Klimareporter°: Frau Klee, in Ihrem Aufruf zur Aktion am Sonntag schreiben Sie, dass Sie "die Macht der Autoindustrie brechen" wollen. Wie wollen Sie das schaffen?
Marie Klee: Wir werden am Sonntag die IAA blockieren, weil wir sagen, es kann nicht sein, dass die Autoindustrie dort ungestört das Verkehrssystem von vorgestern feiern kann. Denen ist ihr Image sehr wichtig, deshalb glauben wir, dass die Ausstellung ein essenzieller Angriffspunkt ist.
Die IAA ist für uns ganz klar ein Symbol für verantwortungslose Umweltzerstörung und den verzweifelten Versuch der Autoindustrie, sich am zerstörerischen Status quo festzukrallen. Genau dort werden wir am Sonntag die Eingänge zur Messehalle blockieren.
Auf der IAA werden auch einige Elektroautos vorgestellt, es gibt Diskussionen über die Zukunft der Mobilität.
Trotzdem werden immer noch große SUVs und Benziner ausgestellt. Im Gespräch mit Tina Velo von unserem Bündnis am Montag konnte VW-Chef Herbert Diess kein Datum nennen, wann der letzte Benziner vom Band läuft – das lasse sich nicht planen.
Das finden wir grundsätzlich verantwortungslos. Auch in der Elektromobilität sehen wir nicht die Lösung. Wir brauchen nicht die Antriebswende, sondern eine radikale Verkehrswende. Die fossile Autoindustrie muss schrumpfen und es muss deutlich weniger Autos insgesamt geben.
Sie sind also nicht gegen Autos an sich?
Wir wollen autofreie Städte. Das ist auch jetzt schon technisch möglich und eine Frage von politischem Willen, das umzusetzen. Elektromobilität wünschen wir uns vor allem in kollektiven Verkehrsmitteln wie Bussen und Bahnen.
Marie Klee
ist eine der Sprecherinnen des Bündnisses "Sand im Getriebe". Sie ist seit acht Jahren in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv. Marie Klee ist ein Pseudonym, sie will nicht mit ihrem echten Namen auftreten. (Foto: privat)
Und auf dem Land?
Dort muss man zusammen mit den Menschen vor Ort in einem politischen Prozess kreative Lösungen entwickeln.
Aber es werden immer mehr Menschen in die Städte ziehen, deshalb müssen wir dort sofort beginnen.
Was fordern Sie konkret von der Politik?
Ambitionierte und schnelle Handlungen für klima- und menschenfreundliche Mobilität: Ausbau der Fahrradinfrastruktur und des ÖPNV. Der sollte kostenlos sein. Mehr Lebensqualität und Gerechtigkeit durch autofreie Städte. Die Politik ist total eng verbandelt mit der Autoindustrie. Das muss aufhören.
Sollten SUVs, die gerade stark in der Kritik stehen, verboten werden?
SUVs sind nur die Spitze des Eisbergs in einem kranken Verkehrssystem. Sie sind eine Ausgeburt an Unsinnigkeit, Egoismus und Zerstörung. Wir müssen aber am ganzen System was ändern. Da reicht ein SUV-Verbot einfach nicht.
Am Samstag gibt es in Frankfurt auch eine große Demonstration mit Sternfahrt. Was unterscheidet Ihre Forderungen von denen der Demonstration?
Wir stehen in einem solidarischen, engen Austausch mit dem Demobündnis. Inhaltlich gibt es kleine Detailunterschiede. Wir stellen stärker in den Vordergrund, dass wir weniger Autos haben wollen, und sprechen uns für autofreie Städte aus. Hauptsächlich werden wir uns aber in den Aktionsformen unterscheiden.
Sie nennen Ihre Demo "nicht legal, sondern legitim". Warum?
Grüner Wandel der Autoindustrie
"Den Wandel der Automobilindustrie sozial und ökologisch gestalten" wollen die Grünen im Bundestag. In ihrem heute vorgelegten Autorenpapier schlagen sechs grüne Abgeordnete unter anderem vor:
- anspruchsvolle CO2- und Schadstoffgrenzwerte festlegen, ab 2030 nur noch den Verkauf abgasfreier Neuwagen erlauben
- Kraftstoffe beginnend bei 40 Euro pro Tonne CO2 besteuern
- Dienstwagenprivileg nur noch für komplett abgasfreie Autos
- tarifliche "Qualifizierungs-Kurzarbeit“ für Belegschaften der Autobranche
- Kaufprämie nur noch für reine E-Autos, 2.000 Euro Förderung für 60.000 Euro teure E-Pkw, schrittweiser Anstieg bis auf 5.000 Euro für Autos unter 30.000 Euro
- Kaufprämie durch Bonus-Malus-System finanzieren, indem Käufer hochmotorisierter Spritschlucker mehr zahlen
- ÖPNV, Schienen- und Radverkehr massiv ausbauen
- regionale Transformationsmittel für Auto-Zulieferindustrie
- kluge Flächenpolitik, um auch kurzfristig Projekte wie Batteriezellfertigung realisieren zu können
Wir haben uns für zivilen Ungehorsam entschieden, weil die Klimakatastrophe, das kriminelle Verhalten der Autoindustrie im Dieselskandal und die Normalität von Verkehrstoten so dramatisch sind, dass wir das nicht weiter hinnehmen können. Deswegen gehen wir einen Schritt weiter und übertreten auch den legalen Rahmen.
Wir freuen uns aber, dass es die Demonstration am Samstag gibt, und dass auch dort viele Menschen gegen die IAA auf die Straße gehen.
Wer steckt hinter Ihrem Bündnis?
Viele kommen aus der Klimagerechtigkeits-Bewegung, viele haben auch einen verkehrspolitischen Hintergrund. Zum Beispiel sind Ende Gelände Berlin und mehrere Critical-Mass-Initiativen aus unterschiedlichen Städten beteiligt. Auch Attac als globalisierungskritische Organisation ist dabei.
Wie geht es nach der Aktion weiter?
Die Verkehrswende ist natürlich nicht mit einer einmaligen Blockade der IAA erledigt. Uns ist ganz wichtig, dass der Diskurs um autofreie Städte weitergeht und darum, wie wir mehr Lebensqualität in die Städte bekommen. Die Aktion ist also erst ein Anfang.