2022 wurden dreimal mehr Menschen durch Naturkatastrophen vertrieben als im Vorjahr. (Bild: UNHCR)

"Zäh" nannte der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), die Diskussionen zwischen Ländern und Bund auf dem Migrationsgipfel. Dieser fand kürzlich in Berlin statt.

Das letzte Wort ist in dem Konflikt um die Finanzierung wohl noch nicht gesprochen. Die Länder fordern vom Bund eine dauerhaft größere finanzielle Beteiligung an der Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten. Mehr als eine Einmalzahlung von einer Milliarde Euro konnten die Länderchefs bei den Verhandlungen aber nicht herausholen.

Weniger verhärtet scheinen die Fronten über die Beschlüsse, Abschiebungen zu forcieren und illegale Migration zu erschweren. Außerdem gibt es Pläne zur Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Mit anderen Worten, auch die Ampel arbeitet an der Stärkung der sogenannten Festung Europa.

Derweil überschreiten die allermeisten Geflüchteten nach wie vor keine Landesgrenzen. 71,1 Millionen Menschen waren 2022 laut dem Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) auf der Flucht im eigenen Land.

Das bedeutet einen 20-prozentigen Anstieg der Binnenflucht im Vergleich zum Vorjahr. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Beinahe 17 Millionen Binnengeflüchtete sieht das IDMC als Folge des Krieges. Aber auch Klimakatastrophen, etwa die Flut in Pakistan oder tropische Zyklone im Süden Afrikas, führten zu einem enormen Anstieg.

Wie schon im letzten Jahr verloren mehr Menschen wegen Katastrophen (32,6 Millionen) ihr Zuhause als wegen Gewalt und Konflikten (28,3 Millionen). Dabei unterteilt das IDMC Katastrophen in wetterbedingte und geophysikalische Katastrophen.

716.000 Menschen wurden durch geophysikalische Ereignisse wie Erdbeben und Vulkanausbrüche vertrieben. Bei den wetterbedingten Katastrophen führt Hochwasser (19,2 Millionen) mit großem Abstand, danach folgen Stürme (knapp zehn Millionen) und Dürren (2,2 Millionen). Insgesamt wurden 2022 dreimal mehr Menschen durch Katastrophen vertrieben als 2021.

Drei Viertel der Geflüchteten in nur zehn Ländern

Der Umfang der Binnenflucht in vielen Ländern übersteigt dabei die Zahl der Menschen, die nach Deutschland flüchten, bei Weitem. Während letztes Jahr knapp 250.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und nur 630 Menschen innerhalb Deutschlands aufgrund von Extremwetterereignissen ihr Zuhause verlassen mussten, waren in Ländern wie Äthiopien, Kongo oder den Philippinen jeweils mehrere Millionen auf der Flucht.

Das IDMC schreibt dazu: "Binnenvertreibung ist ein globales Phänomen, aber fast drei Viertel aller Binnenvertriebenen der Welt leben in nur zehn Ländern." Dazu zählen Nigeria, Sudan, Syrien und auch die Ukraine.

Die Zahlen widerlegen das rechtspopulistische Narrativ "Millionen Menschen wollen nach Europa". Erstens treibt die Menschen nicht das "Wollen", sondern die existenzielle Not in die Flucht, und zweitens liegt ihr Ziel zum allergrößten Teil im eigenen Land oder Nachbarland.

Laut IDMC ist der erste Schritt zur Unterstützung von Geflüchteten eine bedingungslose Bargeldhilfe. Neben unmittelbaren humanitären Hilfen seien langfristige Investitionen in Maßnahmen zur Risikominderung und Warninfrastrukturen wichtig.

In Zukunft werden Extremwetterereignisse die Fluchtursachen weiter dominieren. Klimaschutz ist damit die wohl wichtigste Präventionsmaßnahme.

 

Gleichzeitig sind Anpassungsmaßnahmen mittlerweile unumgänglich. Selbst bei Einhaltung des 1,5-Grad-Limits werden die Auswirkungen von Dürren, Stürmen und Hochwassern in den nächsten Jahren zunehmen.

Dabei brauchen arme und vulnerable Länder die Unterstützung der Industrienationen. Denn Anpassung kostet. Eigentlich hatten die Industrieländer versprochen, bereits ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung von Klimaschutz und -anpassung an Entwicklungsländer zu zahlen.

Bisher wurde das Versprechen nicht eingehalten. Immerhin sagte die Bundesregierung jüngst beim Petersberger Klimadialog zwei Milliarden Dollar für den Grünen Klimafonds zu. Dass diese Zusage so früh im Jahr kommt, ist gut und kann Druck auf andere Länder ausüben.

Ob die reichen Länder ihr Versprechen dieses Jahr zum ersten Mal einhalten, wird sich zeigen. Auch 100 Milliarden, so enorm diese Summe klingt, werden allerdings nicht ausreichen. Das UN-Umweltprogramm Unep hat etwa errechnet, dass Entwicklungsländer ab 2030 jährlich zwischen 160 und 340 Milliarden Dollar allein für die Anpassung an den Klimawandel brauchen.