Handgemachtes Demo-Schild: CO2 + € = brennende Weltkugel
Noch ist es möglich, den Planeten vor der Überhitzung zu bewahren, meint der Zukunftsforscher Jørgen Randers. (Foto: Niek Verlaan/​Pixabay)

Klimareporter°: Herr Randers, auf der Ideen-Messe "Me Convention", die auf der Frankfurter Autoschau IAA stattfand, bezeichnete man Sie als "Orakel". Sagen Sie uns: Gibt es Hoffnung für die Menschheit, dass die Erde als gesunder Planet erhalten bleibt?

Jørgen Randers: Durchaus, es ist technisch und ökonomisch möglich – wenn wir uns dazu entschließen. Allerdings ist es kurzfristig teurer, als nichts zu tun. Deswegen handeln Länder mit liberalen Marktwirtschaften tendenziell zu spät und schaffen dadurch unnötige Schwierigkeiten für unsere Kinder und Enkelkinder.

Vor fast 50 Jahren waren Sie einer der Autoren des Club-of-Rome-Berichts "Die Grenzen des Wachstums". Das Buch hat viele aufgerüttelt, aber Politik, Industrie und Verbraucher haben trotz der teils dramatischen Szenarien nicht wirklich umgesteuert.

Die Studie von 1972, die in vielen Millionen Exemplaren erschienen ist, hat die Welt schon in die richtige Richtung gebracht, aber längst nicht weit genug. Auch heute machen wir leichte Fortschritte, etwa bei den erneuerbaren Energien, aber die sind viel zu langsam.

Was ist denn schuld daran, dass die Menschheit fünf Jahrzehnte beim Wandel zu einem nachhaltigen Lebensstil verloren hat?

Es ist vor allem die Kurzfrist-Orientierung unseres Wirtschaftssystems und der Märkte, aber auch der Wähler, die es jetzt gut haben wollen und denen vergleichsweise egal ist, wie die Welt in 50 Jahren aussieht. Politiker, die für einschneidende Maßnahmen eintreten, werden nicht gewählt. Das muss sich ändern.

Was wir brauchen, ist eine Art ökologisches "House of Lords" mit einer 20-Jahres-Wahlperiode, das ein Vetorecht gegenüber allen Entscheidungen der Regierung hat, wenn diese den Klima-Fußabdruck des Landes vergrößern.

Gibt es denn noch eine Chance, einen katastrophalen Klimawandel zu vermeiden?

Ja. Wir müssen beschließen, die Nutzung fossiler Brennstoffe schrittweise von 2020 bis 2050 herunterzufahren. Dann ist es noch möglich, das Zwei-Grad-Erwärmungslimit zu halten, das im Pariser Weltklimavertrag steht.

Aber wahrscheinlich ist es nicht?

Ich rechne damit, dass der Treibhausgas-Ausstoß erst 2100 auf null sinken wird. Der Temperaturanstieg wird dadurch 2075 etwa 2,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit erreichen, danach aber etwa 50 Jahre lang wieder um ein halbes Grad absinken.

Porträtaufnahme von Jørgen Randers.
Foto: HPA

Jørgen Randers

ist Professor für Klima­strategie an der BI Norwegian Business School in Oslo. Der Norweger war Mitautor des ersten Berichts des Thinktanks Club of Rome, "Die Grenzen des Wachstums", erschienen 1972. Unter anderem war er Vize-Geschäfts­führer der Umwelt­stiftung WWF Inter­national. Sein jüngstes Buch hat den Titel "Ein Prozent ist genug".

Der Grund dafür ist, dass dann die Gletscher auf der Landfläche der Erde verstärkt abschmelzen, was der Atmosphäre eine große Menge Wärme entzieht.

Danach allerdings verstärkt sich das Auftauen der Permafrost-Böden auf dem Globus, was viel Methan freisetzt – und das führt über fünf Jahrhunderte zu einem Temperaturanstieg von rund einem halben Grad pro Jahrhundert.

Am Ende ergibt das eine Erwärmung um fünf Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten. Das wäre wirklich dramatisch. Allerdings glaube ich: Die Menschheit müsste vor Ablauf dieser 500 Jahre in der Lage sein, Lösungen zu finden, um das zu verhindern.

Indem CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernt wird?

Genau. Man braucht weltweit 10.000 sehr große Anlagen, die das überschüssige CO2 aus der Luft herausholen und es in tiefen Gesteinsschichten endlagern. Ich sage voraus, dass sie ab 2050 gebaut werden und dann 100 Jahre lang laufen. Danach wird sich die Situation deutlich verbessert haben.

Besser wäre natürlich, das CO2 erst gar nicht in die Atmosphäre zu pusten. Was raten Sie?

Die Nutzung von Kohle, Erdöl und Erdgas muss schrittweise verboten werden, es darf hier ab 2020 keine neuen Investitionen mehr geben. Und die Menschen, die dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren, müssen entschädigt werden.

Welcher Teil der Welt kann dabei die Führung übernehmen?

Die reichen Industriestaaten sollten vorangehen. Denn sie haben die Mittel dazu. Sie können zeigen, dass es durchaus möglich ist, Wohlstand und null Treibhausgasemissionen miteinander zu verbinden.

Vor ein paar Jahren sagten Sie, weder die EU noch die USA, sondern China werde beim ökologischen Umbau vorangehen. Immer noch richtig?

Absolut. Die Chinesen sind auf dem richtigen Weg mit ihrer "Green Transition"-Strategie bis 2050. Weil sie sich dazu fest entschlossen haben und mit ihren Fünf-Jahres-Plänen auch die Instrumente haben, um das zu erreichen.

Allerdings begann die Fridays-for-Future-Bewegung in Europa, nicht in China und auch nicht in den USA. Gibt Ihnen das keine Hoffnung, dass auch die westlichen Demokratien noch schnell genug umsteuern können?

Fridays for Future ist ein Schritt nach vorne. Trotzdem habe ich die Sorge, dass die Bewegung keine demokratische Mehrheit bekommt, bevor es zu spät ist, um die globale Temperatur unter plus zwei Grad Celsius zu halten.

In Frankfurt am Main haben Sie an einer Veranstaltung teilgenommen, die vom Autohersteller Daimler gesponsert wurde, dessen große Limousinen und SUV die EU-Klimavorgaben für Pkw für 2020 deutlich überschreiten. Denken Sie, dass das Unternehmen Teil der Lösung sein wird?

Meine Aufgabe ist es, wenn ich Daimler berate, das Unternehmen dazu zu bringen, Teil der Lösung zu sein. Es muss schneller zu einer CO2-freien Mobilität übergehen, als es bisher geplant hat, und dafür in Kauf nehmen, dass der Profit geringer ausfällt als heute.

Sympathisieren Sie mit den Demonstranten, die an diesem Wochenende gegen die IAA protestieren?

Ich denke, sie sollten gegen den fossilen Verkehr protestieren, nicht gegen die Mobilität.

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