Exxon-Mobil-Raffinerie
Mit Raffinerien wie dieser belastet Exxon Mobil seit vielen Jahren das Klima. (Foto: Roy Luck/​Flickr)

"Alle diese Beweise zusammen belegen in meinen Augen sehr deutlich, dass der (anthropogene) Treibhauseffekt existiert und unser Klima verändert". Mit diesen Worten schloss James Hansen, Klimaforscher der Nasa, am 23. Juni 1988 seinen Vortrag vor dem US-amerikanischen Senat.

Ein geschichtsträchtiger Tag. In Wissenschaftskreisen schwirrte die Angst vor einer globalen Erwärmung schon umher. Aber erst durch Hansens Rede griffen auch Medien und Politik den Klimawandel auf. Es ist sicherlich kein Zufall, dass noch im November desselben Jahres der Weltklimarat IPCC ins Leben gerufen wurde.

Ein Mann wusste allerdings schon Jahre vor dem Nasa-Experten Hansen sehr gut Bescheid über die Erderwärmung. Und nicht nur das. Wie eine neue Studie beweist, verstand er auch die menschengemachte Erderwärmung besser als die Nasa.

Sein Name war James Black. Bedauerlicherweise hat Black sein Wissen nicht mit der Öffentlichkeit geteilt, sondern lediglich mit den Führungskräften seines Arbeitgebers, des damals größten Mineralölunternehmens der Welt, Exxon.

Bereits 1977 warnte James Black den Vorstand von Exxon, heute Exxon Mobil: Die Verbrennung fossiler Brennstoffe beeinflusst das globale Klima. Ein Jahr später wies er darauf hin, dass eine Verdopplung des atmosphärischen CO2-Gehalts die globale Durchschnittstemperatur um zwei bis drei Grad erhöhen werde. Eine Einschätzung, die sich mit heutigen Erkenntnissen weitestgehend deckt.

All das zeigte 2015 eine monatelange, umfassende Recherche des Online-Magazins Inside Climate News.

Exxon Mobil nutzte dieses Wissen nicht etwa, um die Öffentlichkeit aufzuklären, sondern entwickelte eine große Desinformationskampagne. Bis heute greifen AfD-Abgeordnete oder Welt-Journalist:innen die Fake-Argumente von Exxon Mobil auf.

Die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes untersuchte Exxons Klimawandel-Kommunikation zwischen 1977 und 2014. Sie kam zu dem Ergebnis, dass 81 Prozent der von Exxon Mobil bezahlten Advertorials – redaktionell aufgemachte Anzeigen zum Beispiel in Tageszeitungen – Zweifel an der Existenz des Klimawandels und der Rolle von fossilen Brennstoffen vertraten.

Exxon-Vorhersagen besser als die der Nasa

Nun zeigt eine neue Studie, wie akkurat die Klimaprognosen tatsächlich waren. Wissenschaftler:innen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der US-Universität Harvard werteten die internen Prognosen des Ölkonzerns zwischen 1977 und 2003 systematisch und quantitativ aus. Darunter auch die Daten bisher unveröffentlichter unternehmenseigener Dokumente.

Kurvendiagramm: Die Prognosen von Exxon lagen sehr nahe an der dann stattfindenden Erwärmung.
Die rote Linie zeigt die beobachtete Erderwärmung. Graue Linien sind Vorhersagen von Exxon-Forscher:innen zwischen 1977 (hellste Linie) und 2003 (dunkelste Linie). Gestrichelte Linien sind Projektionen aus anderen Quellen, die Exxon verwendete. (Grafik: aus der Studie)

Die Forscher:innen errechneten den standard skill score für die Exxon-Prognosen. Dieser ergibt sich aus der mittleren quadratischen Abweichung zwischen einer Prognose und den beobachteten Temperaturdaten und ist ein Maß für die Genauigkeit der Vorhersage. Exxons Prognosen erreichten schon 1982 einen Score von 82 Prozent und 1985 sogar 99 Prozent.

"Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein 'kohlendioxidinduziertes Superinterglazial' verursachen würde", betonte Stefan Rahmstorf vom PIK, Co-Autor der Studie.

Damit deckten sie sich mit Vorhersagen unabhängiger Modelle aus staatlicher Forschung und waren in den meisten Fällen sogar um einiges besser als diese. Die Vorhersagen, die der Nasa-Experte James Hansen 1988 dem US-Kongress vorlegte, erreichte zum Beispiel nur einen Score von 66 Prozent.

Ein Interglazial ist eine Warmzeit, die zwischen zwei Eiszeiten vorkommt. Ein "Superinterglazial" ist eine Warmzeit, die nicht nur wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren.

Selbst das verbleibende globale CO2-Budget, um die Erwärmung unter zwei Grad zu halten, wurde von Exxon-Mobil-Wissenschaftler:innen realistisch abgeschätzt. Gerade in diesem Punkt widersprachen laut den Studienautor:innen die öffentlichen Erklärungen des Unternehmens klar den eigenen wissenschaftlichen Daten.

"Was Exxon Mobil erstaunlich genau wusste und was Exxon Mobil dann bekanntlich leider tat, steht in scharfem Kontrast", sagte Rahmstorf.

Studie entlarvt Exxons Ausreden

Die Autor:innen hoffen, mit ihren Erkenntnissen den laufenden und kommenden juristischen und politischen Prozessen gegen Exxon Mobil zusätzliches Gewicht zu verleihen.

Diese Ergebnisse bestätigten, dass Exxon Mobil die Bedrohung durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung parallel zu seinen Lobby- und Propagandakampagnen, aber auch schon davor, genau vorhergesehen hat, schreiben die Autor:innen der Studie.

2019 hatte die New Yorker Generalstaatsanwaltschaft gegen Exxon Mobil geklagt, wegen Falschangaben zum Klimawandel und Täuschung von Anleger:innen. Der zuständige Richter sah jedoch keine ausreichenden Beweise dafür und sprach den Konzern frei.

Es laufen noch etliche weitere Klagen gegen den Konzern. Etwa wegen Klimaschäden, aber auch bei der Täuschung der Öffentlichkeit könnte noch nicht das letzte Wort gesprochen worden sein.

Ähnlich lauten die Vorwürfe gegen andere Mineralölkonzerne. Auch Shell wusste schon lange vor der breiten Öffentlichkeit von den Gefahren der Klimakrise, ebenso BP und Total.

In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob Konzerne, die an der Klimakrise verdient und die Öffentlichkeit getäuscht haben, zur Rechenschaft gezogen werden.

Hauptautor Geoffrey Supran von der Harvard-Universität ist sich sicher, dass die Studie Exxons Ausreden entlarvt hat. "Dies ist der Sargnagel für die Behauptungen von Exxon Mobil, dass das Unternehmen zu Unrecht der bewussten Klimavergehen beschuldigt wurde."

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