Lachende Frau mit Schild
"Für unsere Kinder": Aktivistin von "Extinction Rebellion" bei einer Klimaschutz-Demo in London. (Foto: Jeremy Hutchison)

Rund 7,8 Milliarden Menschen leben derzeit auf der Erde. Im Jahr 2050 werden es nach UN-Prognosen 9,7 Milliarden sein, 2100 sogar 10,9 Milliarden. Sie alle brauchen Nahrung und ein Dach über dem Kopf, sie alle verbrauchen Energie.

Doch schon heute überlastet die Menschheit den Planeten, mit einem viel zu hohen Ressourcenverbrauch, zu viel Abholzung, einem viel zu hohen Ausstoß an Treibhausgasen. Sind wir längst zu viele?

Seit Jahren steht die Frage im Raum, ob die steigende Zahl von Menschen mit den planetaren Grenzen der Erde vereinbar ist. Kann man mehr als zehn Milliarden versorgen und gleichzeitig die Pariser Klimaziele einhalten?

Oder werden so alle Bemühungen um Klimaschutz konterkariert wie in einer Art Rebound-Effekt? Wäre es nicht besser, das Bevölkerungswachstum zu begrenzen?

Die Frage ist schwierig, weil sie sich hart an der Grenze zum ethisch Fragwürdigen bewegt. Man kann niemandem verbieten, Kinder zu bekommen. Und wer sollte denn darüber entscheiden, wann es zu viel ist? Und: wer zu viel ist?

In jedem Fall wäre es eine Anmaßung. Es würde den Werten zuwiderlaufen, zu denen sich die UN-Staaten bekannt haben. Jedes Leben zählt. Das ist der Grundsatz, wie sich in der Coronakrise gerade erfreulicherweise zeigt.

Kontroverse Studie

Wie heikel das Thema ist, zeigte 2017 eine Studie der Universität Lund in Schweden. Der Verzicht auf ein Kind bringe mit Abstand am meisten fürs Klima, hatten die Forschenden um Kimberly Nicholas geschrieben und damit für heftige Diskussionen gesorgt.

Das ist die Lösung! Oder?

Die Welt weiß, wie man die CO2-Emissionen senken kann – sie muss es nur tun. Wir stellen in einer Serie verschiedene Lösungsansätze mit ihren Vor- und Nachteilen vor.

Klimareporter° beteiligt sich damit wie hunderte andere Zeitungen und (Online-)​Magazine weltweit an der Initiative "Covering Climate Now". Anlässlich des 50. Jubiläums des "Earth Day" am 22. April berichten die Kooperationsmedien eine Woche lang verstärkt über Lösungen für die Klimakrise.

Allerdings waren ihre Berechnungen wenig plausibel. Sie hatten jeweils die Emissionen der weiteren Nachkommen mit aufgeschlagen und waren so zu astronomischen CO2-Mengen gekommen.

Ein Jahr zuvor hatte ein Club-of-Rome-Bericht empfohlen, jeder Frau zu ihrem 50. Geburtstag eine Prämie von umgerechnet 80.000 US-Dollar zu zahlen, wenn sie maximal ein Kind bekommen hat.

Allerdings nur den Frauen in den reichen Ländern, da dort der ökologische Fußabdruck um ein Vielfaches höher ist als in armen Ländern. Auch hier folgte eine aufgeheizte Debatte.

Dabei zeigen die Zahlen, dass es eigentlich keinen Grund gibt, das Bevölkerungswachstum als das gravierendste Problem der Menschheit anzusehen. Schon seit rund 20 Jahren flacht die Kurve deutlich ab. Die Menschheit wächst viel langsamer.

Dass jemals eine Zahl von weit über zehn Milliarden erreicht wird, ist unwahrscheinlich. Die Geburtenrate liegt nur noch bei durchschnittlich 2,5 Kindern pro Frau, für 2050 rechnen die Vereinten Nationen mit 2,2 Kindern. 1990 waren es noch 3,2.

Das größere Problem

Zugleich ist die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich gestiegen. Nach UN-Zahlen lag sie 1990 bei rund 64 Jahren, heute sind es fast 73 Jahre. 2050 könnten es 77 Jahre sein. Es wäre absurd, dies als unerwünschte Entwicklung anzusehen. Aber es trägt dazu bei, dass die Zahl der Menschen wächst, die auf der Erde leben.

Insgesamt hat sich die Weltbevölkerung in den letzten 100 Jahren vervierfacht. Der CO2-Ausstoß der Menschheit hat sich im selben Zeitraum aber verzehnfacht. Mehr Menschen sind also nicht der Hauptgrund für den Anstieg der Emissionen, wie schon der Weltklimarat IPCC in seinem Sachstandsbericht 2014 klargestellt hat.

Grafik: Die reichsten zehn Prozent der Welt verursachen die Hälfte der CO₂-Emissionen, die ärmere Hälfte nur zehn Prozent.
"Sektkelch" nach Piketty und Chancel: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung verursachen die Hälfte der CO2-Emissionen, während die ärmere Hälfte der Menschheit zusammen nur auf zehn Prozent kommt. (Grafik: Maren Urner, Felix Austen; Daten: Oxfam)

Der Hauptgrund ist der extrem ressourcen- und energieintensive Lebensstil der Menschen in den reichen Ländern. Die 20 größten Industrie- und Schwellenländer produzieren immer noch rund 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.

Die Forschung ist sich einig, dass Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, Gesundheit und Familienplanung wichtig sind, um die weltweite Bevölkerungszahl zu stabilisieren. Frauen, die selber über Verhütung und Lebensgestaltung entscheiden können, haben in der Regel weniger Kinder.

Noch wichtiger ist aber, dass sich die Art und Weise ändert, wie in den Ländern gelebt und produziert wird, die den größten Anteil am Treibhausgasausstoß haben.

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