Spitze einer Demonstration des Klima-Gesundheits-Bündnisses Health for Future.
Mediziner:innen machen auch öffentlich Druck für den schnellen Ausstieg aus Erdöl und Co. (Bild: Health for Future)

Gesundheitsfachleute aus aller Welt fordern in einem offenen Brief an den Präsidenten der diesjährigen Klimakonferenz, Sultan Al-Jaber, einen schnellen und gerechten Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Erdgas. Erneuerbare Energien sollen dafür so schnell wie möglich ausgebaut werden. Unterzeichnet haben auch drei Gesundheitsorganisationen aus Deutschland.

Die Begründung: Die fossilen Energien bedrohen massiv die Gesundheit der Menschen weltweit – in Zukunft, aber auch schon jetzt. Und das, obwohl im Pariser Klimaabkommen das Recht auf Gesundheit verankert ist. Die Staaten der Welt haben sich mit ihrer Unterschrift also auch verpflichtet, die Gesundheit der Menschen zu achten und zu fördern.

Durch den Klimawandel häufen sich extreme Wettereignisse wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Trockenperioden. Sie bedrohen die Gesundheit der Menschen sowohl direkt, etwa durch Hitzetod, als auch indirekt durch fehlende Wasser- und Ernährungssicherheit und dadurch entstehende Konflikte und Kriege.

Die Verbrennung fossiler Energien führt aber auch zu Luftverschmutzung. Damit sei sie mitverantwortlich für Krankheiten wie verschiedene Krebsarten, Herz- und Atemwegserkrankungen sowie Schlaganfälle und führe dadurch zu jährlich rund sieben Millionen frühzeitigen Todesfällen, listet der offene Brief auf.

Außerdem breiten sich durch den Klimawandel Krankheiten in neue Regionen aus und mehr Menschen erkranken. Beispiele sind Malaria und das Dengue-Fieber, die beide durch Mücken übertragen werden.

Klimaschutz spart Gesundheitskosten

Der Ausstieg aus den fossilen Energien würde daher auch Geld sparen. Allein die Luftverschmutzung und ihre gesundheitlichen Auswirkungen hätten im Jahr 2021 rund 8,1 Billionen US-Dollar gekostet, 6,1 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts, rechnet das Schreiben vor.

Allein bei den Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung könnten laut den Expert:innen jährlich mehrere hundert Milliarden Dollar gespart werden. Dazu käme die Vermeidung von Verlusten durch Extremwetterereignisse.

Sich auf End-of-Pipe-Lösungen wie CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) zu verlassen, ist für die Unterzeichnenden der falsche Weg. Die Methode sei weder im Umfang ausreichend noch genügend zuverlässig. Bei CCS wird Kohlendioxid aus Verbrennungsprozessen aufgefangen und im Boden beziehungsweise unter dem Meeresgrund gespeichert.

Die Gesundheitsexpert:innen sehen außerdem die Gefahr, dass durch solche technischen Maßnahmen die Emissionen noch steigen. Ob CCS wie versprochen 65 bis 80 Prozent der CO2-Emissionen bei der Verbrennung fossiler Energieträger dauerhaft aus der Atmosphäre fernhalten kann, sei nicht geklärt, schreibt auch das Umweltbundesamt.

Stattdessen sei es wichtig, die Subventionen für fossile Energien in Höhe von jährlich hunderten Milliarden Dollar zu stoppen und die nötigen Finanzmittel für den Umbau zu erneuerbaren Energien bereitzustellen.

Ausschluss von Lobbyist:innen vom Klimagipfel gefordert

Um schneller aus den fossilen Energien aussteigen zu können, wird in dem Brief gefordert, die Kohle-, Gas- und Ölindustrie von den UN-Klimakonferenzen auszuschließen. Schließlich dürften an den WHO-Konferenzen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs auch keine Abgesandten der Tabakindustrie teilnehmen.

Demonstranten mit Schildern:
Schon bei vielen Klimagipfeln – hier 2018 in Polen – wurde vergeblich gefordert, Unternehmen mit klimaschädlichem Geschäftsmodell auszuschließen. (Bild: Corporate Accountability)

Verständnis für diese Forderungen signalisiert auch der Verein Lobbycontrol, der in Deutschland und der EU über Machtstrukturen und Einflussstrategien zwischen Wirtschaft und Politik aufklären will. "Die blockierende Rolle, die fossile Lobbyist:innen spielen, um effiziente Klimaschutzpolitik zu untergraben, kann gar nicht oft genug thematisiert werden", heißt es bei der Organisation.

Teilweise seien Lobbyist:innen fossiler Konzerne auf den Klimakonferenzen sogar Teil der staatlichen Delegationen und könnten in den Runden mitberaten, zu denen Klimaaktivist:innen oder Medien keinen Zugang mehr haben. "Das ist hochproblematisch. Dies gilt auch für das Gastgeberland", so Lobbycontrol. Gastgeber der am 30. November beginnenden 28. Klimakonferenz sind die Vereinigten Arabischen Emirate.

Nina Katzemich von Lobbycontrol hält es allerdings für unwahrscheinlich, dass Lobbyist:innen so kurz vor der Klimakonferenz wieder ausgeladen werden. Deshalb appelliert sie an die Politiker:innen, bei der in Dubai stattfindenden Konferenz auf ausreichende Distanz zu den fossilen Konzernen und ihrem Lobbypersonal zu gehen.

Dennoch sei es hilfreich, dass der offene Brief auf den fossilen Lobbyismus und die damit zusammenhängenden Probleme aufmerksam mache, betont Katzemich.

"Wir müssen lauter sein als die fossile Lobby"

Katharina Kewitz, Sprecherin von Health for Future, bezweifelt, dass auf dem diesjährigen Klimagipfel ein vollständiger Ausstieg aus fossilen Energien beschlossen wird: "Das ist bei der großen Zahl von Gas- und Öllobbyisten, die im letzten Jahr anwesend waren, und einem Konferenzpräsidenten, der Chef der nationalen Ölgesellschaft war, unwahrscheinlich." Kewitz glaubt auch nicht, dass der Brief daran etwas ändern wird.

Health for Future gehört zum For-Future-Bündnis um die Bewegung Fridays for Future. Menschen in Gesundheitsberufen setzen sich in dem Netzwerk für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit ein. Es geht auch darum, die Auswirkungen der Erderwärmung auf die menschliche Gesundheit zu begrenzen.

 

Trotz ihrer Zweifel findet es auch Kewitz "wichtig, dass der Gesundheitsbereich hier klar und deutlich Stellung bezieht". Mehr politischer Druck könne die Gesundheitsprobleme stärker in den Blick rücken, wenn es um den Klimawandel geht. "Dass die fossile Lobby so laut ist, bedeutet für uns, dass wir umso lauter sein müssen."

Gerade mit Gesundheitsthemen lassen sich nach Überzeugung der Health-for-Future-Sprecherin größere Mehrheiten für den Klimaschutz gewinnen. "Denn wenn es darum geht, die Luftqualität zu verbessern, die Nahrungsmittel- und Trinkwasserversorgung zu sichern und Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, dann profitieren alle davon."