolle Botschaften senden – Vertrauen schaffen durch Erfolgserlebnisse.
Wie in dieser Weise politische Kommunikation bei einem Wahlkampf in einer Demokratie gelingen kann, hat 2008 Barack Obama mit seiner erfolgreichen "Yes We Can"-Kampagne vorgeführt.
Tacheles!
In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Herausgeberrates in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.
Auch in der Klima- und Energiewende-Kommunikation wird seit Jahrzehnten auf diese Weise verfahren. Wir blicken zurück auf 50 Jahre Klimaforschung, die praktikable Lösungswege gegen die drohende Erderhitzung aufzeigt.
Und wir blicken auf 30 Jahre Energiewende mit beeindruckenden Erfolgserlebnissen. 1994 prophezeite Angela Merkel als damalige Umweltministerin: "Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken."
Heute haben erneuerbare Energien an der Stromerzeugung in Deutschland einen Anteil von über 60 Prozent.
Irreführung der Öffentlichkeit
Doch von Erfolg kann nicht die Rede sein. Statt Vertrauen in die Chancen einer anderen Klimazukunft wuchs lediglich der Widerstand gegen jede Art von ökologischer Transformation.
Deutschland hinkt bei vielen Klimazielen hinterher. "Die Grünen" gelten als Sündenbock für jegliche Art von Krise. Klimaaktivistinnen und -aktivisten werden zunehmend isoliert und teilweise kriminalisiert. Das kann ja nicht nur daran liegen, dass positive Bilder oder zielgruppengerechte Bezüge fehlen.

Statt über die Ausgangsfrage "Wie kann die Kommunikation der Energiewende gelingen?" zu theoretisieren, sollten wir also besser darüber reden, wie und warum diese Kommunikation so schrecklich scheitert.
Die Antwort ist eigentlich nicht neu. Doch es dringt erst nach und nach ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, mit welch perfiden Methoden einige wenige, aber sehr mächtige Profiteure der fossilen Industrien den politischen (Dis)Kurs weltweit beeinflussen.
2015 brachten investigative Medien ans Licht, dass Öl- und Gasunternehmen wie Exxon Mobil bereits vor Jahrzehnten wussten, dass ihr Produkt katastrophale Auswirkungen auf das Klima haben würde.
Doch anstatt die Welt zu warnen und ihr Geschäftsmodell zu verändern, gaben sie Milliarden aus, um die Öffentlichkeit irrezuführen und Klimaschutz zu blockieren. Sie betrieben gesellschaftliches "Gaslighting" – eine Form von manipulativem Verhalten, das permanent Zweifel an der Realität schürt.
Aggressive Störkommunikation
Die perfiden Methoden dieser "Merchants of Doubt", der Händler des Zweifels, enthüllte die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes zuerst am Beispiel der US-Tabakindustrie. Diese hatte seit den 1950er Jahren die Öffentlichkeit über die Risiken des Rauchens getäuscht.
Infolge von Oreskes' Arbeit wurden die beteiligten Konzerne wegen organisierter Kriminalität von der US-Regierung verklagt und im August 2006 wegen jahrzehntelanger Verschwörung zum Betrug schuldig gesprochen.
Claudia Kemfert
leitet die Energieabteilung am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Universität Lüneburg, außerdem Vize-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung und Herausgeberratsmitglied von Klimareporter°.
Dieselben Methoden wie die Tabaklobby wendet auch die fossile Industrie an, allerdings mit einem erweiterten Werkzeugkasten. Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet nämlich Klimaschutz grundsätzlich.
Deswegen werden die Menschen nun bei konkreten politischen Maßnahmen durch aggressive Störkommunikation verunsichert. Ganz gleich ob Verkehrs-, Energie- oder Wärmewende – immer ist das jeweilige Projekt "zu unausgereift", "zu teuer", "zu ideologisch", "zu wenig marktfähig", "zu elitär", zu dies, zu das.
Zugleich werden Diskussionen über Sachfragen auf emotionale Konfliktebenen verlagert. Statt über (teure) Atomkraft anstelle von (billiger) Solarenergie schimpfen die Leute auf reiche Zahnärzte und ihre Photovoltaik-gedeckten Villen. Statt über moderne Wärmepumpen als Ersatz für veraltete Ölheizungen diskutiert die Öffentlichkeit über angeblich willkürliche "Heizungsverbote".
Mit einer Taube Schach spielen
An einem konstruktiven Dialog sind die fossilen Akteure nicht interessiert. Jede Debatte ist daher so sinnlos wie der Versuch, mit einer Taube Schach zu spielen: Sie wird bloß alle Figuren (Argumente) umwerfen, aufs Brett (die Diskussion) kacken und herumstolzieren, als hätte sie gewonnen.
Meister dieser Art von Taubenschach ist Wladimir Putin, dessen Macht als Präsident vor allem auf Staatseinnahmen aus den gewaltigen fossilen Ressourcen Russlands basiert. Als stärkster Gegner einer globalen Klimapolitik nutzt er perfide Methoden, die vielfältigen Kräfte der offenen Gesellschaft durch Propaganda und Fake News gegeneinander auszuspielen. So sichert er seine (Markt-)Macht und schwächt die Abwehrkraft der westlichen Demokratien.
Dabei sucht Putin die Allianz mit anderen fossilen Autokraten in Iran, Venezuela, Aserbaidschan oder Turkmenistan und scheut auch keine völkerrechtswidrigen Kriege.
So zahlt die Welt inzwischen den Preis für extremere Wetterereignisse und andere Klimakatastrophen. Sie muss mit immer mehr Kriegs- und Flucht-Folgen fertig werden, während Big Oil & Gas Rekordgewinne einfährt.
Nein, es geht schon lange nicht mehr um Klima- oder Energiewende-Kommunikation. Es geht um Politik und Macht. Es geht um Demokratie. Es geht um Frieden. Und wir brauchen endlich Strategien, damit das nicht auch scheitert.
Der Beitrag ist eine redaktionell leicht bearbeitete Version eines Vortrages, den Claudia Kemfert am gestrigen Dienstagabend bei der Jahrestagung des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien (FVEE) in Berlin halten wollte, aber wegen Krankheit kurzfristig ausfallen lassen musste.